Reformirte Kirche

[685] Reformirte Kirche, nannten sich verschiedene Religionsgesellschaften von Protestanten, die im 16. Jahrh. gleich den Lutheranern sich von der kathol. Kirche lossagten und die Bibel als die einzige Glaubensnorm erklärten, dabei aber den Ansichten des Zwingli und Calvin huldigten. Diese brachten aus der Bibel namentlich über das Abendmahl, Rechtfertigung und Gnadenwahl, Nothwendigkeit der Taufe u.s.w. andere Lehren als Luther heraus, wollten besonders auch das Kirchenregiment anders als dieser gestaltet wissen, fanden aber für ihre Ansichten und Bestrebungen bis auf die neueste Zeit ebenfalls immer neue Verbesserer. Metropolen der r.n K. in der Schweiz oder der helvetischen Kirche wurden: Zürich durch U. Zwingli, Basel durch Capito, Hedio und Oekolampad, vor allen Genf durch G. Farel, P. Viret u. besonders durch Calvin; in Bern half der Leutpriester Berthold Haller reformiren, in Sankt Gallen Vadian u. Joh. Keßler, Schaffhausen fand seinen Seb. Wagner. In Straßburg wirkte Bucer, der sich vergeblich bemühte, Luthern gegen die schweizerischen »Sakramentirer« versöhnlich zu stimmen u.s.f. Während sich der Calvinismus in Frankreich ausbreitete und zu langwierigen Bürgerkriegen führte (s. Hugenotten), wurde im deutschen Reich Melanchthon selber des Abfalles vom Lutherthum verdächtig n. traten in einer Zeit, wo statt der protestant. Gewissensfreiheit der Grundsatz: Cujus regio ejus et religio galt, vom Lutherthum zur r.n K. über: Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz (1559), Landgraf Moriz von Hessenkassel (1596), Fürst Johann Georg von Anhalt-Dessau (1591), der Markgraf Ernst Friedrich von Baden-Durlach (1604), der Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg (1610). Schon vorher hatte die r. K. auch süddeutsche Reichsstädte gewonnen und drang bis nach Polen und Ungarn vor; in den Niederlanden siegte dieselbe durch die Dordrechter Synode (s. d. u. vgl. Arminianer, Gomaristen, Moriz von Oranien). In Großbritannien, wo die r. K. durch Heinrich VIII. und die Königin Elisabeth die Oberhand gewann, entwickelte sich zuerst jene Vielköpfigkeit der religiösen Meinungen, als deren Musterkarte gegenwärtig Nordamerika dasteht. Symbolische Schriften der r.n K., von denen übrigens keine außer etwa den 39 Artikeln der engl. Hochkirche große Bedeutung gewann, waren oder sind theilweise noch a) die Confessio tetrapolitana (Glaubensbekenntniß der 4 Städte Straßburg, Konstanz, Lindau u. Memmingen (1630); b) die Wittenberger Concordienformel von 1536; c) die helvetische Confession von 1536, umgeändert und außer in Basel in der ganzen Schweiz angenommen 1566, abgeschafft 1839; d) die Confessionen von Basel und Mühlhausen; e) die 39 Artikel der Königin Elisabeth von England von 1562; f) die Acten der Dordrechter Synode; g) das Symbolum der Synode von Paris aus dem J. 1559; h) der [685] Heidelberger Katechismus von 1562; i) eine Confessio der Mark Brandenburg u.a.m. In unserm Jahrh. verschmolzen deutsche Fürsten, Friedrich Wilhelm III. von Preußen 1817 voran, ihre lutherischen u. reformirten Unterthanen zu unirten evangelischen Landeskirchen. Sie trugen die gehofften Früchte vielfach nicht und der anfangs schwache Widerspruch gegen sie wird stärker und stärker, je mehr das wiedererwachte Bedürfniß nach positiver Religion sich geltend macht. Ueber die r.n K.n schrieb Basnage (à la Haye 1725), über die helvetische Hottinger, Füßli, Wirz, Kirchhofer, über die niederländ. Gieseler.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 685-686.
Lizenz:
Faksimiles:
685 | 686
Kategorien: