Gewere

[75] Gewere (von wern, wehren, vestire, defendere), im altdeutschen Recht zuerst [75] Einweisung in den Besitz eines Grundstückes (vestitura als Folge der Salung, Auflassung), dann thatsächl. Herrschaft über ein Grundstück, zuweilen auch das Grundstück selbst, endlich auch angewendet auf fahrende Habe. Die Arten der G. sind so mannigfaltig als die rechtl. Herrschaftsverhältnisse des Menschen an einer Sache, es gibt also eine Eigen-G. (eigentliche, ledigliche, ledige), Lehens-, Leibzucht-, hofrechtliche, Pacht-, Faustpfands-G. u.s.w. Unterschieden wird die reelle (leibliche, hebbende, saisine de fait) von der ideellen G. (juristischen, saisine de droit). Wer die G. hat, darf sie selber schützen und nur durch Urtheil daraus verdrängt, entwert werden. Die einfache G. wird durch Fortdauer ohne Widerspruch binnen Jahr und Tag (d.h. innerhalb der Gerichtsfrist von 1 Jahr 6 Wochen und 3 Tagen) zur rechten G., welche gegen alle dinglichen Klagen sichert. Während des 16. Jahrh. drang die röm. und canonische Besitzeslehre in Deutschland ein und es verschwand sogar der Ausdruck G. aus der Volkssprache. – Verschieden von G. ist die Gewähr, jene gehört ins Sachen-, diese ins Obligationsrecht.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 75-76.
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