Scotus Erigena

[161] Scotus Erigena, Johannes, einer der berühmtesten Gelehrten des Mittelalters, von welchem Schriften vorhanden sind, über dessen Heimath (wahrscheinlich Irland), Stand, Leben und Ende aber bereits nichts bekannt oder sicher ist, als daß er um die Mitte des 9. Jahrh. am Hofe Karls des Kahlen lebte und Vorsteher der Hofschule war, auch an den theologischen Händeln, welche der Mönch Gottschalk u. Paschasius Radbertus in Frankreich erregten, Antheil nahm und hinsichtlich seiner Rechtgläubigkeit nicht im besten Geruche stand. Ob er durch Alfred d. Gr. nach England kam, in Oxford lehrte u. zu Malmesbury 886 von seinen eigenen Schülern umgebracht wurde, bleibt dahingestellt. Eine Gesammtausgabe seiner Schriften ist uns nicht bekannt, wohl aber, daß mehre derselben verstümmelt und lückenhaft sind und in den vierziger Jahren Bruchstücke des Commentars zu Johannes, einer Homilie, ein Commentar zu Marcianus Capella u. dergl. zu Paris entdeckt oder zum erstenmal gedruckt wurden. Ueber seine Bedeutung s. d. A. Scholastik; Erigenas Hauptwerk, die große Schrift: De divisione naturae (Oxf. 1681, Münster 1838), welche ihm eine Stelle in der Geschichte der Philosophie sichert, handelt von Gott als dem Schöpfer der Welt, von den göttlichen Weltgedanken od. Ideen, von der Verwirklichung derselben oder von der sichtbaren Welt, endlich von Gott als dem Endziel alles Geschaffenen. Die alte Streitfrage, ob S. E. Rationalist u. Pantheist gewesen sei, wurde in unserer Zeit von Kuhn und I. Görres bejahend, von Staudenmaier, Mattes u.a. aber verneinend beantwortet; gewiß bleibt, daß die pantheistischen Secten des Mittelalters sich vielfach auf die genannte Schrift beriefen u. Papst Honorius III. dieselbe deßhalb 1225 verdammte. – Ueber S. E. schrieben P. Hjort (Kopenh. 1823), F. A. Staudenmaier (Frankf. 1834; unvollendet), René Taillandier (Straßb. u. Par. 1843).

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 161.
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