[253] Sophistik, die, bezeichnet nicht sowohl ein philosophisches System oder eine bestimmte philosophische Schule im alten Hellas als diejenige Zeitrichtung, welche in Athen zur Zeit des peloponnes. Krieges herrschend wurde, sich am füglichsten mit der französ. Aufklärung des 18. Jahrh. vergleichen läßt und Vertreter und Anhänger nicht nur unter allen Arten von Schriftstellern, sondern in allen Classen der Gesellschaft fand. Schon ehe es Sophisten gab, hatte der Geist der Zeit an allem Bestehenden, vor allem an der alten Volksreligion und an den öffentlichen Zuständen gerüttelt, die Sophisten aber wurden nur der geistige Ausdruck ihrer Zeit und der Haltlosigkeit derselben. Sie erklärten den Menschen und zwar den einzelnen empirischen Menschen als das Maß aller Dinge, mit andern Worten: jeder Einzelne habe das Recht, seine Vernunft oder Einsicht zur Richterin alles Bestehenden zu machen u. jede Lehre der Religion, jedes Gesetz u.s.f. nur dann als wahr und recht gelten zu lassen, wenn seine Vernunft Ja dazu sage. An Leuten, welche ihre Einsicht u. die Sprache ihrer Leidenschaften für unfehlbare Wahrheit hielten, hatte es niemals gemangelt, durch die Sophisten kam es jetzt dahin, daß der mundfertigste Schwätzer auch zugleich als der größte Philosoph gelten wollte und vielfach galt. Die Ueberredungskunst galt als das non plus ultra aller Weisheit; der eine eiferte dem Hippias nach, der stets etwas Neues sagen wollte, der andere brüstete sich damit, über jede beliebige Sache ohne weiteres Studium und ohne Sachkenntniß sofort eine Rede aus dem Stegreif loslassen zu können, der dritte suchte zu glänzen, indem er über das Salz und noch geringfügigere Dinge wohlgesetzte Reden hielt, der höchste Triumph des Sophisten aber lag in der Fertigkeit, etwas [253] als wahr und sofort mit gleicher Fertigkeit als unwahr nachzuweisen. Verzweiflung an aller Wahrheit war damit eine nothwendige Frucht der S., als schrankenloser Egoismus im praktischen u. öffentlichen Leben sich geltend machend. Die S. verdiente wirklich die schweren Anklagen, welche Platon im Gorgias, Philebus, Phädrus u.s.f. gegen sie erhob. Die namhaftesten Sophisten waren der »Tugendlehrer« Protagoras, der Rhetor u. Politiker Gorgias, der Grammatiker und Synonomiker Prodicus, der Polyhistor Hippias, der Tyrann Kritias, der den Glauben an die Götter frischweg als eine Erfindung schlauer Staatsmänner besang; s. d. betr. Art. Aber die S. hatte auch ihr Gutes; abgesehen davon, daß sie einen Sokrates u. Platon wider sich in die Schranken rief, verbreiteten die Sophisten ähnlich den Freidenkern des 18. Jahrh. eine Masse von Kenntnissen im Volke, erwarben sich große Verdienste um die Sprachstudien, riefen Untersuchungen über die menschliche Erkenntniß u. über die Logik ins Leben, förderten die Beredsamkeit und legten den Grund zur methodischen Behandlung vieler Zweige des Wissens. Vgl. Sokrates.