Tasso [2]

[416] Tasso, Torquato, einer der ausgezeichnetsten Dichter Italiens und Held eines dramatischen Meisterwerkes von Göthe; geb. 1544 zu Sorrento am Meerbusen von Neapel, bewährte er sehr früh die ausgezeichnetsten dichterischen Anlagen, studierte zu Padua die Rechtswissenschaften, lag aber weit lieber dem Studium der Alten u. der Dichtkunst ob, erregte schon 1562 mit seinem Heldengedichte Rinaldo inamorato die größten Erwartungen und faßte bereits den Plan, Gottfried von Bouillon u. die Helden des ersten Kreuzzuges zu besingen. Er fand Gönner, besonders unter der hohen Geistlichkeit, kam 1567 an den Hof von Ferrara, wo er als Freund des Herzogs Alfonso II. seine schönsten Tage verlebte, aber auch den Grund zum Unglück seines Lebens legte, indem er eine unselige Neigung zu Leonoren, der Schwester des Herzogs, faßte, welche ihm die Zügel der Selbstbeherrschung aus der Hand riß. 1577 behandelte ihn Alfonso II. bereits als bemitleidenswerthen Narren u. hielt ihn in milder Hast, 1578 entfloh T. u. irrte unstät in Italien umher, 1579 war er wieder in Ferrara u. wurde in Folge eines bis jetzt noch nicht genügend aufgehellten Excesses ins Irrenhaus gebracht u. aus strengem Gewahrsam erst 1586 befreit, besonders in Folge der unablässigen Verwendungen des Herzogs Vicenzo von Mantua. Er lebte nun bei Vicenzo, bis dieser starb, worauf T. abermals unstät und manchmal in der bittersten Noth herumirrte und sich von Niemanden, auch vom Papst Sixtus V. nicht, an einen bestimmten Wohnsitz fesseln ließ. 1594 im November holten ihn die Römer triumphirend in ihre Stadt, Papst Clemens VIII. und der Kardinal Aldobrandini wollten ihn im April 1595 feierlich zum Dichter krönen, allein am 25. April 1595 er lag T. seinen körperlichen und geistigen Leiden im Kloster San-Onofrio, in dessen Kirche er begraben liegt u. wo auch sein ihm 1603 vom Kardinal Bevilacqua gesetztes Denkmal sich befindet. T. war als Lyriker ein glücklicher Nachahmer Petrarcas (Rime e fiamme), durch seinen »Aminta« vervollkommnete er das Schäferdrama geistig und kunstmäßig, sein Trauerspiel »Torrismonde« (1587) hat großes poetisches Verdienst, einzig aber steht er als epischer Dichter da; er verband Regelmäßigkeit und Correctheit mit Genialität, Phantasie mit Gefühl, Gelehrsamkeit mit reicher Erfindung. Er lieferte verschiedene Heldengedichte (il Rinaldo 1562, la divina Settimana, gedruckt 1600, il monte Oliveto 1605. le lagrime de Maria 1593), seinen Weltruhm aber begründete das »befreite Jerusalem«, dessen 20 Gesänge 1579–81 allmälig herauskamen u. in viele Sprachen, ins Deutsche namentlich von Gries, Streckfuß, und neuestens von Duttenhofer übersetzt wurden. Später arbeitete er das Meisterwerk um (Gierusalemme conquistata), allein was es dadurch an Correctheit gewann, verlor es zehnfach an poetischem Gehalt, wie denn T. als Kunsttheoretiker sich selber nicht verstanden zu haben scheint u. sich durch Unterwürfigkeit unter [416] Aristoteles überhaupt schadete. Eine Gesammtausgabe der Werke dieses großen Dichters kennen wir nicht, unter den vielen, aber insgesammt ungenügenden Schriften über seine Person heben wir die Lebensbeschreibungen von Serassi (Rom 1785), K. Streckfuß (Berlin 1840) u. R. Milman (life of T., Lond. 18501 hervor. Die von einem Grafen Alberti zu Lucca 1837 herausgegebenen noch ungedruckten Handschriften T.s sollen unächt sein.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 416-417.
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