[8] Abelsche Integrale und Abelsche Funktionen. Abelsches Integral wird jedes Integral der Form ∫ (x,y) dx genannt, in dem φ (x,y) eine beliebige rationale Funktion von x und y ist, während y einer irreducibeln algebraischen Gleichung X0yn + X1yn-1 + ... + Xn-1y + Xn = 0 genügt, deren Koeffizienten X0, X1, ... Xn ganze rationale Funktionen von x sind.
Durch lineare Transformation können solche Integrale auf die Form
gebracht werden, wobei f (x, y) = 0 die Gleichung bedeutet, in die sich die obige Gleichung, durch die Transformation verwandelt, und φ (x,y) eine rationale Funktion von x und y bezeichnet. Sie lassen sich auf drei Gattungen von Integralen zurückführen, von denen diejenigen erster Gattung die Form
haben mit G (x,y) als ganzer rationaler Funktion von x[8] und y, deren Grad n3 beträgt und sich dadurch auszeichnen, daß sie für alle (reellen und komplexen) Werte von x endlich bleiben. Zu jeder Gleichung f (x, y) = 0 gehört eine gewisse Zahl p, das sogenannte Geschlecht, derart, daß jedes beliebige zu dieser Gleichung gehörige bestimmte Integral erster Gattung
sich aus p linear unabhängigen dieser Integrale, etwa F1 (x), F2 (x), ... Fp (x) mit Hilfe konstanter Koeffizienten linear zusammensetzen läßt. Zu den Abelschen Funktionen gelangt man durch sogenannte Umkehrung der Abelschen Integrale. Bildet man nämlich der Reihe nach die Summen u1, u2, ... up der Werte, welche die obigen Integrale F1 (x), F2 (x), ... Fp (x) für p verschiedene obere Grenzen x1, x2, ... xp annehmen, d.h.
so besteht das (Jacobische) Umkehrproblem darin, die oberen Grenzen x1, x2 ... xp als Funktionen von u1, u2, ... up darzustellen. Man nennt jede rationale symmetrische Funktion der Größen x1, x2, ... xp eine Abelsche Funktion der ρ unabhängigen Veränderlichen, u1, u2, ... up. Diese Funktionen sind 2 p-fach periodisch, d.h. es gehören zu jeder Veränderlichen ui (i = 1, 2, ... p) 2 p Größen (Perioden) w1,i, w2,i, ... w2p,i von der Beschaffenheit, daß die Funktionen ihre Werte nicht ändern, wenn man die Veränderlichen u1, u2, ... up gleichzeitig um beliebige (und alle um dieselben) ganzzahlige Vielfache entsprechender Perioden vermehrt. Sie lassen sich durch Thetafunktionen (s.d.) mit p Veränderlichen darstellen. Besondere Fälle der Abelschen Integrale und Abelschen Funktionen bilden die hyperelliptischen und elliptischen (s.d.).
Literatur: Einen Ueberblick über die gesamten Ergebnisse und die geschichtliche Entwicklung der Lehre von den algebraischen Funktionen und ihren Integralen mit ausführlichen Quellenangaben enthält der von W. Wirtinger verfaßte Abschnitt II B 2 der Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften, die noch einen Abschnitt II B 6 b über Abelsche Funktionen bringen wird. Zur Einführung geeignet sind die Lehrbücher von C. Neumann, Vorlesungen über Riemanns Theorie der Abelschen Integrale, 2. Aufl., Leipzig 1884, und H. Stahl, Theorie der Abelschen Funktionen, Leipzig 1896.
Mehmke.
Brockhaus-1911: Zyklometrische Funktionen
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