[30] Abschreiten, Längenmessung einer Strecke durch Abzählen der Schritte, die zu ihrer Zurücklegung notwendig sind; dabei ist vorausgesetzt, daß die Länge eines Schritts a priori bekannt ist oder aber bei der Messung selbst dadurch bestimmt wird, daß das Abschreiten nicht einseitig geschieht, sondern daß Punkte zwischen fest gegebne Endpunkte eingeschritten werden.
Diese roh erscheinende Längenmeßmethode ist ziemlicher Genauigkeit fähig und für manche Zwecke, flüchtige Aufnahmen auf Reisen, Krokieren, topographische Aufnahmen (Einschreiten von Punkten in den Lageplan bei Flächennivellierung oder barometrischer Höhenbestimmung) auf horizontalen oder gleichmäßig geneigten Linien genügend. Die Schrittlänge auf horizontaler Bahn ist individuell verschieden, im allgemeinen deutlich abhängig von der Körperlänge, schwankt auch beim erwachsenen Individuum mit dem Alter, der Ermüdung u.s.f.; sie muß für jeden Abschreitenden, der seinen gewöhnlichen Schritt beibehalten und nicht einen »Normalschritt« anstreben soll, besonders bestimmt werden auf Grund von Versuchen an Strecken von bestimmter Länge. Jordan hat sich eingehend mit der »natürlichen« Schrittlänge beschäftigt; er findet [1] aus 535 Zahlen von jungen Männern (Studierenden in Karlsruhe und Hannover, durchschnittliches Alter 20 Jahre) eine mittlere Schrittlänge von 0,81 m. Wenn man von der wirklichen Schrittlänge des Abschreitenden nichts weiß, kann man, bei Schätzungen u. dergl., seinen Schritt zu 0,80 m annehmen und hat dabei einen mittlern Fehler von etwa 5% zu befürchten. Der Verfasser hat bei 502 Studierenden der Technischen Hochschule Stuttgart dasselbe Resultat erhalten: mittlere Schrittlänge 0,82 m bei einer mittleren Körperlänge von 1,74 m. Ueber die Abhängigkeit der Schrittlänge von der Körperlänge s. bei Jordan [1], ferner bei Kahle in [2], [3] (Schrittlänge = halbe Augenhöhe); für einigermaßen gute Messung ist aber auch auf horizontaler Bahn, wie schon angedeutet, stets unmittelbare Bestimmung der individuellen Schrittlänge erforderlich, oder es ist noch besser, in geeigneten Fällen das Abschreiten auf Einschaltung von Punkten zwischen gegebne feste Endpunkte zu beschränken. Diese Einschaltung leistet auch noch gleich gute Dienste auf gleichmäßig geneigter, in demselben Sinne (auf oder ab) zurückgelegter Strecke. Die Genauigkeit beim Abschreiten einer freien Strecke auf fester horizontaler Bahn darf man im Mittel zu 1 bis 2% der abgeschrittenen Strecke schätzen, während beim Einschalten von Punkten auf nicht zu langer Strecke die Genauigkeit sogar aufs Doppelte zu bringen ist. Jordan hat auch das Abschreiten auf geneigter Strecke zum Gegenstand der Untersuchung gemacht [1], und man kann die von ihm gefundenen eigenen Schrittwerte für Steigungen und Gefälle mit Rziha [4] (die erste dieser Formeln stammt von Kahle her) in die empirischen Formeln fassen:
wo α den Neigungswinkel der Steigung oder des Gefälles, auf denen abzuschreiten ist, x1 und x2 die Horizontalprojektion der Schrittlänge in beiden Fällen, s den normalen Schritt auf horizontaler Bahn bedeuten. Diese Schrittverkürzungen auf nicht horizontaler Strecke, bei denen die Mehrarbeit des Abschreitenden, also auch dessen Gewicht und insbesondere Ganggeschwindigkeit u.s.w. ebenfalls in Betracht kommt, sind aber individuell ebenfalls verschieden, z.B. sind dem Verfaßer Beispiele dafür bekannt, daß auf schwachen Steigungen längere Schritte gemacht werden als in der Ebene, auf Gefällstrecken aber kürzere u.s.w., und sie wechseln auch bei demselben Individuum mit Ermüdung u.s.w. noch stärker als die »natürliche« Schrittlänge in der Ebene. Zum Einbinden zwischen feste Endpunkte leistet deshalb, z.B. bei topographischen Barometermessungen, das Einschreiten auf geneigter Strecke vielfach recht gute Dienste, wobei man in den Aneroiddifferenzen das Mittel zur Reduktion der abgeschrittenen geneigten Strecken auf die Horizontale besitzt (vgl. Einschaltung, barometrische [5]); bei einseitigem Anbinden und besonders bei wenig gangbarem, rauhem Boden ist aber das Abschreiten geneigter Strecken nur vorsichtig anzuwenden und besser durch das Mitziehen eines Meßbandes zu ersetzen [6], [7]. Ueber mechanische Hilfsmittel zum Schrittzählen s. Schrittzähler (Pedometer,[30] in England Podometer und Passometer). Ueber gröbere (»flüchtige«) topographische Aufnahmen, bei denen die Längenmessungen überhaupt durch Abschreiten gemacht (und die Richtungen an der Bussole abgelesen werden), vgl. z.B. Jordan in [9], [10], [11], Kahle in [12], Wilson in [13], wo außerordentlich günstige Ergebnisse des »pacing« angeführt sind, ferner den Artikel Itineraraufnahme, und für ein Instrument zur automatischen Lageplanaufzeichnung begangener Linien den Artikel Pedograph.
Literatur: [1] Jordan, Handbuch der Vermessungskunde, II., 5. Aufl. Stuttgart 1897, S. 6669, unverändert in 6. Aufl. Stuttgart 1904, S. 8083. [2] Kahle, in »Krokieren für technische und geographische Zwecke«, Zeitschr. für prakt. Geologie 1895, S. 5157. [3] Derselbe in »Topogr. Aufnahmen mit einfachen Hilfsmitteln« im Archiv für Kriminalanthropologie, Bd. 7, S. 8184; u.s.w. [4] S. z.B. Schweiz. Bauzeitg. 1894, 27. Jan., S. 28. [5] Ferner außer [1] auch Heil, Tabellen zur Verwandlung von Schrittwerten in Metermaß, Darmstadt 1891. [6] Hammer, Zeitschrift für Vermess. 1885, S. 305; [7] derselbe, Zeitschr. für Vermess. 1892, S. 353368; [8] derselbe, Zeitschr. für Vermess. 1900, S. 347353. [9] Handbuch (s. [1]), 2. Bd., 6. Aufl., 1904, S. 770772; nach [10] Phys. Geographie und Meteorologie der Libyschen Wüste, Kassel 1876. [11] Topogr. und geograph. Aufnahmen, Abschn. 7 in Bd. 1 des Sammelwerks von Neumayer, Anleitung zu wissenschaftl. Beobachtungen auf Reisen, 2. Aufl., Berlin 1888, speziell hierhergehörig S. 4244 und S. 6164. [12] Die Aufzeichnung des Geländes beim Krokieren, Berlin 1896. [13] Topographie Surveying, New York 1900.