[285] Arbeitsfestigkeit (für Zug, Druck, Schub u.s.w.) hat Launhardt [1] den Widerstand gegen Trennung der Teile eines Körpers genannt, wenn nicht nur eine einmalige ruhende Beanspruchung, sondern vielfache Wechsel zwischen einer oberen Grenze, vom Absolutwerte a, und einer unteren Grenze gleichen oder entgegengesetzten Sinnes, vom Absolutwerte a', stattfinden. Nach Wöhlers Versuchen [2], die mehrfache Betätigung [3], [4], [5] und mannigfache Deutungen erfahren haben, nimmt die Arbeitsfestigkeit α mit wachsender Differenz d der eingrenzenden Spannungen α und ± a' ab. Drei Werte von α sind von besonderem Interesse: 1. die Fertigkeit t gegen einmalige ruhende Beanspruchung, die bei diesen Unterscheidungen Tragfestigkeit genannt wurde (für sie ist a' = a, d = 0); 2. die Ursprungsfestigkeit u, entsprechend Wechseln zwischen einer oberen Beanspruchung und dem ursprünglichen spannungslosen Zustande (a' = 0, d = a); 3. die Schwingungsfestigkeit s, bei Wechseln zwischen numerisch gleichen Spannungen entgegengesetzten Sinnes (a' = a, d = 2a). Insoweit für a, u, s die Geschwindigkeit des Anschwellens, die Dauer der einzelnen Beanspruchungen, die Länge der Ruhepausen zwischen denselben u.s.w. in Betracht kommen, wären diese Einflüsse bei Ermittlung zusammengehöriger Werte durch übereinstimmende Versuchsanordnung gleich zu halten. Da die Wiederholungen erfahrungsgemäß bei gewissen Höhen der Beanspruchungen ungünstig auf den Bestand des Materials wirken, so sind im allgemeinen um so kleinere a, u, s zu erwarten, je mehr Wiederholungen beabsichtigt werden.
Bei Versuchen hat man insbesondere Konstruktionen von unbeschränkter Dauer in Betracht gezogen und demgemäß die Versuchsstäbe vielen Millionen Beanspruchungen unterworfen. Im folgenden sind einige daraus entnommene Werte von t, u, s zusammengestellt. Die Resultate 18 rühren von Wöhler [2], die Resultate 915 von Bauschinger [4] her; alle sind in Kilogramm per Quadratzentimeter gegeben.
[285] Die Beanspruchungen mit einem vorgesetzten > wurden noch 800, 169750, 39950 und 54600 mal ausgehalten, so daß sie etwas unter der nur einmaliger Beanspruchung entsprechenden Tragfestigkeit t liegen. Später hat Bauschinger die in vorgehender Tabelle mit 915 bezeichneten Materialsorten auch einer Prüfung auf Hin- und Herbiegen unterworfen, um die Schwingungsfestigkeit s festzustellen [13], S. 5. Es ergaben sich teilweise erheblich höhere Werte, als nach den Wöhlerschen Zahlenwerten zu erwarten war [13], S. 9, bei Rundeisenstäbchen der Materialien 14 und 15 sogar solche gleich der Ursprungsfestigkeit u; doch können die Resultate von Zugversuchen und Biegungsversuchen nicht ohne weiteres verglichen werden. (S.a. Biegungsfestigkeit.)
Zur Bestimmung von Werten der Arbeitsfestigkeit zwischen t, u und s hat man auf Grund des allerdings noch lückenhaften Versuchsmaterials empirische Formeln aufgestellt. Setzt man das Verhältnis der Grenzspannungen bei Beanspruchungen gleichen Sinnes
bei Beanspruchungen entgegengesetzten Sinnes
wobei B die Absolutwerte (ohne Vorzeichen) und max B die numerisch größte Beanspruchung bedeuten, dann hat man z.B. nach dem Launhardt-Weyrauchschen [9] Verfahren
während nach Winkler [5]
a = u ± (t u)/t · a',
5
und hierin bei positivem ψ das obere, bei negativem das untere Vorzeichen zu wählen ist. Tetmajer setzte für beide Fälle [6]
a = α + β ψ + γψ2
6
Worin α, β, γ vom Material abhängige Konstante bedeuten, die auch ausgedrückt werden können:
und Schäffer nahm bei einer Modifikation des Gerberschen Verfahrens [7] an [8]:
worin δ eine vom Material abhängige Konstante, ξ = d/a. Diese und andre Ausdrücke hat man bei Bestimmung der zulässigen Beanspruchungen von Baukonstruktionen zu verwerten gesucht. Darstellung und Vergleiche der vorgeschlagenen Methoden und die zugehörige Literatur finden Geh in [9], neuere Weiterbildung des Gerberschen Verfahrens in [11], [12]. S.a. Dauerversuche, Dimensionenberechnung, Zulässige Beanspruchung.
Literatur: [1] Zeitschr. d. Arch. u. Ing.-Vereins zu Hannover 1873, S. 139. [2] Zeitschr. f. Bauwesen 1860, 1863, 1866, 1870, wesentliche Resultate 1870, S. 73. [3] Spangenberg, Zeitschr. f. Bauwesen 1874, 1875. [4] Bauschingers Mitteilungen, Heft XIII, München 1866. [5] Zeitschr. d. österr. Ing. u. Arch.-Vereins 1877, S. 45. [6] Schweiz. Bauzeitung 1886, VIII.S. 141; v. Tetmajer, Die angew. Elastizitäts- u. Festigkeitslehre, Leipzig u. Wien 1904, S. 7., 224. [7] Zeitschr. d. bayerischen Arch. u. Ing. Vereins 1874, S. 101. [8] Zeitschr. f. Bauwesen 1874, S. 398, auch Deutsche Bauzeitung 1875, 1876, 1877, 1889. [9] Weyrauch, Die Festigkeitseigenschaften und Methoden der Dimensionenberechnung von Eisen- und Stahlkonstruktionen, Leipzig 1889. [10] Autenheimer, Schwächung des Arbeitsvermögens der Materialien durch Spannungswechsel, Zürich 1894. [11] Gerber, Zeitschr. d. Vereins deutscher Ingenieure 1894, S. 1039, 1067, 1103. [12] Gerber, Ueber zulässige Beanspruchung von Eisenkonstruktionen, Deutsche Bauzeitung 1896, S. 227 (s.a. S. 49). [13] Foeppls Mitteilungen, Heft XXV, München 1897 (Dauerversuche von Bauschinger, ausgeführt in den Jahren 188693).
Weyrauch.
Buchempfehlung
Die ältesten Texte der indischen Literatur aus dem zweiten bis siebten vorchristlichen Jahrhundert erregten großes Aufsehen als sie 1879 von Paul Deussen ins Deutsche übersetzt erschienen.
158 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro