[392] Ausdehnungskoeffizient. Betrifft die Ausdehnung der Körper durch die Wärme. Es kommen lineare, quadratische und kubische Ausdehnungskoeffizienten in Betracht (vgl. Ausdehnung).
Feste Körper. Sind bei konstanten äußeren Kräften l, l0 die Längen eines prismatischen Stabs, die den Temperaturen t und 0° C. entsprechen, so ist der lineare Ausdehnungskoeffizient bei t°
wonach α auch annähernd das Verhältnis der Längenänderung pro Längeneinheit für 1° Temperaturänderung darstellt (gewöhnliche Definition):
Wird anstatt des im allgemeinen veränderlichen Ausdehnungskoeffizienten α ein konstanter Mittelwert α' eingeführt, der von 0 bis t° dieselbe Längenänderung bedingt wie der variable, so folgen aus 1.:
und wenn die Längen l, l1 den Temperaturen t, t1, entsprechen und α', α'1, die mittleren Ausdehnungskoeffizienten von 0° bis zu diesen Temperaturen bedeuten,
worin gewöhnlich für α', α'1 der gleiche Wert gesetzt wird (z.B. α' von 0 bis 100°).[392]
[394] Nach den bisherigen Versuchen läßt sich ausdrücken:
l/l0 = 1 + at + bt2 + ct3 + ...,
4.
unter a, b, c ... von t unabhängige Größen verstanden. Zufolge 1., 2. werden dann
α = a + 2bt + 3ct2 + ...,
5.
α' = a + bt + ct2 + ...
6.
a ist der Wert von α für t = 0°. Zur Darstellung der Versuchsresultate reichen im allgemeinen die Glieder bis b aus. Tab. I, S. 393, gibt die entsprechenden Zahlenwerte für eine größere Anzahl Stoffe. Für die meinen technischen Berechnungen genügen die mittleren Ausdehnungskoeffizienten α' von 0 bis 100°, weshalb wir noch die (größtenteils älteren) Resultate der Tab. II, S. 394, beifügen. Weitere Werte der Ausdehnungskoeffizienten enthält die unten angeführte Literatur. Ueber die Grenzen 0 und 100° hinaus bestimmten u.a. Dulong und Petit einige Werte. Sie erhielten
Nach Ermittlungen der Physikalisch-technischen Reichsanstalt [14], II, S. 1009, hat man in 4.6.:
Für Eis erhielten Brunner α = 0,0000375, Marchand 0,000035, dagegen v. Zakrzewski 0,000026 (Wiedemanns Annalen 1892, Bd. 47, S. 155).
Die quadratischen und kubischen Ausdehnungskoeffizienten fester Körper unter Voraussetzung nach allen Richtungen gleichmäßiger Ausdehnung durch die Wärme (gleicher linearer Ausdehnungskoeffizienten nach denselben) sind gleich 2α und 3α, wonach alsdann 2α' und 3α' die mittleren quadratischen und kubischen Ausdehnungskoeffizienten bedeuten. Bezeichnen F, F1 die Inhalte einer Fläche (z.B. eines Querschnitts) und V, V1 die Volumina eines Körpers bei den Temperaturen t und t1, so hat man analog 3.:
worin gewöhnlich für α' und α'1 der gleiche Wert gesetzt wird. Für die kubischen Ausdehnungskoeffizienten fester Körper gelten auch die unten für Flüssigkeiten gegebenen Formeln 9.14. Unter der Voraussetzung, daß das Volumen des Gemisches verschiedener Körper 1, 2, 3 ... gleich der Summe der Volumen der einzelnen Bestandteile bleibt, erhält man den Ausdehnungskoeffizienten und den mittleren Ausdehnungskoeffizienten des Gemisches:
Diese Formeln hat Matthiessen bei Versuchen zwischen 0 und 100° für Metallegierungen bestätigt gefunden [2].
Flüssige Körper. Bei flüssigen und gasförmigen Körpern kommen gleichmäßige Ausdehnungen nach allen Richtungen selten vor, die Ausdehnung erfolgt nach der freien Oberfläche oder nach einer beweglichen Wand (Kolben), so daß nur der kubische Ausdehnungskoeffizient interessiert, durch den z.B. auch die Längenänderung der Thermometersäule gemessen wird. Sind bei konstantem Drucke V, V0 die Volumina bei t° und 0°, so hat man den kubischen Ausdehnungskoeffizienten bei t°:
α1 ist demnach auch annähernd die Volumenänderung pro Volumeneinheit für 1° Temperaturänderung (gewöhnliche Definition):
Wird anstatt des im allgemeinen veränderlichen Ausdehnungskoeffizienten α ein konstanter Mittelwert α' eingeführt, der von 0 bis t° dieselbe Volumenänderung bedingt wie der variable, so liefert 9.:
[395] und wenn die Volumina V, V1 den Temperaturen t, t1 entsprechen und α', α'1 die mittleren Ausdehnungskoeffizienten von 0 bis t bezw. von 0 bis t1 bedeuten:
worin gewöhnlich α'1 = α' gesetzt wird.
Nach den vorliegenden Versuchsresultaten läßt sich ausdrücken
unter a, b, c ... von t unabhängigen Größen verstanden. Es folgen damit nach 9., 10.:
a ist der Wert von α für t = 0°. Die kubische Ausdehnung der Flüssigkeiten in im allgemeinen größer als die der festen Körper und auch schwerer darstellbar. Für die untersuchten Körper und Temperaturintervalle waren in 12.14. gewöhnlich mindestens die Glieder bis c nötig. Für Quecksilber von 0 bis 300° ermittelte Wüllner:
a = 0,000181163,
b = 0,000000011554,
c = 0,000000000021187,
wonach der mittlere Ausdehnungskoeffizient von 0 bis 30° α' = 0,0001812, von 0 bis 100° α' = 0,0001825. Nach Versuchen der Physikalisch-technischen Reichsanstalt [14], IV, S. 4, genügen von 0 bis 100°:
a = 0,00018182,
b = 0,0000000078
wonach
von 0 bis 30°α' = 0,0001820,
von 0 bis 100°α' = 0,0001826.
Ist B der bei t° beobachtete Stand (Säulenhöhe) eines Quecksilberbarometers oder Quecksilbermanometers, so läßt sich der auf 0° reduzierte Stand gewöhnlich setzen
Für Wasser fand Kopp
und Hirn von 100 bis 200°:
wonach das Wasservolumen von 0 bis 200° um etwa 16% zunimmt (in Dampfkesseln würde die Temperatur bei 14 Atmosphären Druck 196° erreichen). Man erhält das Volumen ν von 1 kg Wasser in Litern, d.h. auch den reziproken Wert des Gewichts γ von 1 l Wasser in Kilogramm nach Kopp:
und nach Hirn:
Der Wert v = 1/γ = 1 entspricht der Temperatur 4°. Neuerdings fand die Physikalisch-technische Reichsanstalt [14], IV, S. 30, daß von 0 bis 100° gesetzt werden kann:
und noch enger an die Versuchsresultate anschließend:
Letztere Gleichung liefert
Der Wert v = 1/γ = 1 entspricht der Temperatur 4°. Mit wachsendem Drucke sinkt die Temperatur des Dichtigkeitsmaximums. Während dieselbe für 1 Atmosphäre Druck nach Kopp und Grassi 4,08°, nach der Reichsanstalt 3,98° wäre, fand sie Amagat [9] für 41,6 Atmosphären 3,3°, für 93,3 Atmosphären 2,0°, für 144,8 Atm. 0,6°. Das Dichtigkeitsmaximum sank zwischen 4° und 0,6° um etwa 0,025° pro Atmosphäre Druck, bei 197 Atmosphären war es schon etwas unter 0° geraten. Verschiedene Tabellen über die v, γ für Wasser von 0 bis 100° s. [12], S. 77. Die Normaleichungskommission zu Wien hat für ihre Bedürfnisse auf Grund neuer Versuche mit Berücksichtigung sonstiger Erfahrungen eine für 1 Atmosphäre Druck von Zehntel zu Zehntel Grad fortschreitende Tabelle aufgestellt, aus der das Gewicht von 1 cbm lufthaltigen und luftreinen Wassers entnommen werden kann [6]. Ueber die Ausdehnung des Wassers und einiger andrer Flüssigkeiten (beispielsweise von Alkohol, Aether) bei Drucken bis 3000 Atmosphären und Temperaturen bis 198° s. [5], [7], [8]. Zusammenstellungen von Resultaten für zahlreiche Flüssigkeiten findet man bei Wüllner [12], S. 89, Landolt und Börnstein [11], Tab. 48, 50, 51, 55.[396]
Gasförmige Körper. Für Gase wäre in 9., 10. unter Voraussetzung des Boyle-Gay-Lussacschen Gesetzes α wie α' stets die gleiche Konstante, und zwar wird für atmosphärische Luft vielfach gesetzt α = 0,003665, noch häufiger aber für die schwerst kondensierbaren Gase allgemein
1/α = 273, womit α = 0,003663.
Regnault erhielt bei annähernd 1 Atmosphäre Druck und Temperaturen von 0 bis 100°
für | Wasserstoff | α = 0,0036613 |
für | Kohlenoxyd | α = 0,0036688 |
für | atmosphärische Luft | α = 0,0036706 |
für | Stickoxydul | α = 0,0037195 |
für | Kohlensäure | α = 0,0037099 |
für | Cyan | α = 0,0038767 |
für | Schweflige Säure | α = 0,0039028. |
Hiernach wären die Ausdehnungskoeffizienten für die erprobten schwerst kondensierbaren Gase innerhalb der Versuchsgrenzen nahezu gleich, für leichter kondensierbare aber merklich verschieden, und zwar im allgemeinen um so größer, je leichter kondensierbar das Gas ist. Aber selbst für die am schwersten kondensierbaren Gase hat sich das Boyle-Gay-Lussacsche Gesetz nicht als unbeschränkt gültig erwiesen (s. Boylesches Gesetz, Gay-Lussacsches Gesetz, Boyle-Gay-Lussacsches Gesetz, Spannungskoeffizient), so daß man, wie schon früher für gesättigte und überhitzte Dämpfe, an Stelle desselben genauere Beziehungen aufgestellt hat (s. Gase). Da diese aber, wie auch das Boyle-Gay-Lussacsche Gesetz, die Volumenänderungen unmittelbar zu berechnen gestatten, so soll hier auf die Ausdehnungskoeffizienten der gasförmigen Körper nicht weiter eingegangen werden.
Literatur: [1] Marbach, Physikal. Lexikon, I, Leipzig 1850 (ältere Resultate). [2] Matthiessen, Ueber die Ausdehnung der Metalle und Legierungen durch die Wärme, Poggendorffs Ann. 1867, CXXX, S. 50. [3] Fizeau, Tableau des dilatations par la chaleur de divers corps simples métalliques ou non métalliques et de quelques composés hydrogénés du carbone, Comptes rendus, 1869, LXVIII, S. 1125 (auch Poggendorffs Ann. 1869, CXXXVIII, S. 262). [4] Glatzel, Neue Versuche über die Ausdehnung der Körper durch die Wärme, Poggendorffs Ann. 1877, CLX, S. 497 (Metalle, Hölzer). [5] Amagat, Sur la dilatation des liquides comprimés et en particulier sur la dilatation de l'eau, Comptes rendus, 1887, CV, S. 1120. [6] Marek, Ausdehnung des Wassers, Wiedemanns Ann. 1891, XLIV, S. 171. [7] Amagat, Sur les lois de dilatation des liquides, leur comparaison avec les lois relatives aux gaz et la forme des isothermes des liquides et des gaz, Comptes rendus, 1892, CXV, S. 919. [8] Amagat, Dilatation de l'eau sous pression constante et sous volume constant, Comptes rendus, 1893, CXVI, S. 779. [9] Amagat, Sur le déplacement de la température du maximum de densité de l'eau par la pression et le retour aux lois ordinaires sous l'influence de la pression et de la température, Comptes rendus, 1893, CXVI, S. 946. [10] Voigt, Bestimmung der Konstanten der thermischen Dilatation und des thermischen Drucks für einige quasi-isotrope Metalle, Wiedemanns Ann. 1893, XLIX, S. 697. [11] Landolt und Börnstein, Physikalisch-chemische Tabellen, Berlin 1894, Tab. 46, 47, 49, 50 (Elemente, verschiedene Körper). [12] Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik, II, Wärme, Leipzig 1896, S. 28. [13] Winkelmann, Handbuch der Physik, II, Wärme, Breslau 1896, S. 45. [14] Untersuchungen über die thermischen Ausdehnungen von festen und tropfbar flüssigen Körpern, Wissenschaftl. Abhandl. d. Physikal.-techn. Reichsanstalt, II, 1895, S. 73; III, 1900, S. 3; IV, 1904, S. 3.
Weyrauch.
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