Bahntelegraphen [2]

[70] Bahntelegraphen. Die technischen Vereinbarungen über den Bau und die Betriebseinrichtungen der Haupt- und Nebenbahnen schreiben in ihrer neuen Ausgabe vom 1. Januar 1909 unter C, Telegraphen-, Signal- und Sicherungswesen[70] im § 141 für Hauptbahnen vor: »Die Stationen müssen zur gegenseitigen Verständigung mit Telegraphen (Fernschreiber) versehen sein.« In demselben Paragraphen wird dann noch empfohlen, die Stationen und Streckenwärterposten mit Fernsprechern auszurüsten und solche auch zwischen weit voneinander entfernten Wärterposten einzuschalten (Streckenfernsprecher). – Die auf den deutschen Bahnen geltende Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung bestimmt, daß nicht nur die Zugfolgestellen der Hauptbahnen, sondern auch die der mit einer Geschwindigkeit von mehr als 40 km in der Stunde befahrenen Nebenbahnen durch Telegraph zu verbinden sind.

Die Bezeichnung »Omnibusleitung« ist jetzt wenig gebräuchlich. Auf den wichtigeren deutschen Bahnlinien findet man jetzt im allgemeinen folgende Leitungen:

1. Eine Zugmeldeleitung. Sie führt von Zugmelde- zu Zugmeldestelle und dient zur Abgabe aller den Zuglauf betreffenden Meldungen und außerdem dem sonstigen telegraphischen Verkehr einer Zugmeldestelle mit ihren unmittelbar benachbarten Zugmeldestellen. Auch die reinen Zugfolgestellen sind in die Zugmeldeleitung eingeschaltet.

2. Eine Bezirksleitung. Sie verbindet alle Stationen eines bestimmten Streckenabschnittes miteinander. Sie dient dem Verkehr dieser Stationen untereinander.

3. Eine (oder auch mehrere) Fernleitungen. Sie verbinden nur bestimmte größere Stationen oder Knotenpunkte miteinander auf größere Entfernungen und dienen dem Verkehr der Stationen mit ihren Verwaltungsbehörden und dem durchgehenden Telegraphenverkehr. Auf ihnen ankommende, auch für die übrigen Stationen bestimmten Telegramme müssen nach einem bestimmten Wegweiser von den größeren Stationen für die anderen auf den Bezirksleitungen umtelegraphiert werden.

Fernleitungen können auch mit anderen Fernleitungen durch besondere Uebertragungseinrichtungen verbunden werden. Die wichtigste Uebertragung findet beim Geben des Zeitsignals statt. Dieses wird in der Regel auch auf die Bezirksleitungen selbsttätig übertragen. Die Uebertragungseinrichtungen müssen 3–5 Minuten vor Eingang des Zeitzeichens (bei den preußisch-hessischen Staatseisenbahnen also vor 8 Uhr morgens) von dem damit beauftragten Beamten eingeschaltet werden.

Seit allgemeiner Einführung der Streckenfernsprechleitungen, bei denen in bestimmten Abständen entweder in Streckenwärterbuden oder in unbewachten Fernsprechbuden Fernsprecher eingebaut sind, führen die Züge tragbare Telegraphenapparate nicht mehr mit, wohl aber bei einigen Bahnen tragbare Fernsprecher. An den Telegraphenstangen angebrachte Pfeile weisen nach der nächsten Fernsprechstelle hin.

Neben diesen Telegraphenleitungen sind die Hauptbahnen meist noch ausgerüstet mit folgenden Leitungen:

1. Einer Streckenfernsprechleitung. Sie führt von Station zu Station. In sie sind, wenigstens auf den Schnellzugstrecken, alle Wärterposten der Strecke und, wenn diese zu weit voneinander entfernt sind, oft noch zwischen denselben Fernsprecher eingeschaltet, die in verschlossenen unbesetzten Buden untergebracht sind. Das Zugpersonal liegengebliebener oder verunglückter Züge kann auf diese Weise schnell Hilfe herbeirufen.

2. Einer Linien- oder Stationsfernsprechleitung, in die nur die Stationen eingeschaltet sind.

3. Ost noch einer dritten Leitung, die nur die Hauptstationen enthällt.

Außerdem ist eine Läuteleitung vorhanden, in die die Läutewerke eingeschaltet sind, mit denen die Schrankenwärter von der Abfahrt der Züge benachrichtigt werden.

Bei manchen Bahnverwaltungen sind die Läutewerke allgemein oder nur auf Strecken mit schwächerem Verkehr in die Zugmeldeleitung mit eingeschaltet. Die Morsezugmeldeapparate dürfen während des Läutens nicht in der Leitung liegen, weil sie unter den starken Strömen leiden würden. Die Umschalter der Apparate werden daher meist so eingerichtet, daß sie mit dem Fuße betätigt werden und beim Loslassen von selbst zurückgehen. So kann die Ausschaltung der Apparate nicht vergessen werden. Der Telegraphierstrom hingegen kann die Läutewerke ruhig durchfließen, da er erheblich schwächer ist als der Läutestrom und zur Betätigung der Läutewerke nicht ausreicht.


Literatur: [1] Scheibner, Mittel zur Sicherung des Betriebes, Handbuch der Ingenieurwissenschaften, V. Teil, VI. Bd., XI. Kapitel, § 19. – [2] K. Fink, Das elektrische Fernmeldewesen bei den Eisenbahnen (Sammlung Göschen). – [3] E. Gollmer, Die Grundlagen der elektrischen Lehre und die elektromagnetischen Eisenbahneinrichtungen, Berlin 1915.

Gerstenberg.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 70-71.
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