Benzoe

[687] Benzoe (Resina Benzoë, Benzoeharz, Benzoin, Gum Benjamin) kommt im Handel in zwei wesentlich verschiedenen Produkten vor, die als Sumatra- und Siam-Benzoe bezeichnet werden; neben diesen existieren noch andre Sorten, wie Penang-, Padang- und Palembang-Benzoe, die aber wohl der Sumatra-Benzoe am nächsten zu stehen scheinen [13]. Ueber die in neuester Zeit in den Handel kommende Sorte Palembang-Benzoe s. unten.

Die Sumatra-Benzoe flammt von dem zu den Styraceen gehörigen Baume Styrax Benzoin Dryand [1], [2], [3], [4] (= Benzoin officinale Hayne). Nach Tschirch und Lüdy [6], [7], [8], [10] ist der Baum in allen seinen Teilen geruchlos, gänzlich frei von Harzen, die unverletzte Rinde enthält weder Sekretbehälter noch Sekrete, wohl aber Gerbstoff. Es unterliegt sonach keinem Zweifel, daß das Harz erst durch Verletzung der Bäume entsteht und die Bildung der Harze in den Rindenstrahlen ihren Anfang nimmt [2], [10], ferner »daß die Benzoe aus dem Gerbstoff der Rinde entsteht, sich unter rückschreitender Metamorphose der Zellmembranen vermehrt und sich dann in lysigenen Räumen befindet; wachsen diese Räume stark an, so bilden sie Harzgallen« [10]. – Auf Sumatra [1], [5] gewinnt man das Harz durch Einschnitte in die Rinde; ein so behandelter Baum liefert 10–12 Jahre Benzoe; die ersterhaltene Benzoe ist sehr reich an weißen Mandeln (Kopfbenzoe), das Produkt der späteren Jahre ist gelbrot (Bauchbenzoe), und schließlich werden auch die gefällten Bäume ausgeschmolzen, um eine geringe Sorte zu gewinnen (Fußbenzoe). – Die Sumatra-Benzoe besteht aus verschieden großen, kantigen Stücken, in deren dunkler Grundmasse zahlreiche mehrere Zentimeter lange Körner eingebettet sind. Diese Körner oder Mandeln sind außen lichtbraun, an der frischen Bruchfläche milchweiß und wachsglänzend und heben sich von der rötlichgrauen, fettglänzenden Grundmasse auffällig ab; nach dieser Struktur führt diese Sorte auch den Namen Mandelbenzoe, Benzoë amygdaloides. Je geringwertiger die Sorte ist, desto spärlicher treten die Mandeln auf (Blockbenzoe). Die Grundmasse ist spröde, zerfällt beim Kauen; der Geruch storaxartig, bei größeren Mengen in gut verschlossenen Räumen sehr kräftig, kohlenwasserstoffartig. Die Körner schmelzen bei 85°, die Grundmasse bei 95°; Benzoe ist in Alkohol und Chloroform leicht löslich und nach Lüdy [10] auch in Aether, entgegen den gewöhnlichen Angaben; Aschengehalt 0,01%. Konzentrierte Schwefelsäure färbt Benzoe oberflächlich tief purpurn; setzt man zu der Lösung Alkohol zu, so erhält man eine klare violettrote Flüssigkeit, während Wasser schönviolette Flocken abscheidet [1]. – Die älteren Angaben über die Zusammensetzung der Benzoe [1], [3], [5] sind ungenau und einander widersprechend. Nach den neuesten Untersuchungen [9], [10] enthält Sumatra-Benzoe freie Benzoesäure (bis über 20%), Styrol, ferner Benzaldehyd und Benzol in Spuren, Vanillin (C8H8O3) zu 1%, Zimtsäurephenylpropylester (C18H18O2) zu 1%, Styrazin (Zimtsäurezirntester) zu 2–3% und endlich ein Gemisch von wenig Zimtsäurebenzorefinolester mit viel Zimtsäurerefinotannolester, das die Hauptmasse der Benzoe ausmacht. Der Gehalt an freier Zimtsäure ist nur gering, der größere Teil derselben ist als Ester gebunden. Wird das letztgenannte Gemisch verseift, so erhält man neben Zimtsäure zwei Alkohole, das weiße kriftallilierende Benzoresinol C16H26O2 und das amorphe braune Resinotannol C18H20O4 [10]. – Die Siam-Benzoe, deren Abstammung unbekannt ist [7], [10], [11], kommt sowohl in Körnern (Benzoe in granis, die reinste Sorte) als auch als Mandelbenzoe vor. Die Körner sind bis 2 cm lang, meist gerundet kantig, fettglänzend, oberflächlich braun- bis orangerot, an der frischen Bruchfläche milch- oder grauweiß und schmelzen bei 75°. Die übrigen Sorten der Siam-Benzoe besitzen ebenfalls Mandeln, in einer Grundmasse eingebettet, die sich aber von der der Sumatra-Benzoe[687] wesentlich unterscheidet; sie ist spröde, sehr brüchig, glasglänzend, dunkelbraunrot, in durchfallendem Lichte klar [1], [11]. Siam-Benzoe riecht sehr angenehm vanilleartig. Sie ist wenig in Petroläther und Petrolbenzin, reichlicher in Benzol, vollltändig in Alkohol und Aether löslich [9], [11] und besteht aus Vanillin (1,5%), freier Benzoesäure und der Hauptsache nach aus einem Gemisch von Benzoesäurerefinotannolester mit wenig Benzoesäurebenzorefinolester. Man erhält wieder zwei Alkohole, von denen der eine, Benzorelinol, auch der Sumatra-Benzoe angehört, der andre als Siam-Resinotannol C12H14O3 bezeichnet wird [11]. Dieses wird durch konzentrierte Salpetersäure in Pikrinsäure übergeführt. Der Siam-Benzoe fehlt sonach die Zimtsäure vollständig. Die Palembang-Benzoe von Ostsumatra unterscheidet sich durch ihr glasigdurchsichtiges Verhalten, rötliche Außenfärbung, graugefärbten Bruch und den äußerst geringen Gehalt an Mandeln von der echten Sumatra-Benzoe; besonders auffällig ist der Mangel an Zimtsäure. Diese Sorte eignet sich besonders zur Darstellung der offizinellen Benzoesäure [12]. – Nebst der medizinischen Verwendung (zu Benzoetinktur und Benzoeschweinefett und zahlreichen Geheimmitteln) dient Benzoe als Kosmetikum, in der Parfümerie, zur Reinigung tierischer Fette, die zur Aufnahme von Blütengerüchen bestimmt sind [3], zu Räucherspezies und Räucherkerzen, als Antiseptikum, zur Darstellung der Benzoesäure (Acidum benzoicum crystallisatum auf nassem Wege gewonnen, Acidum benzoicum durch Sublimation) und indirekt zur Herstellung gewisser roter und blauer Anilinfarben, in der Zeugdruckerei und Seidenfärberei [5]. – Preis des Siam-Benzoe 300–750 ℳ., des Palembang-Benzoe 100 ℳ. Ueber die Wertbestimmung s. [5].


Literatur: [1] Die Pharmakognosten von Flückiger, Moeller, namentlich Vogl, Arzneikörper, 2. Bd., Wien 1892, S. 449–452; ferner Tschirch, Die Harze und die Harzbehälter, Leipzig 1900; Dieterich, K., Analyse der Harze, Balsame und Gummiharze nebst ihrer Chemie und Pharmakognofie, Berlin 1900. – [2] Wiesner, Mikroskopische Untersuchungen aus dem Laboratorium für Mikroskopie und techn. Warenkunde am k. k. polytechn. Institute in Wien, Stuttgart 1872, S. 87–93. – [3] Wiesner, Rohstoffe des Pflanzenreiches, Leipzig 1900, 2. Aufl., 1. Bd., S. 329–338. – [4] Adouard, Nouveaux éléments de Pharmacie, Paris 1902. – [5] Geißler-Moeller-Thoms, Realencyklopädie der gesamten Pharmazie, 2. Aufl., 2. Bd., Wien 1904, S. 642. – [6] Tschirch, Berichte der deutschen botan. Gesellsch., 6. Bd., S. 2. – [7] Tschirch, Sitzungsber. der Gesellsch. naturforschender Freunde in Berlin 1889, Nr. 9. – [8] Tschirch, Angewandte Pflanzenanatomie, Wien 1889. – [9] Sakind, J., Beitrag zur Kenntnis der Benzoeharze, Pharmaz. Post, Wien 1893, 26, S. 330. – [10] Lüdy, Fr., Studien über die Sumatra-Benzoe und ihre Entitehung, Arch. der Pharmazie, Berlin 1893, 231, 1. Heft, S. 63–95. – [11] Lüdy, Fr., Studien über die Siam-Benzoe, Archiv du Pharmacie 1893, 231, 6. Heft, S. 443. – [12] Lüdy, Fr., Ueber die Handelssorten der Benzoe und ihre Verwertung, Pharm. Post, Wien 1893, 26, S. 445. – [13] Vonck, Benzoeforten, Chem. Drugg., London 1891, S. 486.

T.F. Hanausek.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 687-688.
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