Fette [1]

[752] Fette und fette Oele sind dem Tier- und Pflanzenreich entflammende Produkte mit folgenden gemeinsamen Eigenschaften: Sie fühlen sich schmierig an, bilden erwärmt oder schon bei gewöhnlicher Temperatur ölartige Flüssigkeiten; sie hinterlassen auf Papier einen durchsichtigen Fleck, der auch bei längerem Liegen oder Erhitzen nicht verschwindet; sie sind leichter als Wasser und darin unlöslich, dagegen löslich in Aether, Schwefelkohlenstoff und den flüchtigen Oelen; sie sind nicht flüchtig, fangen bei 300–320° C. an zu sieden, erleiden aber dabei Zersetzungen; sie brennen für sich nur schwierig, mit Docht aber mit leuchtender Flamme. Sie werden nach ihrer Konsistenz unterschieden als feste oder Talgarten, halbfeste oder Butter- und Schmalzarten und flüssige oder Oele und Trane.

Die festen Fette sind sehr leicht schmelzbar und werden schon unter 100° C. flüssig, d.h. ebenfalls zu Oelen, während die Oele bei niederen Temperaturen in feste Fette übergehen. Die Oele erscheinen bei gewöhnlicher Temperatur dickflüssig, eine Eigenschaft, die besonders bei ihrer Verwendung als Schmiermittel in Betracht kommt. Sie dehnen sich bei der Erwärmung stärker aus, als dies sonst bei Flüssigkeiten der Fall ist. Werden Oele mit Wasser, dem durch Auflösen von Eiweiß oder Gummi eine schleimige Beschaffenheit erteilt ist, geschüttelt, so bilden sie eine Emulsion (s.d.). – An der Luft erleiden die meisten Fette[752] allmählich eine Veränderung. Einige Oele, die trocknenden, gehen in einen festen, durchsichtigen Körper, einen Firnis, über, andre, die nicht trocknenden, in eine dicke, zähe, schleimige Masse von schwachem Geruch und kratzendem Geschmack; sie werden ranzig. Während die reinen, unveränderten Fette, mit Ausnahme des Rizinusöls, in kaltem Alkohol fast unlöslich sind, werden die ranzigen darin löslich und reagieren sauer. – Ihrer elementaren Zusammensetzung nach bestehen die Fette aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff zum Unterschied von den sogenannten mineralischen Fetten und Oelen, die nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehen. Fast alle in der Natur vorkommenden Fette sind eigentümliche Verbindungen des Glyzerins mit Säuren; die meisten sind Triglyzeride. Die Säuren, die in diesen Verbindungen enthalten sind, werden als Fettsäuren bezeichnet. Die wichtigsten davon sind die Stearinsäure, Palmitinsäure und Oelsäure. Die Triglyzeride (gewöhnlich bezeichnet man sie kurz als Glyzeride) lassen sich durch Behandlung mit Basen, mit Säuren und auch mit Wasser, letzteres aber nur bei verhältnismäßig hoher Temperatur, sowie auch durch gewisse Fermente [25] in Glyzerin und Fettsäuren zerlegen. Auf diesem chemischen Prozeß beruht die Fabrikation der Seifen und der Stearinkerzen.

Die Gewinnung von Fett aus fetthaltigen tierischen Substanzen [1] erfolgt gewöhnlich durch Erhitzen derselben über freiem Feuer oder mit Wasserdampf. Bei Anwendung des letzteren pflegt man meist seine Wirkung durch Zufügung von Säuren oder kaustischen Alkalien zu unterstützen. Einzelne Fette werden auch durch gespannte Dämpfe im Hochdruckkessel gewonnen. Aus den Knochen gewinnt man häufig das Fett durch Extrahieren mit Benzin. – Zur Gewinnung der fetten Oele aus ölhaltigen Samen [2] hat man zwei Verfahren, das Pressen und das Extrahieren. Die Samen müssen zuvor zerkleinert werden, wozu früher allgemein das Stampfwerk diente. Da dasselbe wenig leistungsfähig, ist an seine Stelle der Kollergang, stehend laufende Mühlsteine von Granit, getreten. Das Samenmehl wird einem starken Drucke unter einer Presse (Keilpresse, hydraulische Presse) unterworfen; doch fließt auch bei dem stärksten Drucke das Oel nicht vollständig aus. Um es leichter zum Ausfließen zu bringen, wird das Samenmehl meist zuvor erwärmt; die Erwärmung hat aber den Nachteil, daß färbende und kratzend schmeckende Stoffe in dem heißen Oele leichter gelöst werden und Farbe und Geschmack des letzteren beeinträchtigen. Man pflegt daher für Speiseöle die Samen nur sehr gelinde oder gar nicht zu erwärmen. Das kalt geschlagene Oel führt gewöhnlich den Namen »Jungfernöl«. Magere Oelsamen werden meist nur einmal gepreßt, fette dagegen zweimal. Die zu festen Massen zusammengedrückten Rückstände der ersten Pressung werden zu dem Ende wieder zerkleinert, erwärmt und dann gepreßt. Man nennt die erste Pressung den Vorschlag, die zweite den Nachschlag. Zur Extraktion des Oeles aus ölhaltigen zerkleinerten Samen [3] dienen hauptsächlich Schwefelkohlenstoff und Petroleumbenzin. – Die so auf irgend eine Weise gewonnenen Oele sind nie vollkommen rein; sie bedürfen für viele Zwecke noch einer Raffinierung [24]. Gewöhnlich erfolgt dieselbe durch Behandlung mit 1–11/2 prozentiger konzentrierter Schwefelsäure. Ein so raffiniertes Oel enthält freie Fettsäure und ist deshalb als Schmiermittel nicht geeignet, außer wenn man es noch zuvor mit Lauge behandelt. – Die Fette und Oele werden vielfach gebleicht. Zum Bleichen dienen Luft und Licht und chemische Agentien wie Lauge, Schwefelsäure, schweflige Säure, Chlor, übermangansaures Kali und saures chromsaures Kali in Verbindung mit Säure [4].

Die Methoden zur Untersuchung der Fette und fetten Oele [5] kann man in drei Klassen einteilen: in organoleptische, in physikalische und in chemische. Die organoleptischen Mittel, d.h. der Geruch, der Geschmack, die Farbe, sind die beim Handel mit Oelen am meisten angewendeten Kriterien der Güte. Sie setzen selbstverständlich eine große Uebung voraus, sind aber keineswegs zuverlässig, da Farbe, Geruch und Geschmack der Oele sich nicht nur mit dem Alter, sondern auch mit der Abstammung ändern. – Von physikalischen Eigenschaften kommen bei Bestimmung der Fette hauptsächlich das spezifische Gewicht und der Schmelzpunkt in Betracht. – Für den Handel mit Oelen hat man besondere Aräometer, sogenannte Oelwagen oder Oleometer, konstruiert, die zuweilen ganz gute Dienste leisten können [6]; doch kann man sich nicht mit unbedingter Sicherheit auf ihre Angaben verlassen. Die Unterschiede in den spezifischen Gewichten der Oele sind sehr gering, und genaue Versuche haben erwiesen, daß die Schwankungen des spezifischen Gewichts einer und derselben Oelsorte je nach Alter, Bereitungsart u.s.w. oft ebenso groß sind wie die Unterschiede zwischen einem Oele und einem andern, das als Verfälschungsmittel dient. Zur Bestimmung des Schmelzpunktes der Fette sind verschiedene Methoden in Vorschlag gebracht; die wichtigsten sind folgende: 1. Man saugt das geschmolzene Fett in Haarröhrchen auf, läßt es wieder erstarren und stellt die Röhrchen in ein Gefäß mit Wasser. Man erwärmt langsam und beobachtet an einem in das Wasser getauchten Thermometer die Temperatur, bei der das Fett durchsichtig wird. 2. Man überzieht nach Pohl [7] die Kugel eines Thermometers mit dem Fett, taucht das Thermometer in Wasser, das man langsam erwärmt, und beobachtet die Temperatur, bei der das Fett sich ablöst. 3. Man bringt nach Bouis [8] das verflüssigte Fett in enge, an beiden Seiten offene Glasröhren, die nach dem Erstarren des Fettes unter Wasser gebracht und so lange erwärmt werden, bis das wieder flüssig gewordene Fett durch das in die untere enge Oeffnung eintretende Wasser bis auf das Niveau der umgebenden Wasserschicht herausgedrückt wird. Bei allen drei Methoden muß man die Röhrchen bezw. das Thermometer mit dem wieder erstarrten Fett erst einen oder, bei ganz weichen Fetten, zwei Tage lang beiseitelegen, bevor sie zum Versuche benutzt werden, da die Fette, namentlich die weichen, nach dem Schmelzen nur sehr langsam wieder ihre natürliche Fertigkeit annehmen. – Will man den Erstarrungspunkt eines Fettes bestimmen, so muß man dasselbe bei möglichst niederer Temperatur schmelzen, so daß noch Teilchen ungeschmolzenen Fettes in der bereits flüssigen Masse schwimmen, und dann unter beständigem Umschütteln erstarren lassen. Notiert man dabei den Gang des eingetauchten [753] Thermometers von Minute zu Minute, so zeigt sich, daß bei einigen Fetten die Temperatur bis zu einem gewissen Grade sinkt, dann eine Zeitlang konstant bleibt und von da an weiter sinkt. Während der Zeit dieser konstanten Temperatur erstarrt das Fett; sie ist also als Erstarrungspunkt anzusehen. Bei andern Fetten sinkt die Temperatur bis zu einem gewissen Grade, während sie mehr und mehr erstarren, steigt dann aber um mehrere Grade, wobei die Fette ganz fest werden. Bei einigen dieser Fette ist das Maximum, auf das die Temperatur steigt, konstant; sie ist also als Erstarrungspunkt zu betrachten. Andre Fette zeigen diese Konstanz nicht; es ist also nicht möglich, bei ihnen den Erstarrungspunkt genau zu ermitteln. – E. Valenta [9] verwendet zur Prüfung der Fette und Oele ihr Verhalten gegen Eisessig, indem er festgestellt hat, daß die meisten Tier- und Pflanzenfette in Eisessig mehr oder weniger löslich sind, daß das Verhalten der einzelnen Oele in der bezeichneten Richtung jedoch ein derartig verschiedenes ist, daß es vorteilhaft erscheint, dasselbe zur Charakterisierung einzelner Fette zu verwenden. Er hat seine Versuche in der Weise durchgeführt, daß er in einem Proberöhrchen gleiche Teile Oel und Essig innig mischte und die Mischung den verschiedenen Temperaturen aussetzte. – Das elektrische Leitungsvermögen ist früher von Rousseau und neuerdings von Palmieri [10] zur Prüfung der Oele vorgeschlagen worden, doch ist das Verfahren nicht zweckmäßig.

Von chemischen Methoden, die zur Untersuchung von Fetten und fetten Oelen Verwendung finden, sind die folgenden bemerkenswert: Maumené [11] benutzt die Temperaturerhöhung, die sich bei Einwirkung konzentrierter Schwefelsäure auf die fetten Oele ergibt. Das Verfahren wird in der Weise ausgeführt, daß man abgewogene Mengen Oel und Säure unter Umrühren mit einem Thermometer mischt und dabei das Maximum der Temperaturerhöhung beobachtet. Dieselbe Untersuchung wird sodann mit einem typischen Oel vorgenommen und beide Resultate miteinander verglichen. – Die Elaidinprobe, d.h. die Einwirkung salpetriger Säure auf Oele, wird am einfachsten in der Weise ausgeführt, daß man einige Tropfen des zu untersuchenden Oeles in ein Reagenzglas auf etwas Wasser bringt und in dasselbe das bei Einwirkung von Salpetersäure auf Eisenfeilspäne sich entwickelnde Gas leitet. Es entsteht aus der Probe der nicht trocknenden Oele eine feste Masse, während sich die trocknenden, je nach ihrer Menge, in Tropfen oder als flüssige Schichten auf der Oberfläche abscheiden. – Die Säurezahl [12] gibt die Menge Kalihydrat in Zehntelprozenten oder die Anzahl Milligramm Kalihydrat für 1 g Fett an, die zur Neutralisation der in einem Fett befindlichen freien Fettsäure notwendig ist, und bildet daher ein Maß für den Gehalt des Fettes an freien Fettsäuren. Zur Bestimmung der Säurezahl titriert man nach dem Vorschlage von Merz [13] das in Alkohol, Aetheralkohol oder Methylalkohol gelöste Fett mit alkoholischer oder auch mit wässeriger Lauge. Als Indikator verwendet man am besten Phenolphthalein. – Die Verseifungszahl oder Köttstorfersche Zahl [14] gibt an, wie viel Milligramm Kalihydrat zur vollständigen Verseifung von 1 g Fett erforderlich sind, d.i. die zur Verseifung des Fettes notwendige Kalihydratmenge in Zehntelprozenten. Zur Bestimmung derselben bereitet man sich eine alkoholische Kalilauge, indem man 30 g aus Alkohol gereinigten Kalihydrats in wenig Wasser, verdünnt mit fuselfreiem Weingeist auf 11, löst, einen Tag stehen läßt und in eine mit einem durchbohrten Kautschukstopfen verschlossene Flasche filtriert. In die Bohrung wird eine 25-ccm-Pipette eingesetzt, die oben ein Stück Schlauch mit Quetschhahn trägt. Die Flasche wird an einem gleichmäßig warmen Ort aufgestellt. 1–2 g des filtrierten Fettes werden in einem weithalsigen Kolben von 150–200 ccm Inhalt abgewogen. Dann hebt man mit der in die Vorratsflasche eingesetzten Pipette 25 ccm Kalilauge heraus, läßt sie in den Kolben fließen, wobei man die Pipette bei jeder Bestimmung in genau gleicher Weise entleert, was man am leichtesten durch Zählen der Tropfen erreicht, die man nachfließen läßt. Es ist gleichgültig, ob etwas mehr oder weniger als 25 ccm alkoholischer Kalilauge verwendet werden; man hat nur darauf zu achten, daß man jedesmal genau gleichviel abmißt. Man bedeckt das Kölbchen mit einem Trichter, erwärmt auf dem schon vorher angeheizten Wasserbade unter öfterem Umschwenken zum schwachen Sieden, in welchem man 15 Minuten, bei schwer verseifbaren Fetten 30 Minuten, erhält, und filtriert nach Zusatz von 1 ccm weingeistiger Phenolphthaleinlösung mit 1/2-Normalsalzsäure zurück. Die Differenz zwischen der angewendeten und der durch Zurücktitrieren gefundenen Anzahl Milligramm Kalihydrat wird auf 1 g Fett umgerechnet. Das Resultat ist die Verseifungszahl. Die Aetherzahl [15] gibt die zur Verseifung des Neutralfettes in 1 g der Probe nötige Anzahl Milligramm Kalihydrat an. Sie wird entweder aus der Differenz zwischen Verseifungs- und Säurezahl gefunden oder direkt bestimmt, indem man die zur Ermittlung der Säurezahl mit Kalilauge neutralisierte Probe genau wie zur Bestimmung der Verseifungszahl behandelt. – Die Reichert-Meißlsche Zahl [16] bezeichnet die Menge der in einem Fett enthaltenen flüssigen Fettsäuren; ihre Bestimmung kommt besonders bei Untersuchung von Butter in Betracht. – Die Hehnersche Zahl [17] gibt die Ausbeute an unlöslichen Fettsäuren an, die 100 Teile Fett liefern können. – Die Acetylzahl [18] gibt die in einem Fett enthaltenen Oxyfettsäuren und Fettalkohole. 20–50 g der aus dem Fett gewonnenen, nicht flüchtigen Fettsäuren werden mit dem gleichen Volumen Essigsäureanhydrid 2 Stunden in einem Kölbchen mit Rückflußkühler gekocht, die Mischung in ein hohes Becherglas von 1 l Inhalt entleert, mit 500–600 ccm Wasser übergossen und mindestens 1/2 Stunde gekocht. Nach einiger Zeit hebt man das Wasser ab und kocht noch dreimal in gleicher Weise aus. Dann ist, wie man sich durch Prüfung mit Lackmuspapier überzeugen kann, alle Essigsäure entfernt. Schließlich filtriert man die acetylierten Säuren im Luftbade durch ein trockenes Filter und bestimmt nun die »Acetylsäurezahl« und die »Acetylzahl« der Fettsäuren, indem man 3–5 g derselben in säure- und fuselfreiem Weingeist auflöst, Phenolphthaleinlösung zusetzt und mit 1/2-Normallauge bis zur Rotfärbung titriert. Dann fügt man einen Ueberschuß derselben Lauge hinzu, erwärmt auf dem Wasserbade zum schwachen Sieden und titriert mit Salzsäure zurück. Die Summe der Acetylsäurezahl und der Acetylzahl heißt[754] »Acetylverseifungszahl«. Die Acetylzahl ist gleich Null, wenn die Probe keine Oxyfettsäuren enthält. – Die Jodzahl [19] gibt an, wie viel Prozente Jod ein Fett zu addieren vermag, und bildet demnach ein Maß für den Gehalt eines Fettes an ungesättigten Fettsäuren. Jod allein wirkt bei gewöhnlicher Temperatur nur sehr träge auf Fette ein, während es bei hoher Temperatur in seinen Wirkungen sehr ungleichmäßig ist. Dagegen zeigt eine alkoholische Jodlösung bei Gegenwart von Quecksilberchlorid eine zufriedenstellende Wirkung. Dieses Gemisch reagiert schon bei gewöhnlicher Temperatur auf die ungesättigten Fettsäuren unter Bildung von Chlorjodadditionsprodukten und läßt gleichzeitig anwesende gesättigte Säuren vollständig unverändert. Zur Durchführung der Versuche sind erforderlich: Jodquecksilberchlorid, Natriumhyposulfitlösung, Chloroform, Jodkaliumlösung und Stärkelösung. Zur Herstellung der Quecksilberchloridlösung werden einerseits etwa 26 g Jod in 500 ccm, anderseits 30 g Quecksilberchlorid in der gleichen Menge fuselfreien Alkohols gelöst, letztere Lösung, wenn nötig, filtriert und sodann beide Flüssigkeiten vereint. Wegen der anfangs stattfindenden raschen Aenderung des Titers, die wahrscheinlich durch fremde Stoffe im Alkohol bedingt wird, kann die Flüssigkeit erst nach 6- bis 12stündigem Stehen in Gebrauch genommen werden. Diese Lösung soll einfach als Jodlösung bezeichnet werden. Für die Natriumhyposulfitlösung verwendet man zweckmäßig eine Lösung von etwa 24 g des Salzes in 1 l Wasser. Der Titer wird mit reinem sublimierten Jod bestimmt. Die Lösung ist als haltbar anzusehen, sobald es nicht auf äußerst genaue Bestimmungen ankommt, was hier nicht der Fall ist. Das Chloroform muß vor seiner Verwendung auf Reinheit geprüft werden, wozu man etwa 10 ccm desselben mit 10 ccm der Jodlösung versetzt und nach 2–3 Stunden sowohl die Jodmenge in dieser Flüssigkeit als auch in 10 ccm der Vorratslösung maßanalytisch bestimmt. Erhält man in beiden Fällen vollkommen übereinstimmende Zahlen, so ist das Chloroform brauchbar. Die Jodkaliumlösung ist eine wässerige Lösung im Verhältnis von 1 : 10. Die Stärkelösung ist ein frischer 1 prozentiger Kleister. – Das Abwiegen des Fettes geschieht am besten in einem kleinen, leichten Glase. Man entleert das Fett nach dem Schmelzen in eine 200 ccm fässende, mit Glasstopfen versehene Flasche und wiegt das Gläschen nochmals samt dem noch anhaftenden Fette. Die Größe der Probe richtet sich nach der voraussichtlichen Jodabsorption. Man wählt von trocknenden Oelen 0,2–0,3, von nicht trocknenden 0,3–0,4, von festen Fetten 0,8–1 g. Das Fett wird sodann in etwa 10 ccm Chloroform gelöst, worauf man 20 ccm Jodlösung zufließen läßt. Sollte die Flüssigkeit nach dem Umschmelzen nicht vollkommen klar sein, so wird noch etwas Chloroform zugesetzt. Tritt binnen kurzer Zeit eine fast vollkommene Entfärbung der Flüssigkeit ein, so wäre dies ein Zeichen, daß keine genügende Menge Jod vorhanden ist. Man hat in diesem Falle noch mittels einer Pipette 5 oder 10 ccm Jodlösung zufließen zu lassen. Die Jodmenge muß so groß sein, daß die Flüssigkeit noch nach 11/2–2 Stunden stark braun gefärbt erscheint. Nach der angegebenen Zeit ist die Reaktion beendet, und es wird nun die Menge des noch freien Jods bestimmt. Man versetzt daher das Reaktionsprodukt mit 10–15 ccm Jodkaliumlösung, schwenkt um und verdünnt mit etwa 150 ccm Wasser. Ein Teil des Jods ist in der wässerigen Flüssigkeit, ein andrer im Chloroform, das sich beim Verdünnen abgeschieden und das jodierte Oel gelöst hat, enthalten. Man läßt jetzt aus einer in 0,1 ccm geteilten Burette unter oftmaligem Umschwenken so lange Natronlösung zufließen, bis die wässerige Flüssigkeit sowie die Chloroformschicht nur noch schwach gefärbt erscheinen. Nun wird etwas Stärkekleister zugesetzt und die Operation durch vorsichtigen Natronzusatz und öfteres Schütteln bei geschlossener Flasche vollendet. Unmittelbar vor oder nach der Operation werden 10 oder 20 ccm der Jodlösung unter Zusatz von Jodkalium und Stärkekleister titriert. Die Unterschiede dieser beiden Bestimmungen geben bei Berücksichtigung des Titers der Natronlösung die vom Fett gebundene Jodmenge. Man gibt dieselbe zweckmäßig in Prozenten des Fettes an und bezeichnet diese Zahl als »Jodzahl«. Die Zahlen sind konstant, wenn die Jodlösung in genügendem Ueberschuß vorhanden war; der Ueberschuß darf nach Benedikt [20] nicht unter 30% der angewendeten Jodmenge betragen. Das Resultat ist unabhängig von der Konzentration und einem Ueberschusse von Quecksilberchlorid und muß auf 2 Atome Jod mindestens 1 Molekül Quecksilberchlorid vorhanden sein. Nach Hübl ist es gleichgültig, ob die Titrierung nach 2- oder 48stündigem Stehen vorgenommen wird; doch soll man sie der Sicherheit halber erst nach 4–6 Stunden vornehmen.

Die sonstigen chemischen Reaktionen, die man zur Prüfung der Fette in Anwendung gebracht hat, bestehen in Farbenerscheinungen, die unter der Einwirkung gewisser Chemikalien auftreten. So hat Mailho die Beobachtung gemacht, daß das Oel aller Kruziferen eine Schwefelverbindung enthält. Er kocht 25–30 g des fraglichen Oeles mit einer Lösung von 2 g einer Lösung von reinem Natronhydrat in 20 g Wasser und filtriert dann durch ein vorher benetztes Filter. Ein Streifen, der zuvor mit Bleizucker oder Silberlösung befeuchtet worden, wird schwarz, wenn das Oel von einer Kruzifere herrührt oder solches beigemischt enthält. – Fremdartige Beimengungen, mit denen die Fette oder fetten Oele verunreinigt oder verfälscht sind, lassen sich weit leichter nachweisen als Zusätze von andern Fetten oder fetten Oelen. Häufige Verunreinigungen bei festen Fetten sind Wasser und Sand (Schmutz) [24]. – Um ersteres zu bestimmen, werden 40–50 g des zu untersuchenden Fettes in einem mit einem Glasstabe karierten Becherglase zuerst 1 Stunde unter zeitweiligem Umrühren bei 110° C. und dann ohne Umrühren 2 Stunden bei 125° C. erhitzt. Die Gewichtsdifferenz, die das so getrocknete Fett im Vergleich zur ursprünglichen Probe aufweist, ist der Wassergehalt. Um den Schmutzgehalt zu ermitteln, schmilzt man das getrocknete Fett in dem Becherglase, filtriert es durch ein zweites Filter, wäscht letzteres mit heißem Benzol und trocknet es bei 80–90° C. Die Gewichtszunahme des Filters gibt den im Fett enthaltenen Schmutz. Infolge unvollkommener Reinigung nach der Raffinierung können die Fette Schwefelsäure, kohlensaure Alkalien, Alaun und Blei enthalten. Die Schwefelsäure findet man durch tüchtiges Schütteln mit destilliertem Wasser, Absetzenlassen und Versetzen der Flüssigkeit mit Chlorbaryum;[755] ein weißer Niederschlag zeigt die Gegenwart von Schwefelsäure an. Einen Gehalt an kohlen saurem Alkali weist man nach durch Schütteln des Oeles mit Wasser und Prüfung des letzteren auf alkalische Reaktion mit Lackmuspapier. Den Alaun ermittelt man durchschütteln mit Wasser, dem etwas Salpetersäure beigemischt ist, Eindampfen der wässerigen Lösung und Versetzen mit Ammoniak; bei Gegenwart von Alaun entsteht ein weißer Niederschlag. Das Blei erkennt man durch Schütteln mit Essigsäure und einigen Tropfen Salpetersäure und Versetzen der sauren Flüssigkeit mit Schwefelwasserstoff; ein schwarzer Niederschlag zeigt die Gegenwart von Blei an.

Zum Verschneiden der fetten Oele dienen außer billigeren fetten Oelen hauptsächlich Harzöle und Mineralöle. Der sicherste Weg, diese in fetten Oelen nachzuweisen, ist die Verseifungsmethode, wie sie zuerst von Thompson [21] empfohlen, d.h. Verseifung des zu untersuchenden Oeles, Vermischen der gebildeten Seife mit Sand, Trocknen der Seife und Ausziehen mit Petroläther. Die anderweitig vorgeschlagene Methode, die flüssige Seife direkt mit Petroläther auszuschütteln und dann im Scheidetrichter den Petroläther von der Seisenlösung zu trennen, läßt viel zu wünschen übrig [22]. Harz läßt sich in Fetten leicht durch seine Löslichkeit in Weingeist und in Sodalösung nachweisen. Erwärmt man die Fettprobe wiederholt mit 70 prozentigem Alkohol, so geht das Harz in Lösung. Man schlägt das Harz durch Zusatz von Wasser nieder, vereinigt den Niederschlag durch Erwärmen, wenn nötig, unter Zusatz von etwas Salzsäure, und kann ihn dann leicht an seinem Aussehen, Geruch u.s.w. als Harz erkennen. – Ein Gehalt an freien Fettsäuren läßt sich in Oelen leicht nachweisen. Wird nach Wiederhold [23] Kupferoxydul oder die kupferoxydulhaltige Asche der Kupferschmiede in einem weißen Gläschen mit dem zu prüfenden Oel übergossen, so färbt es sich, wenn es säurehaltig ist, grün, und zwar zuerst in der dem Kupferoxydul zunächst liegenden Schicht. Der Eintritt der Reaktion wird durch mäßiges Erwärmen befördert.

Die Fette und fetten Oele finden, abgesehen von den Speisefetten, hauptsächlich Verwendung zur Seifenfabrikation, zur Stearinfabrikation, zur Firnisbereitung und als Schmiermittel.


Literatur: [1] Deite, Die Industrie der Fette, Braunschweig 1878, S. 173 ff. – [2] Ders., Industrie der Fette, S. 63 ff.; Schädler, Technologie der Fette und Oele, 2. Aufl., Leipzig 1892, S. 279 ff. – [3] Hofmanns Bericht über die Entwicklung der chemischen Industrie, Braunschweig 1873, Bd. 1, S. 267 ff.; Deite, Industrie der Fette, S. 134 ff.; Schädler, Technologie der Fette, S. 416 ff. – [4] Deite, Handbuch der Seifenfabrikation, 2. Aufl., Berlin 1896, S. 55. – [5] Benedikt, Analyse der Fette und Wachsarten, 4. Aufl., Berlin 1903; Lewkowitsch, Chemische Technologie und Analyse der Oele, Fette und Wachse, Braunschweig 1905. – [6] Benedikt, Analyse, S. 88. – [7] Polyt. Zentralbl. 1855, S. 165. – [8] Ann. Chem. Pharm., Bd. 44, S. 152. – [9] Dingl. Polyt. Journ., Bd. 252, S. 296. – [10] Chem.-Ztg., Bd. 6, S. 1157. – [11] Les corps gras, 1870, S. 229. – [12] Lewkowitsch, Chem. Techn., Bd. 1, S.302. – [13] Zeitschr. f. anal. Chemie, Bd. 17, S. 390. – [14] Ebend., Bd. 21, S. 394. – [15] Lewkowitsch, Chem. Techn., Bd. 2, S. 479. – [16] Zeitschr. für analyt. Chemie, Bd. 18, S. 68. – [17] Ebend., Bd. 16, S. 145. – [18] Benedikt und Ulzer, Monatshefte f. Chemie, Bd. 8, S. 40. – [19] Dingl. Polyt. Journ., Bd. 253, S. 281. – [20] Zeitschr. f. d. chem. Ind. 1887, S. 213. – [21] Wochenschr. für den Oel- und Fellhandel 1879, S. 243. – [22] Finkener, Mitteilungen der K. techn. Versuchsstat., 1885, S. 6. – [23] Dingl. Polyt. Journ., Bd. 217, S. 314. – [24] Andes, L.E., Die vegetabilischen Fette und Oele, ihre praktische Darstellung, Reinigung, Verwertung zu den verschiedensten Zwecken, ihre Eigenschaften, Verfälschungen und Untersuchung, Wien 1896. – [25] Berichte der Deutsch, chemischen Gesellschaft, XXXV, S. 3988.

Deite.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 752-756.
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