Betoneisenkonstruktionen [1]

[737] Betoneisenkonstruktionen, die Verbindung von Beton und Eisen zu tragenden Konstruktionen, haben in neuerer Zeit im Hochbau und auch im Brückenbau eine wachsende Bedeutung erlangt. Der Verbindung der beiden Baustoffe kommt der Umstand zugunsten, daß zwischen Eisen und Zement eine beträchtliche Adhäsion besteht [1] und daß beide Stoffe (nach Bouniceau) so ziemlich den gleichen Wärmeausdehnungskoeffizienten besitzen. Es handelt sich dabei um eine derartige Verbindung beider Materialien, in der sich ihre Festigkeitseigenschaften in entsprechender Weise ergänzen und in der insbesondere die auftretenden Zugspannungen vorwiegend von dem im Beton eingebetteten Eisen aufgenommen werden.

Dieser Gedanke ist verschiedenartig konstruktiv durchgebildet und sind für diese Bauweise auch eine Anzahl Patente erwirkt worden. Die erste Anwendung des sogenannten armierten Betons (Beton arme) rührt von Monier her (erstes französisches Patent 1867). Als bloßem[737] Empiriker gelang es ihm aber nicht, seine Konstruktionen auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen. Erst später haben namentlich deutsche Ingenieure die neue Bauweise technisch durchgebildet und ihr im Hoch- und Brückenbau Eingang verschafft. Die Monier-Bauweise ist sowohl für Platten wie auch für Gewölbe angewendet worden. Die Eiseneinlage besteht hier aus 8–10 mm Harken Rundeisenstäben, welche in Abständen von 10–12 cm liegen und senkrecht von schwächeren Stäben gekreuzt und zu einem Netz verbunden werden (Fig. 1). Dieses Netz ist an die Zugseite der Tragkörper zu legen; bei Gewölben wird es auf der Schalung ausgelegt und vor der Betonierung durch untergeschobene 3–5 cm hohe Klötzchen so weit gehoben, daß es vollständig von Beton eingehüllt wird. Man verwendet Kiesbeton mit reichlicherem Wasserzusatz (sogenannten plastischen Beton), damit die Maschen gut ausgefüllt werden. Bei Gewölben mit mobiler Belastung können an beiden Laibungen Zugspannungen auftreten; es erweist sich daher noch ein zweites Netz in der Nähe der oberen Laibung als notwendig. Dieses braucht nicht ganz durchzugehen, sondern wird meist in der Mitte der Gewölbschenkel an das untere Netz angeschlossen. Diese Netze werden in das Widerlager geführt und dort eingebunden. Heute sind Monier-Konstruktionen [2] bereits durch neuere Bausysteme [3], [4] in armiertem Beton überholt, die mehr praktische Vorteile für die Ausführung bieten und überdies eine richtigere Dimensionierung der Eisenteile ermöglichen. Die verschiedenen Bauweisen lassen sich in zwei Hauptgruppen sondern. Die eine wird von jenen Konstruktionen gebildet, deren Armierung aus Rundeisenstäben oder aus Flacheisen besteht, die also Einlagen haben, die nicht an und für sich steif sind, sondern erst in Verbindung mit Beton tragfähig werden; bei der zweiten Gruppe aber ist die Eisenkonstruktion an und für sich schon ein tragfähiges Gerippe, eine steife und biegungsfeste Konstruktion. Hauptvertreter der ersten Gruppe ist die Hennebique-Bauweise, bei der die Armierung des Betontragkörpers durch stärkere Rundeisenstäbe (von 20–45 mm Durchmesser) erfolgt, die dort anzubringen sind, wo Zugspannungen auftreten. Diese Armierung ist nicht wie bei den Monier-Konstruktionen verteilt, sondern an einzelnen Stellen konzentriert angebracht, indem die Tragwerke immer rippenförmig ausgebildet sind und die Rundeisen in erforderlicher Zahl vereinigt in den Rippen liegen. Außerdem sind noch bügelförmige, senkrecht oder schräg laufende Flacheisen, bei ähnlichen Systemen (Wayß, Luipold u.a.) auch schwächere Rundeisenbügel oder Drahtanker angebracht, welche die Rundeisen umschließen und in die Betonmasse einbinden. Diese Bügel sollen auch zur Aufnahme der Scherkräfte dienen, in welchem Falle sie aber wohl schräg liegen müßten; überdies sind bei den Hennebique-Balken einzelne Rundeisen an den Trägerenden in schräger Abbiegung nach oben geführt, was die Aufnahme der Scherkräfte in wirksamerer Weise sichert Die Hennebique-Konstruktionen eignen sich hauptsächlich für gerade Ueberdeckungen, also für Steinbauten nach dem Prinzipe von Platten und Trägern (Fig. 2). Die Tragrippen flehen 2–5 m ab; ihre Armierung ist in die Widerlager eingebunden, so daß eine teilweise Einspannung erzielt wird. Die die Rippe verbindende Platte (Hourdis) erhält eine aus schwächeren Rundeisen bestehende Querarmierung und meist auch eine Verstärkung durch Quertraversen. Diese Bauweise ist auch für bogenförmige Tragwerke angewendet worden, meist in Verbindung mit ziemlich schwachen, elastisch nachgiebigen Pfeilern und Widerlagern, so daß die Wirkungsweise keine ganz klare ist und einem Mittelzustande zwischen einem Bogen- und einem Balkenträger entspricht. Bei der in dieselbe Gruppe gehörigen Bauweise Möller sind fischbauchförmige Tragrippen angewendet, die an der Unterseite eine Armierung aus Rund- oder Flacheisen haben, deren Enden kräftig verankert, zuweilen auch mit den Druckgurt aussteifenden Walzträgern verbunden sind. – Die steifen Eisenarmierungen der zweiten Gruppe von Verbundkonstruktionen können entweder bei Balken und Platten oder bei Bogen und Gewölben zur Anwendung kommen. Die Verstärkung von Betonplatten durch in dieselben eingebettete eiserne Träger ist übrigens u.a. bei Fundierungskonstruktionen schon lange in Gebrauch, und darauf beruhen auch verschiedene flache Deckenkonstruktionen für Hochbauten (Sequinbronner, Koenen u.a.). Für Gewölbe wird diese Anordnung durch die Bauweise Melan [5] repräsentiert, die namentlich im Brückenbau in den letzten Jahren durch zahlreichere Ausführungen Bedeutung erlangt hat (s. Betoneisenbrücken und [6]). Hier bilden die Eiseneinlagen steife Bogenträger, die in Abständen von 70 cm bis 1,20 m liegen und ganz vom Gewölbebeton eingeschlossen sind (Fig. 3). Es sind entweder gebogene Walzträger (bis zu 200 mm Höhe) oder genietete Gitterbogenträger verwendet. Größere Gewölbe erhalten zwischen den Bogenträgern in der[738] Regel an einigen Stellen einen leichten Querverband. Die steifen Eisenarmierungen haben zunächst für die Ausführung gewisse praktische Vorteile. Wegen der großen Zwischenräume kann gewöhnlicher Schotterbeton verwendet, leicht eingebracht und gut gedampft werden; Verschiebungen der Eiseneinlagen, wie bei Rundeisen u.s.w., können nicht eintreten. Ein Hauptvorteil aber ist, daß man nach der Montierung der eisernen Bogen das Lehrgerüst ganz oder zum Teil an dieselben anhängen kann, wodurch stärkere Deformationen des Gerüstes vermieden und dieses auch verhältnismäßig schwach ausgeführt werden kann. Auch wird hierdurch ein Teil des eignen Gewichtes der Betonwölbung unmittelbar auf die Eisenbogen übertragen und in dieselben eine Anfangsspannung gebracht, die eine bessere Ausnutzung der Eisenarmierung unter gleichzeitiger Entladung der Betonwölbung sichert. – (S.a. den folgenden Artikel.)


Literatur: [1] Bauschinger, Mitteilungen, ferner Zentralblatt der Bauverwaltung 1894, S. 427. – [2] Wochenschrift des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins 1891, S. 120; Rehbein, Monierbauweise, 2. Aufl., Berlin 1894. – [3] Christophe, P., Le Béton armé et ses applications, Paris 1902. – [4] Neuere Bauweisen und Bauwerke, aus »Beton und Eisen«, Zeitschrift, herausgegeben von Ingenieur F. v. Emperger, Wien 1902, 1903 ff. – [5] Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins 1893, S. 166; Transactions of the American Society of Civil-Engineers 1894, April; Süddeutsche Bauzeitung 1895, Nr. 12. – [6] Brücken in Betoneisenkonstruktion nach Bauweise Melan, Prag 1904.

Melan.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 737-739.
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Faksimiles:
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