Bleisicherung [1]

[74] Bleisicherung (Schmelzsicherung), Vorrichtung, die eine vom elektrischen Strome durchflossene Leitung selbsttätig unterbricht, sobald der Strom die als zulässig angenommene oberste Grenze überschreitet.

Solche zuerst von Edison angewendeten Vorrichtungen bestanden früher der Hauptsache nach aus einem leicht schmelzbaren Metalle von großem spezifischen Widerstande, das in zweckmäßiger Form in die zu schützende Leitung eingeschaltet wird. Steigt der Strom bis zu einem gewissen Betrage, so schmilzt dieses Metallstück infolge der erzeugten Wärme, wodurch die Stromleitung unterbrochen wird. Man nennt daher auch diese selbsttätigen Stromunterbrecher Schmelzsicherungen oder, da zur Herstellung derselben vielfach Blei verwendet wird, Bleisicherungen.

Seit 1898 wird nach dem Vorgange der Allgem. Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin [7] auch Silber als Abschmelzmaterial benutzt, also ein Metall von guter Leitfähigkeit und hohem Schmelzpunkt. Dadurch wird erreicht, daß die Masse des Schmelzdrahtes bei der besseren Leitfähigkeit des Silbers stark verringert ist und somit beim Durchbrennen wenig Dämpfe entwickelt, so daß sich auch bei höherer Betriebsspannung kein Lichtbogen ausbilden kann. Da sich ferner die Silberdrähte sehr rein herstellen lassen und durch Luft und Wärme nicht erheblich oxydiert werden, kann die zulässige Abschmelzstromstärke mit viel größerer Zuverlässigkeit eingehalten werden als bei Blei.

Die Sicherungen werden aus Drähten oder Streifen gebildet und gewöhnlich so bemessen, daß sie durchschmelzen, wenn die Stromstärke das Doppelte des Betrages erreicht, mit dem die zu sichernde Leitung normal belastet werden kann. Für ihre Dimensionierung sind eine Reihe von Umständen maßgebend, welche die Erwärmung der Sicherung durch den elektrischen Strom wesentlich beeinflussen; die Erhitzung, die ein elektrischer Strom von bestimmter Stärke in einer Sicherung hervorbringt, hängt nicht allein von dem Material und den Dimensionen des Schmelzkörpers ab, sondern sie ist auch abhängig von den für die Wärmeabgabe maßgebenden

Verhältnissen, unter denen die Sicherung in die Leitung eingeschaltet ist. Es wird sich daher durch eine allgemein gültige Formel der Querschnitt einer Sicherung, die bei einer bestimmten Stromstärke zuverlässig funktioniert, nicht bestimmen lassen. Von wesentlichem Einflusse ist die Wärmeableitung durch die Metallmassen der Klemmen, mit denen der Schmelzkörper in die Leitung eingefügt ist [1], und die Wärmeabgabe an die Luft, die verschieden ist, je nachdem die Sicherung sich in freier Luft befindet oder durch besser wärmeleitende Körper, wie Glas, Porzellan u.s.w. von dieser abgeschlossen ist. Die zum Abschmelzen nötige Stromstärke läßt sich nach folgender Formel [2] bestimmen:


Bleisicherung [1]

Für die Konstante c ergab sich für Sicherungen aus gewöhnlichem Blei in freier Luft der wert 7; sind dieselben von Glas oder Porzellan umgeben, so ist c = 10 zu setzen. Für Bleidrähte läßt ich die Formel durch Einsetzung der Werte für Umfang (π d) und Querschnitt (πd2/4) auch so schreiben:


Bleisicherung [1]

Daraus ergibt sich der Durchmesser d des zu verwendenden Bleidrahtes für eine bestimmte Abschmelzstromstärke. Häufig geschieht die Dimensionierung der Bleisicherungen unter Voraussetzung einer gewissen Stromstärke pro Quadratmillimeter Querschnitt (Stromdichte). So kann man nach Uppenborn für mittelgroße Bleisicherungen von der gebräuchlichen Länge von einigen Zentimetern auf jedes Ampère der normalen Stromstärke ungefähr 0,13 qmm rechnen, so daß auf 1 qmm etwa 8 Ampere kommen [4]. Einzelne Bleidrähte werden nur zur Herstellung von kleineren Sicherungen bis etwa 4 qmm Querschnitt verwendet, darüber hinaus nimmt man parallel geschaltete Drähte (Fig. 1) oder Blechstreifen (Fig. 2). Für sehr geringe Querschnitte (unter 0,2 qmm) werden auch auf eine isolierende Unterlage aufgeklebte Stanniolstreifen benutzt. – Die Sicherungen sind stets in den Anfang der zu schützenden Leitung zu fetzen; bei Abzweigungen dahin, wo sich der [74] Querschnitt der Leitung in der Richtung nach der Verbrauchsstelle hin vermindert. Eine solche Sicherung kann sich entweder nur in der Hinleitung oder nur in der Rückleitung befinden (einpolige Sicherung), oder aber es werden beide Leitungen mit je einer Sicherung versehen (zweipolige oder bipolare Sicherung). Bei einpoligen Sicherungen müssen diese sämtlich in den gleichnamigen Leitungen sich befinden, da nur dann ein sicherer Schutz der Leitungen möglich ist. Denn wäre z.B. eine Sicherung c fehlerhaft in die ungleichnamige Leitung eingesetzt (Fig. 3), so könnten infolge eines Kurzschlusses übermäßige Erwärmungen der Leitungen d e und f g eintreten, ehe die viel stärkere Hauptsicherung a funktioniert. In manchen Fällen ist die Verwendung bipolarer Sicherungen unerläßlich. Ein solcher Fall ist z.B. dann vorhanden, wenn an ein Zweileitersystem zwei in Serie geschaltete Bogenlampen angeschlossen werden. Aus Fig. 4 ist ohne weiteres ersichtlich, daß bei dem gleichzeitigen Auftreten eines Erdschlusses zwischen den Lampen I und II und an irgend einer Stelle einer Hauptleitung zwar die Lampe I durch Abschmelzen der Sicherung a geschützt ist, die Lampe II aber infolge des durch die Erdschlüsse hergestellten Kurzschlusses zerstört werden kann. Es wird daher mit Recht der größeren Sicherheit halber die Verwendung nur zwei- bezw. mehrpoliger Sicherungen verlangt.

Die hauptsächlichsten Anforderungen, denen eine gut konstruierte Sicherung entsprechen soll, sind im wesentlichen die folgenden. Das Abschmelzen muß in möglichst kurzer Zeit eintreten, nachdem die für die betreffende Sicherung geltende Maximalstromstärke erreicht ist; dabei muß das geschmolzene Metall unter geringer Dampfentwicklung so abfließen, daß die Unterbrechungsstelle einen genügend großen (15–20 mm langen) Luftzwischenraum bildet, damit der Oeffnungsfunke keinen länger dauernden Lichtbogen erzeugen kann. Besondere Beachtung dieses Umstandes ist bei solchen Abschmelzsicherungen notwendig, die in Leitungen für hochgespannte Ströme verwendet werden sollen. Eine für solche Fälle sehr geeignete einfache Sicherung ist die von Bláthy. Bei dieser Sicherung ist das Abschmelzstück durch eine oder mehrere isolierende Scheiben hindurchgeführt, die je eine dem Abschmelzkörper genau angepaßte Oeffnung haben (Fig. 5). Die Entstehung eines Lichtbogens zwischen den getrennten Teilen des abgeschmolzenen Metalls ist hier ausgeschlossen. Eine gute Sicherung muß ferner so eingerichtet sein, daß ein Herausfließen des abgeschmolzenen Metalls, ein Herumfliegen von Funken vermieden wird; aus diesem Grunde ist die Sicherung in eine feuersichere Hülfe oder Kapsel einzuschließen und auf eine gut isolierende feuersichere Grundplatte aus Porzellan, Marmor oder Schiefer zu montieren. Das Abschmelzstück bezw. die dasselbe einschließende Hülfe muß rasch und bequem auswechselbar fein; um hierbei Irrtümer zu vermeiden, ist sowohl am festen wie am auswechselbaren Teile eine leicht ersichtliche Bezeichnung anzubringen, am zweckmäßigsten die größte zulässige Betriebsstromstärke, für welche die Sicherung bestimmt ist. Sehr empfehlenswert ist es, beide Teile so einzurichten, daß nur das richtige Ersatzstück eingesetzt werden kann. Im Interesse der leichten Auswechselbarkeit wird das Abschmelzstück häufig in eine besondere Hülfe oder Patrone eingeschlossen und steht in Verbindung mit zwei an dieser beteiligten Metallstücken, die einen guten Kontakt mit den festen Teilen der Sicherung gestatten. Die Hülfe kann aus Glas, Gips, Porzellan u. dergl. hergestellt sein und muß einen Genügend großen Luftraum enthalten oder eine lockere, unverbrennliche Füllung (Asbest, Talkum, and, Schmirgel) besitzen, damit beim Durchschmelzen das Metall von den Verbindungsstücken vollständig wegfließt oder aufgesaugt werden kann.

Nach diesen Grundsätzen haben in den letzten Jahren die meisten Firmen ihr Sicherungssystem umgearbeitet, um den neueren Vorschriften des Verbandes deutscher Elektrotechniker [6] zu entsprechen.

Bei dem neuen System der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin [8] ist das Prinzip der alten Edison-Bleisicherung [5] verwendet, bei dem der Schmelzdraht in einem mit Gewinde versehenen Porzellanstöpsel angebracht ist, der sich in die zugehörige, auf der Grundplatte der Sicherung befindliche Fassung wie eine Glühlampe einschrauben läßt. Fig. 6 zeigt einen Schnitt durch die neue Sicherungsdose, Fig. 7 die Oberansicht derselben nach Entfernung des Deckels g, Fig. 8 und 9 die zugehörige Patrone mit dem Schmelzdraht in Schnitt und Oberansicht. Der[75] Porzellansockel a (Fig. 6 und 7) trägt die Messingbrücke b nebst Gewindehülse c; bei der Anschlußschraube d tritt die zu sichernde Leitung ein. Der Austritt erfolgt bei den auf der Kupferschiene e am Boden des Sockels sitzenden Schrauben e1 oder e2; soll die bei d eintretende Leitung geradlinig weitergeführt werden, so wird von ex ab der Kanal i zur Ausführung benutzt. Der mittels der Schraube h festgehaltene Porzellandeckel g ist so gestaltet, daß er die stromführenden Metallteile des Einschraubstöpsels verdeckt. Letzterer (Fig. 8 und 9) besteht aus einem Porzellankörper l, der in ein und derselben Größe für sämtliche Stromstärken (bis 60 Ampère) verwendet wird. Die parallel geschalteten Schmelzdrähte n aus reinem Silber werden von der Gewindehülse p durch die Kanäle m über die Zwischenwände o durch den inneren Hohlraum des Stöpsels bis zur Kontaktschraube q geführt und mit beiden Polen p und q verlötet. Alle Hohlräume sind mit einer grobkörnigen, schwer schmelzbaren, nicht hygroskopischen Masse (z.B. Schmirgel oder Sand) gefüllt; ein mit Asbest ausgekleideter Messingdeckel t schließt den oberen Teil ab. Beim Einschrauben des Stöpsels wird der Stromschluß einerseits durch das Edisongewinde c, anderseits durch das Auftreffen der Kontaktplatte s des Stöpsels auf die Kontaktschraube f des Unterteiles hergestellt. Die Unverwechselbarkeit der Patronen verschiedener Stromstärke wird durch Abstufungen der Höhen von s und f leicht erreicht.

Auch bei dem neuen Sicherungssystem der Siemens-Schuckert-Werke ist in ähnlicher Weise eine leicht auswechselbare Porzellanpatrone zur Aufnahme des Silberschmelzdrahtes verwendet. Vgl. [4], [5], [9]. Literatur: [1] Feldmann, Cl., Elektrotechn. Zeitschrift 1892, S. 423. – [2] Hochenegg, C Anordnung und Bemessung elektrischer Leitungen, Berlin 1897. – [3] Preece, W.H., The Electrician, 17. April 1888; The Electrical Review 1888, S. 506; Grassot, Electricien, Bd. 10, S. 420. – [4] Heim, C., Die Einrichtung elektrischer Beleuchtungsanlagen für Gleichstrom, Leipzig 1903. – [5] Holzt, Schule des Elektrotechnikers, Bd. 3, Leipzig 1903. – [6] Sicherheitsvorschriften des Verbandes deutscher Elektrotechniker, Berlin 1903. – [7] Elektrotechn. Zeitschrift 1898. S. 463 und 591. – [8] Ebend. 1899, S. 575. – [9] Ebend. 1897, S. 27 und 41.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 5.
Fig. 6 und 7.
Fig. 6 und 7.
Fig. 8 und 9.
Fig. 8 und 9.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 74-76.
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