Draht [1]

[16] Draht, fadenförmige Metallware, meist zylindrisch, von großer Länge und geringem Durchmesser, die gewöhnlich in Form von aufgewickelten Ringen in den Handel kommt. Draht wird aus fast allen dehnbaren Metallen hergestellt. Guter Draht muß gleichmäßig zäh und biegsam und an allen Stellen von gleichem Querschnitt sein. Er darf keine unganzen Stellen und keine Risse haben.

Die Stärke des Drahtes, die mit Drahtlehren (s.d.) gemessen wird, schwankt gewöhnlich zwischen 10 mm und 0,2 mm. Feine Gold- und Silberdrähte haben nur einen Durchmesser von 0,04–0,05 mm. Die Länge der einzelnen Drahtenden beträgt bis zu 100 m; Eisendraht von 0,2 mm Stärke ist schon bis zu 40000 mm Länge hergestellt worden. Die gebräuchlichsten Drahtstärken sind in folgender Tabelle von Karmarsch [1] zusammengestellt.

Die Querschnittsform des Drahtes ist in der Regel rund; Draht von andern Querschnittsformen, ovalen, quadratischen, rechteckigen u.s.w., nennt man Formdraht (Dessin- und Fassondraht). Halbkreisförmigen Querschnitt erhält Draht zur Anfertigung von Vorsteckplinten. Schwalbenschwanzdraht mit keilförmigem Querschnitt und Sperrkegeldraht mit dem Querschnitt eines Sperrkegels, ferner Triebdraht mit sechs bis zwölf Zähnen für Zahnrädchen wird in der Uhrmacherei gebraucht. Drähte mit stern-, blatt- und blumenförmigem Querschnitt dienen in Druckereien zur Anfertigung von Tapeten und Buntpapier. Brillendraht zur Einfassung von Brillengläsern hat mondsichelförmigen Querschnitt.


Draht [1]

Festigkeit. Infolge seiner Herstellung durch Walzen und Ziehen nimmt die Dichtigkeit und Festigkeit des Drahtes, besonders bei Eisen, Stahl, Messing und Platin, zu. Durch Ausglühen und langsames Erkalten verschwindet die Härte und Festigkeit wieder, und die Dicke nimmt zu: bei Eisen um etwa 1/88. bei Messing um 1/35, bei Kupfer um 1/23 des Durchmessers. Draht, der nach dem letzten Ziehen nicht ausgeglüht ist, bezeichnet man als hartgezogenen oder blanken Draht. Geglühter Draht zeichnet sich durch große Biegsamkeit aus und wird daher zum Binden und Flechten verwendet, während hartgezogener Draht zu Federn, Klammern, Bügeln u.s.w. dient. Da beim Ziehen von Draht vorzugsweise die Oberfläche an Fertigkeit gewinnt, so ist nach Karmarsch die Zugfestigkeit nicht nur dem Drahtquerschnitt unmittelbar proportional, sondern auch vom Durchmesser abhängig. Bezieht man die Zugfestigkeit in Kilogramm auf den Quadratzentimeter, so ist dieselbe für den Durchmesser d (letzterer in Millimetern): kz = c/d + k0. Die Werte von c und k0 sind in folgender Tabelle für verschiedene Drahtarten zusammengestellt.


Draht [1]

[16] Das spez. Gew. für hartgezogenen DrahtHütte«) beträgt für Schmiedeeisen 7,65, Stahl 7,956, Kupfer 9,00, Messing 8,687 (nach Felten & Guilleaume, Mülheim, und C. Heckmann, Duisburg-Hochfeld).

Das Gewicht für 1000 m Länge und 1 mm Durchmesser beträgt:


für Schmiedeeisen 6,008 kg,

für Kupfer 7,069 kg,

für Blei 9,000 kg,

für Stahl 6,249 kg,

für Messing 6,823 kg

für Bronze 7,000 kg.


Die größte Verbreitung hat Stahl- und Eisendraht; fast 1/8 des gesamten erzeugten Stahls und Eisens wird zu Draht verarbeitet. Bei kleinen Gebrauchsgegenständen, Polsterfedern, Klaviersaiten, Fahrrädern, Schiffstakelungen, Telegraphen- und Telephonleitungen, Kabeln u.s.w. kommt Stahl- und Eisendraht vielfach verkupfert, verzinnt und verzinkt vor. Verzinkter Eisendraht dient besonders zu Telephon- und Telegraphenleitungen. Kupferdraht kommt nur in geringer Menge, gewöhnlich ungeglüht, also blank, in mit Kupferdraht zusammengebundenen Ringen (Adern) in den Handel und wird besonders zu elektrischen Leitungen bei Feldtelegraphen oder als verzinnter Kupferdraht für Telephonleitungen verwendet. Messing- und Tombakdraht kommt geglüht und ungeglüht in den Handel. Feine Sorten werden nach dem letzten Glühen entweder mehrmals durch ein gewöhnliches Ziehloch (lichtharter Draht) oder nur einmal durch ein scharfrandiges, schabend wirkendes Ziehloch gezogen (lichtweicher Draht). Bronzedraht dient zu Telephonleitungen und wird aus gewöhnlicher Bronze, Siliciumbronze, Doppelbronze (Aluminiumbronze mit Kupferumhüllung) und als Compounddraht (Stahlseele mit Bronzeumhüllung) hergestellt. Zink- und Bleidraht werden nur wenig verwendet, so zum Anbinden von Gewächsen und als Dichtungsmittel bei Flanschen. Gold- und Silberdraht wird bei Anfertigung von Schmuckgegenständen, Treffen, Geweben u.s.w. angewendet. Echter Silberdraht besteht aus reinem Silber, echter Golddraht aus Silber mit Gold überzogen. Unechter Silber- und Golddraht besteht aus Kupferdraht mit dünnem Gold- oder Silberüberzug. Bei echtem Golddraht beträgt das Goldgewicht 1/50–1/100 des Silbergewichtes. Doublédraht besteht aus einer Goldumhüllung und einem Kern aus Silber oder Kupfer und wird zu Schmuckgegenständen gekauft. Zementierter Draht ist Kupferdraht mit dünnem Messingüberzug; er hat eine goldähnliche Farbe. Platindraht wird vorzugsweise für chemische und physikalische Apparate gebraucht. Aluminiumdraht ist für Kabel vorgeschlagen worden. Zinndraht kommt im Handel so gut wie gar nicht vor.


Literatur: [1] Karmarsch-Fischer, Mechanische Technologie, Leipzig 1888 und 1891; Fehland, Die Fabrikation des Eisen- und Stahldrahtes, Weimar 1886; v. Hoyer, Die Verarbeitung der Metalle und des Holzes, Wiesbaden 1897; Wedding, Grundriß der Eisenhüttenkunde, Berlin 1890; Hädicke, Die Technologie des Eisens, Leipzig 1900; Ledebur, A., Mechanisch-metallurgische Technologie, Braunschweig 1897.

Dalchow.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 16-17.
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