Dachschiefer

[511] Dachschiefer, in dünne und große, ebene, feste und harte Platten spaltbare Tonschiefer von sehr einheitlicher und seiner Beschaffenheit in bezug auf Korngröße der Gemengteile. Für den Tafelschiefer ist noch besonders eine dunkle, womöglich schwarze Färbung erwünscht.

In der Hauptsache ist der Dachschiefer als ein erhärteter und teilweise umkristallisierter Ton aufzufassen, wie er vom wenig bewegten Wasser als feinster Schlamm abgesetzt wird. Ein glimmerartiges Mineral nimmt an der Zusammensetzung des Tonschiefers den größten Anteil und ist teils in dem ursprünglichen Ton schon vorhanden gewesen, teils ist es Neubildung. Dasselbe gilt für den beigemengten Quarz. Im ersten Fall erscheint der Quarz als feinstes Sandkorn, im zweiten füllt er in winzigster Form in unregelmäßiger Weise Zwischenräume zwischen andern Gemengteilen aus. Das glimmerartige Mineral, der vorherrschendste Gemengteil, tritt stets als feinstes, meist farbloses winziges Schüppchen auf und ist in den meisten Fällen Muskovit. In andern Fällen ist die Natur des äußerst feinschuppigen Gemengteils nicht sicher erkannt; er scheint ein wasserhaltiges Tonerdesilikat zu sein. Er liegt entweder parallel mit den Schichtflächen oder auch parallel mit der Schieferung. Im letzteren und häufigeren Falle wird man ihn meist als Neubildung aus der kieselsauren Tonerde (Kaolin) des tonigen Schlammes ansehen dürfen. Neben diesen beiden Gemengteilen tritt noch ab und zu Feldspat und dessen Umwandlungsprodukt Kaolin als ursprüngliche Beimengung, natürlich in unreinem, durch Eisenerzstaub meist getrübtem Zustand auf, ferner Chlorit. Als Neubildung ist besonders Rutil in seinen, dünnen Nädelchen von brauner Farbe zu erwähnen. Als außerordentlich sein verteilte Zwischenmasse (Zement) zwischen dem glimmerartigen Gemengteil tritt häufig noch eine farblose, das Licht einfach brechende Substanz auf, die teils als amorpher Quarz, teils als ein Silikat gedeutet wird. Die schwarze Färbung vieler Dachschiefer wird durch eine außerordentlich seine Beimengung von kohliger Substanz erzeugt, die wahrscheinlich aus der Verwesung von organischen Substanzen hervorging, wie sie in Form von abgestorbenen Tier- und Pflanzenresten mit dem seinen Tonichlamm zur Ablagerung gelangten. Die kohlige Substanz erscheint häufig als Körnchen und Schüppchen von Graphit und amorphem Kohlenstoff. Weitere Gemengteile, aber von untergeordneter Bedeutung, sind Turmalin, Eisenglanz (schwarzfärbend) und Goethit (letzteres färbt den Schiefer rot). Ferner ist Schwefelkies eine häufige, meist gut kristallisierte Neubildung, die indes dem Dachschiefer nicht zum Vorteil gereicht [1].

Die Struktur der Dachschiefer ist eine feinkristalline. Die vorherrschenden Gemengteile, der Glimmer, sind mit ihren ebenen Flächen parallel der Schichtung oder zuweilen auch parallel der Schieferung angeordnet und verleihen dem Gestein auf diesen Flächen im reflektierten Licht einen zarten, seidenartigen Glanz, der den Querflächen vollständig fehlt. Vielfach ist eine seine Fältelung der außerordentlich seinen, durch das glimmerartige Mineral erzeugten Schichtung zu bemerken. Die Spaltbarkeit beruht zum Teil auf der parallelen Lage des Hauptgemengteils, zum Teil auch auf Druckwirkungen (Faltung, Pressung), denen der Schiefer als Gebirgsglied ausgesetzt war und die sich als sogenannte transversale Schieferung unter mehr oder minder spitzem Winkel zur Schichtung in Form von dichtgedrängten Flächen geringerer Kohärenz äußern. In nicht seltenen Fällen ist Schichtung und Schieferung schwer voneinander zu unterscheiden. Die Spaltbarkeit der Dachschiefer ist bei den an neugebildetem glimmerartigen Mineral reicheren Arten eine größere als bei den an solchem ärmeren [2], Ihrer chemischen Natur [3] nach zeigen die Dachschiefer wesentlich die Zusammensetzung eines an überschüssiger Kieselsäure (Quarz, ursprünglich als Quarzsand, Sand vorhanden) und etwas Feldspat reichen, meist eisenschüssigen Tones. Der Dachschiefer von Lehesten in Thüringen enthält: 59,99%. SiO2, 16,29% Al2O3, 13,42% Fe2O3, 0,55% CaO, 1,72% K2O, 3,84% Na2O, 2,71% Glühverlust [2]; derjenige von Nuttlar bei Brilon (Westfalen) nach Fresenius 51,53% SiO2, 18,2% Al2O3, 12,50% Fe2O3 und FeO, 5,88% CaO, 4,38% MgO, 2,82% H2O. Das spez. Gew. liegt zwischen 2,5 und 3,0, meist um 2,6 und 2,7; es steigt besonders mit dem Erzgehalt. Die Härte des Schiefers schwankt um 3 herum.

Die Dachschiefer finden sich in den Tonschieferablagerungen fast aller vortertiärer Gebirgsformationen; die Dach- und Tafelschiefer von Glarus gehören sogar dem ältesten Tertiär an. Sie sind in den ältesten Formationen viel häufiger, weil die Tonschiefer hier einer bedeutenderen Umkristallisation und Neubildung des glimmerartigen Minerales durch Druck, Pressung und chemische Einwirkungen unterlagen. Besonders reich sind die Silur-, die Devon- und untere Steinkohlenformation (Kulm) an zu Dachschiefern verwendeten Tonschiefern, so z. B. im Urtonschiefer Sachsens, im Glimmerschiefer des Riesengebirges, im Silur des Erzgebirges und Fichtelgebirges; im Unterdevon (Hunsrückschiefer) des rheinischen Schiefergebirges, im Mitteldevon Westfalens, im Oberdevon des Sauerlandes; im Kulm (untere Steinkohlenformation) der Lahn- und Dillgegend, in Thüringen (Lehesten, hier geht die Spaltung der transversalen Schieferung parallel), Oesterreichisch-Schlesien und Mähren; im Lias (untere Juraformation), in den kleinen Karpathen u.s.w.

Brauchbare Dachschiefer müssen möglichst frei von Schwefelkies sein, weil dieser bei der Verwitterung sein Volumen vergrößert und den Dachschiefer sprengt. Der Nachweis des Schwefelkieses läßt sich an der Bildung von schwefliger Säure mit ihrem charakteristischen Geruch beim Rotten oder Glühen auf Kohle erkennen. Beträchtlicher Gehalt an Mangan- und Eisenoxydul sind der Verwendung ebenfalls hinderlich. Auch die Gegenwart von vieler kohliger Substanz ist ein Nachteil. Ihre Menge wird durch den Gewichtsverlust beim Glühen des Schiefers bestimmt. Die Gegenwart von kohlensaurem Kalk darf einen gewissen Betrag (15%) nicht überschreiten. Schwefelkies- und Kalkspatbeimengung sprengen den Schiefer beim Brennen und Glühen. Die Porosität des Dachschiefers muß eine minimale fein; im Mittel beträgt sie 0,12% seines Volumens. Die Wasseraufnahme beträgt im gesättigten Zustand etwa 0,5% des Eigengewichtes.[511] Risse und seine Spalten müssen fehlen, und der Stein soll beim Anschlagen hell klingen. Das in Risse und Poren eindringende Wasser würde beim Gefrieren den Stein sprengen. Das Vorhandensein von größeren Quarzkörnern im Schiefer verbietet die technische Verwendung und hemmt besonders die Bohrung der Löcher, auch das Sägen, Feilen und Hobeln der Platten. Die Druckfestigkeit pro 1 qcm betrug im lufttrockenen Zustand 939 kg, im wassersatten 828 kg beim Dachschiefer von Nassau; im Mittel wird sie auf 790 kg angegeben. Für den Schiefer von Raumland bei Siegen wird die Zugfestigkeit auf 185 kg, die Biegungsfestigkeit auf 378 kg für 1 qcm Fläche angegeben. Alle diese Werte wechseln in verschiedener Weise, vor allem je nach der Richtung zur Schichtung und Schieferung. Die Wetterbeständigkeit des guten Dachschiefers ist eine sehr große; Dächer von 300–400 jährigem Alter weisen kaum nennenswerte Veränderungen der Schiefer auf. Als vorzügliches Material gelten die rheinischen und die englischen (Nord-Cornwall) Dachschiefer; letzterer ist leichter (3–4 mm dick) als die deutschen (5–6 mm dick) [4]. Ausgedehnte Gewinnung von rotbraunen und grüngrauen Dachschiefern weisen Belgien, Nordfrankreich (Maastal), dann Schweiz (Graubünden), Böhmen u.s.w. auf. – Zur vorläufigen Prüfung auf Wetterbeständigkeit wird nach Fresenius ein 12 cm langes und 3 cm dickes Schieferstück in eine 1 cm hohe Wasserschicht in einem Glase gestellt. Ein guter Schiefer zeigt sich nach 24 Stunden nur einige Millimeter über der Wasserfläche feucht. Bringt man schweflige Säure hinzu, so verwittert schlechter Schiefer bald, während guter sich monatelang hält [5]. Eingehende Untersuchungen über Wetterbeständigkeit von Dachschiefern und Methoden der Prüfung hat H. Seipp ausgeführt [6].


Literatur: [1] Zirkel, Lehrbuch der Petrographie, 2. Aufl., Leipzig 1894, III, S.744. – [2] Kalkowsky, E., Elemente der Lithologie, Heidelberg 1886, S. 259. – [3] Roth, J., Allgemeine und chemische Geologie, Berlin 1887, II, S. 588. – [4] Gottgetreu, R., Physische und chemische Beschaffenheit der Baumaterialien, Berlin 1880, I, S. 47; Knoch, A., Der Dachschiefer in der Baupraxis, Berlin 1895, II, S. 26; Brunner, Ueber die Wertbestimmung der Dachschiefer, Bayr. Ind.- und Gew.-Blatt 1894. – [5] Industrieblätter 1890, S. 112; Wenkenbach, Fr., Beschreibung des Bergreviers Weilburg, Bonn 1879, S. 117–123. – [6] Seipp, H., Die Wetterbeständigkeit der natürlichen Bausteine mit besonderer Berücksichtigung der Dachschiefer, Jena 1900.

Leppla.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 511-512.
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