Dachziegel

[528] Dachziegel, aus Lehm gefertigte und gebrannte Steine von länglichflacher oder hohler Form, die ein einfaches oder mehrfaches Ueberdecken der Dachfläche gestatten. Die Anwendung der Ziegel zur Dachdeckung geht bis in das graue Altertum zurück. Man weiß, daß sie in Asien bereits vor der griechischen Kulturperiode bekannt waren. Die Griechen und Römer verwendeten flache und hohle Ziegel. Ueber deren formale Ausbildung und Anwendung s. Schlußnote [1]. Die Größe und Formbildung ist nach Landesart, Klima u.s.w. sehr verschieden und geht von 30 bis 50 cm Länge, 10 bis 25 cm Breite bei einer Dicke von 15–20 mm. Ueber die Herstellung s. Ziegelfabrikation, deren Anwendung den Art. Dachdeckung u.a.m.

Die gebräuchlichsten Arten sind: 1. Dachplatte oder Biberschwanz (s.d.), auch Plattziegel, Flachziegel, Dachzunge, Ochsenzunge, Zungenstein; 2. halbe Ziegel, Ortziegel, Schnittlinge, von der halben oder dreiviertel Breite der Dachplatten, dienen zur Eindeckung im Verband (s. Dachdeckung); sie können auch mit dem Hammer aus 1. zugerichtet werden. 3. Hohlziegel (Firstziegel) zur Abdeckung von Firsten und Gräten, ist meist von halbkreisförmigem Querschnitt, ca. 35–40 cm lang, an dem einen Ende 12 cm, am andern 15 cm weit. Zum Halt für den Nachbarziegel sind Nasen oder Falze angebracht; zum Beteiligen an steilen Gräten dienen Nagellöcher. Ueber deren Verwendung zur Eindeckung von Dachflächen, dem Hohlziegel- oder Priegendach s. Hohlziegel. 4. Dachpfanne (Paßziegel, auch Breitziegel, von flacher Form), in Norddeutschland und Holland üblicher, in der Linie eines ~ geformter Ziegel, gleichsam aus zwei Hohlziegeln zusammengesetzt, deren Größe: 35–40 cm lang, 25–30 cm breit und von gleicher Dicke wie 1.–3. 5. Schlußziegel (Kremp- oder Blausteine), im mittleren Teile flach, an den Seiten um etwa 2 cm entgegengesetzt umgebogen zum Zwecke der Ueberdeckung. 6. Deckziegel des italienischen Daches (s.d.) mit seitlich aufgebogenem Falz, ohne Nasen, sind 41–50 cm lang, oben 33–39 cm, unten 25–31 cm breit, so daß sie sich ineinander schieben. Zur Ueberdeckung der Stoßfugen dienen Hohlziegel (Canali) von gleicher Länge. Die Unterlagen bilden kleinere Blättchen (Pianelli) von halber Größe der Deckziegel. 7. Rautenziegel, 28–33 cm im Geviert, mit zwei aufwärts und zwei abwärts gebogenen Falzen, am oberen Eck eine Nase, sind von gefälligem Aussehen und können bei Anwendung verschiedenfarbiger Glasur der Oberfläche eine reiche Musterung des Daches bilden.

Verbesserte Fabrikate, an denen sowohl die Maße als die formale Ausbildung einen wesentlichen Fortschritt zeigen, sind die 8. Falzziegel, erfunden zu Altkirch im Oberelsaß von Gilardoni (Patent von 1841). Bei diesen sind die Stoßfugen wie die Ueberdeckungen durch eine oder mehrfache Ueberfalzungen so gedichtet, daß hiermit eine höchst vollkommene Eindeckung erzielt wird (s. Falzziegeldach). Die hohen Vorzüge dieser Art Ziegel haben[528] zu vielfacher Nachahmung und Ausbildung geführt und sind es besonders linksrheinische Fabriken, z.B. Forbach (Lothringen) und Jochgrimm (Rheinpfalz), die hervorragende Erzeugnisse liefern. Die äußere Ansicht solcher Ziegel zeigt zwischen Falzen der Langseite noch Rauten oder Streifen als Versteifungen der Flächen. Größe der Falzziegel: Länge 35–43 cm, Breite 23–25 cm, Stärke ca. 10–12 mm. 9. Schuppenziegel, ein andres Fabrikat desselben Erfinders, soll die äußere Oberfläche des Daches leichter und gefälliger und dem Schieferdache ähnlich gestalten. 10. Bordziegel, dienen dazu, den Abschluß der Falzziegeldächer am Ortgang in gefälliger Weise zu bilden; sie ersetzen die sonst üblichen Ortgangbretter (s.d.). 11. Kaffziegel, Kappziegel, von der Größe eines oder zweier Falzziegel, mit einer halbkugelförmigen Haube überbaut, die vorn eine Luft- und Lichtöffnung bildet; an Scheunen und Speicherdächern verwendet. 12. Lichtziegel, mit einem Ausschnitt und Falz zur Verglasung, dient wie der Glasfalzziegel (s. Dachfenster) zum Lichteinfall im Dachraum. 13. Kehlziegel, bilden den unteren Rand der Dachflächen an Kehlen, decken die ungleichmäßig abgeschroteten Enden der Falzziegel und bilden eine durchgehende Kante mit Löchern zum Ablauf des Regenwassers. 14. Jossonziegel, eine in Frankreich beliebte, zierliche Ziegelart in Gestalt eines Blattes.

Der gute Dachziegel muß hartgebrannt, von hellem Klang und frostbeständig, die Bruchfläche gleichartig, feinkörnig und ohne eingesprengte Kalkteile sein. Proben der Haltbarkeit sind: 1. die Ueberwinterung, d.h. Aussetzen in Frost und Eis, 2. Begießen mit kaltem Wasser bei Rotglühhitze. Eine rauhe Oberfläche der Ziegel verhindert das rasche Ablaufen des Regenwassers und begünstigt das Ansetzen von Moosen, die durch seine Wurzeln das Losbröckeln der obersten Haut herbeiführen. Diesem Mißstand vorzubeugen, zugleich auch um einen Schmuck des Daches zu bilden, werden die Ziegel mit farbiger Glasur (s.d.) überzogen. Ein einfacheres Verfahren ist das Anräuchern, das schon im Mittelalter in Holland üblich war. S. Ziegelfabrikation.


Literatur: [1] Handbuch der Architektur, 2. Teil, 1. Bd., S. 106 ff., Darmstadt 1881; 2. Bd., S. 204 ff., Darmstadt 1885. – [2] Mothes, Baulexikon, 2. Bd., Leipzig 1882.

Weinbrenner.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 528-529.
Lizenz:
Faksimiles:
528 | 529
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika