Dehnbarkeit

[692] Dehnbarkeit (Duktilität). Alle starren Körper erleiden durch Zug und Druck Formänderungen je nach dem Grade ihrer Härte. Die Formänderungen sind entweder bleibende oder mit den einwirkenden Kräften verschwindende. Im ersteren Falle heißen die Körper plastisch (bildsam, knetbar), im letzteren Falle elastisch. Verbindet sich mit der Plastizität ein genügender Grad von Zähigkeit, von Widerstreben der Teilchen gegen Trennung, so heißen die Körper duktil oder dehnbar.

Die Eigenschaft der größeren oder kleineren Duktilität ist von Stoff zu Stoff und auch in den verschiedenen Zuständen desselben Stoffs sehr verschieden. Zunächst erscheint die Duktilität als eine gewisse Funktion des Atomgewichts, das zeigt das periodische System der Elemente von Lothar Meyer und Mendelejeff; dann hängt dieselbe von der Temperatur ab, meist derart, daß sie mit steigender Temperatur wächst (Eisen und andre Metalle, Glas); ferner ändert sie sich durch die Bearbeitung, indem durch Hämmern, Walzen, Ziehen die Duktilität ab-, die Elastizität zuzunehmen pflegt; durch rasches Abkühlen nimmt die Duktilität ab, die Sprödigkeit zu; bei langsamem Abkühlen erhält sich die Duktilität auch in der Kälte. – Sehr großen Einfluß haben oft kleine Verunreinigungen und Beimengungen andrer Stoffe, wie z.B. Kohlenstoff, Schwefel, Silicium, Phosphor, bei Eisen und Kupfer. Derselbe Körper erscheint je nach seiner Inanspruchnahme auf Zug oder Druck (Ziehen oder Walzen) oder je nach der Geschwindigkeit der Einwirkung (Hämmern) verschieden duktil, so daß sich eine Stufenleiter der Duktilität nicht sicher angeben läßt, wie überhaupt ein bestimmtes Maß für diese Eigenschaft der Körper fehlt. Unter den Metallen sind duktil: Gold (Blattgold bis unter 0,01 mm Dicke herstellbar), Silber, Platin (weniger beim Hämmern und Walzen als beim Ziehen), Kupfer, Blei, Zinn, Aluminium, Zink, Eisen u.a., während dagegen Antimon, Wismut, Chrom, Mangan, Wolfram u.a. spröde Metalle sind. Ein ganz besonderes Verhalten zeigt das Zink, das gegossen bei gewöhnlicher Temperatur spröde, bei 205° so spröde ist, daß es sich im Mörser pulvern läßt. Dagegen zeigt es sich bei 100–150° walzbar und bewahrt gewalzt auch nach dem Abkühlen Dehnbarkeit und Biegsamkeit. Aehnlich sind Blei und Zinn nahe bei ihrem Schmelzpunkt spröde. Kupfer ist kalt leichter zu schmieden als warm, und Glockenmetall verhält sich umgekehrt wie der. Stahl, es wird, glühend rasch abgekühlt, hämmerbar, langsam abgekühlt hart und spröde. Das Nähere über Dehnbarkeit s. bei den einzelnen Körpern, besonders den Metallen und Legierungen.

Aug. Schmidt.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 692.
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