Einspannvorrichtungen [1]

[253] Einspannvorrichtungen zu Festigkeitsuntersuchungen müssen derart angeordnet sein, daß außer der gewünschten Belastung keine Nebenspannungen in dem Versuchsstück entstehen. So ist beim Biegeversuch zur Vermeidung von Torsionsspannungen für gleichmäßige Auflage der Probe an den Stützstellen in der ganzen Breite und beim Torsionsversuch zur Vermeidung von Biegungsspannungen für sichere axiale Lagerung der beiden Stabenden Sorge zu tragen. Beim Zerreißversuch sind Biegungsspannungen und Torsionsspannungen zu verhüten, und ferner ist ebenso wie beim Druckversuch darauf Bedacht zu nehmen, daß die Belastung sich gleichmäßig über den ganzen Querschnitt der Probe verteilt.

Mängel der Einspannung nach irgend einer der genannten Richtungen beeinträchtigen die Widerstandsfähigkeit des Materiales gegen die beabsichtigte Belastung; so beginnt z.B. nach den Versuchen von Bauschinger der Bruch bei ungleichförmig verteiltem (exzentrischem) Druck an der gefährlichsten Stelle, wenn die Druckspannung daselbst den Wert erreicht, bei dem bei gleichmäßig verteilter Belastung der Bruch erfolgt [1]. Druckproben werden daher zum Ausgleich mangelnder Parallelität der beiden Druckflächen zwischen ebenen Platten geprüft, von denen die eine in der Regel in einem Kugellager beweglich ist (s.a. Druckversuch).

Bei Zerreißversuchen mit Rundstäben, die verstärkte Enden (Köpfe) besitzen, erfolgt die Einspannung am besten in der Weise, daß die einander zugewendeten Kopfflächen zur Uebertragung der Belastung auf den Stab ausgenutzt werden. Hierzu dienen geteilte Ringe r (Fig. 1), die den Stab umgreifen und mit ihm in den Einspannkopf K der Maschine eingelegt werden. Sind die Stäbe zur Anwendung dieser Einspannweise zu kurz, so gestaltet man die Stabköpfe konisch oder verlieht ihre Mantelfläche mit Gewinde und verbindet sie nach Fig. 2 und 3 mit Verlängerungsstücken. Hierbei sind die Konen sowie die Gewinde auf den Stabköpfen und in der Verbindungsmutter sorgfältig herzustellen, damit die Achse des Probestabes mit der gemeinsamen Achse der beiden Verlängerungsstücke zusammenfällt.

Die Einspannung nach Fig. 1 erfordert, daß die tragenden Kopfflächen senkrecht zur Stabachse stehen und die Stützflächen der beiden Einspannköpfe K nicht nur parallel, sondern auch konzentrisch zueinander liegen, damit keine Biegungsspannungen im Stabe entstehen. Diese drei Bedingungen sind äußerst schwer zu erfüllen, man wendet daher zweckmäßig auch bei Zugversuchen Kugellager an. Ihre Anordnung ist derart, daß hinter die Kopfflächen der Stäbe Kugelkalotten gelegt werden, die ihrerseits wieder in kugelförmigen Höhlungen der zur Zerreißmaschine gehörigen Einspannklauen oder besonderer in letztere eingelassenen Schalen gelagert werden. Am zweckmäßigsten ist es, die Kalotten a (Fig. 4) als geschlossene Ringe auszubilden, deren zentrische Bohrung nach der Kugelfläche zu gerade groß genug ist, um den Stabkopf hindurchzulassen. Der obere Teil der Bohrung ist zur Aufnahme des geteilten und schwach konisch gebohrten Ringes r erweitert, der unmittelbar unter dem Kopf um den Schaft des Stabes herumgelegt wird [2]. Die Wirkung der Kugellager soll darin bestehen, daß sie sich beim Beginn der Belastung selbsttätig so weit drehen, daß die ringförmige Auflagefläche des Kopfes auch dann vollständig zur Anlage kommt, wenn sie bei fehlerhafter Bearbeitung des Stabes nicht senkrecht zu dessen Achse steht. Ferner sollen die Kugellager auch im weiteren Verlauf des Versuches sich verstellen können, damit die Stabachse zur Vermeidung von Biegungsspannungen stets in der[253] Zugrichtung bleibt, selbst wenn die Einspannteile der Maschine sich unter seitlichen Bewegungen in diese erst bei höheren Belastungen einstellen. Diese zweite Bedingung ist wegen der Reibung zwischen den Kugelflächen nicht vollkommen zu erfüllen [3]. Damit die Stabachse auch bei größeren Bewegungen der Kugellager in der Achse der Maschine (Kraftrichtung) verbleibt, sollte der Kugelmittelpunkt bei m (Fig. 4) liegen. Eine besondere Art von Kugellager, wie sie von Mohr & Federhaff, Mannheim, ausgeführt wird, zeigt Fig. 5. Diese Anordnung hat den Vorzug leichterer Beweglichkeit des Kugellagers; die Stabachse gerät aber aus der Maschinenachse heraus.

Größere Flachstäbe werden zu ihrer Einspannung entweder bei hinreichend breiten Köpfen in diesen mit Bohrungen versehen, deren Mitten genau in der Mittellinie des Stabes liegen müssen, und werden dann mittels Bolzen festgelegt, oder sie werden mit Hilfe von gezahnten oder aufgerauhten Beilegekeilen zwischen nach vorne konisch verengten Mäulern eingespannt. Bauschinger empfahl, keilförmige Riesen senkrecht zur Stabachse in die Kopfflächen mit demselben Werkzeug einzufräsen, mit dem auch die Zähne der Keile hergestellt wurden (Fig. 6). Die Ausführung dieser Arbeit ist äußerst schwierig, und auch bei größter Sorgfalt werden nur selten die Bedingungen erfüllt sein, daß die Riesen senkrecht zur Stabachse stehen, an demselben Stabende einander auf beiden Seiten genau gegenüberliegen und in alle vier Flächen in der ganzen Breite gleich tief eingeschnitten sind. Ferner darf auch der Stab selbst nicht im geringsten windschief sein. Abweichungen von diesen Bedingungen verursachen, wenn die beiden Gleitflächen des Keilpaares starr miteinander verbunden sind, Biegungs- und Torsionsspannungen. Bei der Einspannvorrichtung Bauart Gravenstaden (Fig. 7) sind Torsionsspannungen dadurch beseitigt, daß die Gleitflächen in einem Konus verstellbar angeordnet sind. Unzweckmäßig sind dagegen die gewölbten Greifflächen der Keile. Sie erzeugen Biegungsspannungen im Stabe, sobald sie gegeneinander sich verstellen. Als am zweckmäßigsten hat es sich erwiesen, die Stabköpfe nach beiden Seiten symmetrisch zur Mittellinie um weniges zu verschwächen, so daß die Keile, die nun am besten mit Feilenhieb versehen werden, nur in der Mitte zwischen a ~ a und b ~ b (Fig 8) auf den Kopfflächen aufliegen. Die gleichmäßige Verteilung der Belastung über den ganzen Stabquerschnitt wird allerdings bei der letztbeschriebenen Einspannweise erst in einiger Entfernung von den Köpfen erreicht, so daß man mit der Meßlänge zur Bestimmung der Dehnung nicht bis unmittelbar an die Stabköpfe herangehen darf (s. Zerreißversuch); vollkommen wird sie indessen auch durch Anwendung gezahnter Keilbeilagen und Stäbe mit eingefrästen Riesen in den Köpfen nicht erreicht [4].

Einspannklauen mit festen konischen Flächen bedingen selbst bei geraden Stäben von gleichmäßiger Dicke zur Vermeidung von Verbiegen in Richtung der Schmalseiten, daß die Achsen der beiden Klauen A und B genau zusammenfallen (Fig. 9) und die Neigungswinkel y zu den Keilen passen. Es ist daher zweckmäßig, die Gleitflächen für die Keile durch eingelegte Zylinderabschnitte a einstellbar zu gestalten. Zur Einspannung von Flachstäben mit trapezförmigem Querschnitt dient die Anordnung Fig. 10 von Mohr & Federhaff, Mannheim. Bei ihr stecken die beiden Keile auf einem Dorn, der durch den Stabkopf hindurchgeht. Die Keile können sich daher nicht gegeneinander verschieben, wohl aber auf dem Dorn sich derart verdrehen und den schiefen Flächen des Stabes entsprechend sich so einstellen, daß ihre Gleitflächen den gleichen Winkel miteinander bilden wie die Stützflächen in den Einspannklauen der Maschine.

Die vollkommenste Einspannung bildet auch bei Flachstäben das Kugellager. Die einfachste Form der Ausführung zeigt Fig. 11. K ist die Kugelschale, in welcher der Stabkopf mit den Beilagen a eingeklemmt ist, so daß Stab und Kugelschale gleichsam ein Ganzes bilden. Die Beilagen a werden[254] zweckmäßig als Zylinderabschnitte ausgebildet, so daß sie lieh auch bei Stäben von rhombischem Querschnitt in der ganzen Breite an den Kopf anlegen. Bei der Anordnung Fig. 9 wird Kugellagerung erreicht, wenn man an Stelle der Zylinderabschnitte a Kugelabschnitte in die Klauen einläßt. Kleinere Flachstäbe, deren Dicke im Verhältnis zur Breite groß ist, werden vorteilhaft auf den schmalen Seiten der Köpfe mit gewindeartigen Einschnitten versehen und dann, eventuell unter Anwendung geeigneter Beilagen, durch Muttern mit Verlängerungsstücken verbunden.

Für Drähte oder Rundgängen ohne Köpfe eignen sich ebenfalls Beilagen in Form aufgerauhter Keile am besten zur Einspannung. Bei weichem, dehnbarem Probematerial führt diese Einspannweise ohne besondere Schwierigkeit zu Brüchen außerhalb der Einspannung, indem die Dehnung der Probe durch die Reibung an den Keilen verhindert und dadurch das Tragvermögen des innerhalb der Einspannvorrichtung gelegenen Stabteiles erhöht wird. Bei hartem, wenig oder gar nicht dehnbarem Material entfällt diese vorteilhafte Wirkung. Die Keile müssen daher verhältnismäßig lang gewählt und so geformt werden, daß der Keildruck an der Eintrittsstelle der Probe in die Einspannvorrichtung gleich Null ist und erst nach hinten hin allmählich wächst, weil die Proben sonst zwischen den Keilen abgekniffen werden. Eine zweite Einspannweise für Drähte besteht in der Anwendung von Scheiben mit möglichst großem Durchmesser, die, gegen Drehung gesichert, so mit der Zerreißmaschine zu verbinden sind, daß die Zugachse tangential zu den Scheibenumfängen liegt. Die Drahtenden werden an den Scheiben festgelegt, nachdem der Draht um beide Scheiben geschlungen ist. Hierbei soll der Gleitungswiderstand auf den Scheiben die Gefahr des Abkneisens an der Einspannstelle beseitigen. Auf demselben Grundsatz beruht die von Koning & Bienfait beschriebene Einspannvorrichtung für dünne Drähte von 0,3–5 mm Durchmesser aus weichem Material. Bei ihr sind Rollen verwendet, die im mittleren Teil auf einen geringeren Durchmesser abgedreht und durchbohrt sind. Der Draht wird durch die Bohrung gefleckt, einigemal um den dünneren Teil der Rolle gewickelt und dann wird letztere senkrecht zur Zugrichtung mit den stärkeren Enden zwischen den Beißkeilen der Maschine festgelegt [5]. – Zur Einspannung von Drahtseilen haben sich nach den in der Königlichen Mechanisch-technischen Versuchsanstalt zu Berlin angestellten Untersuchungen [6] das Baumannsche und Kortümsche Seilschloß sowie das konische Gehäuse mit Metalleinguß am besten bewährt (Fig. 12–14). Mit allen dreien wurde bei stetig gesteigerter Belastung die volle Seilfestigkeit erzielt, gleichviel ob die Seilbrüche im freien Teil der Probe oder an der Befestigungsstelle erfolgten; bei Schlagdauerversuchen dagegen stand die Befestigung nach Fig. 14 hinter denen nach Fig. 12 und 13 zurück. Bei der ersteren rissen die Seile nach 605600–1948090 mkg Schlagarbeit vollständig durch, während bei dem Kortümschen Schloß nach 4000000–5359200 mkg nur einzelne Drahtbrüche wahrgenommen wurden und bei dem Baumannschen Schloß nach 4821000 mkg nur ein einzelner Drahtbruch sich zeigte. Bei beiden Schlössern werden die Seilenden mit Hilfe von Keilen in konischen Gehäusen festgelegt.

Die Keile beim Baumannschen Schloß (Fig. 12) werden aus leicht schmelzbarem Metall gefertigt; sie tragen auf den Greifflächen einen Abdruck der Seiloberfläche, indem ein Probeabschnitt des Seiles umgossen und die Keile aus dem Gußstück herausgearbeitet werden. Kortüm fertigt die Keile nach dem obenangeführten Prinzip der allmählichen Zunahme des Keildruckes nach dem hinteren (stärkeren) Keilende hin und versieht die Greifflächen zur Vermehrung der Reibung mit Zähnen, die spiralförmig angeordnet werden, so daß sie in die Vertiefungen zwischen den einzelnen Litzen hineinragen (Fig. 13). Bei Anwendung des konischen Gehäuses mit Metalleinguß (Fig. 14) wird das Gehäuse über das Seilende geschoben und letzteres in seine einzelnen Drähte aufgelöst. Nachdem diese dann verzinnt und umgelegt sind, wird das Gehäuse über den entstandenen Drahtbüschel übergeschoben und mit leicht schmelzbarem Metall ausgegossen, so daß die einzelnen Drähte eingeschlossen sind. Tetmajer empfiehlt zum Vergießen im allgemeinen eine Legierung aus 80 Gewichtsteilen Zinn, 10 Gewichtsteilen Kupfer und 10 Gewichtsteilen Antimon und für Seile aus hartem Tiegelgußstahldraht folgende Legierung: 9 Gewichtsteile Blei, 2 Gewichtsteile Antimon und 1 Gewichtsteil Wismut [7]. Für Flachseile hat die Compagnie des Mines de Houme de Blanzy eine Einspannvorrichtung angegeben [8], bei der ebenfalls Keile angewendet werden. Die Gleitflächen der Keile laufen auf Rollen und die Greifflächen sind mit einer hinreichend w eichen Legierung ausgegossen, in welche die Unebenheiten der Seiloberflächen sich eindrücken sollen.

Hanfseile sind ebenfalls entweder mit Hilfe von Kortümschen Seilschlöffern oder[255] mittels des Gehäuses mit Metalleinguß einzuspannen. Zum Einguß sind hierbei die am leichterten schmelzbaren Wismutlote zu verwenden.


Literatur: [1] Bauschinger, Mitteilungen aus dem Mechanisch-technischen Laboratorium zu München, Heft 6, S. 17. – [2] Rudeloff, Hilfsmittel und Verfahren der Materialprüfung, Leipzig 1889. – [3] Mitteilungen aus den K technischen Versuchsanstalten zu Berlin, 1893, S. 33. – [4] Bauschinger, Mitteilungen aus dem Mechanisch-technischen Laboratorium zu München, Heft 14, S. 287. – [5] Baumaterialienkunde 1902, S. 374. – [6] Mitteilungen aus den K. technischen Versuchsanstalten zu Berlin, 1888, Heft 5, und 1893, Heft 4. – [7] Tetmajer, Mitteilungen der Anstalt zur Prüfung von Baumaterialien am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich, Heft 4, 1890, S. 234. – [8] Rudeloff, Das Materialprüfungswesen auf der Pariser Weltausstellung, Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes, 1901, S. 67.

Rudeloff.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5.
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Fig. 6., Fig. 7., Fig. 8.
Fig. 6., Fig. 7., Fig. 8.
Fig. 9.
Fig. 9.
Fig. 10., Fig. 11.
Fig. 10., Fig. 11.
Fig. 12.
Fig. 12.
Fig. 13.
Fig. 13.
Fig. 14.
Fig. 14.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 253-256.
Lizenz:
Faksimiles:
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