Schloß [1]

[729] Schloß (château, castle), der Wohnbau eines Fürsten, auch das Herrenhaus eines großen adeligen Gutes.

Aus der mittelalterlichen Burg (s.d.) hervorgegangen, war früher das Schloß befestigt. In den späteren Zeiten konnte hiervon abgesehen werden, dagegen war nun den verschiedensten gesteigerten Anforderungen Rechnung zu tragen [1]. Als einfacher Steinbau und Schmucklos steht das adelige Schloß auf entlegenem Gutsbesitz oder umgeben von den Hütten eines Dorfes;[729] das reichere, in belebter Gegend stehende ist mit Giebeln, einem Treppenturm oder mit mehreren Ecktürmen geschmückt. Das Jagdschloß im Waldgebiet und das Lustschloß (Fig. 1 und 1a) in der Umgebung eines fürstlichen Wohnsitzes sind nur für kurzen Aufenthalt oder Festlichkeiten bestimmt. Das große Schloß eines Fürsten erfordert jedoch eine weitverzweigte Anlage. Außer der herrschaftlichen Wohnung für die einzelnen Glieder der Familie sind Empfangs- und Gesellschaftszimmer mit Speisesälen u.s.w., Vor- und Wartezimmern anzuordnen, die Zugänge, Vorhallen und Treppenanlagen bequem unter sich verbinden. Ost sind Bücher-, Gemälde- oder Waffensammlungen, auch Theater und Kirche anzuschließen. Ferner ist für die Zimmer des Gefolges, der Dienerschaft, der Gälte u.s.w. Sorge zu tragen; auch sind Wirtschaftsräume, Stallungen und Wagenschuppen in genügender Größe und Anzahl anzuordnen. Die Wohn- und Gesellschaftsräume sollen vornehm, aber von bequemer Einrichtung sein. Die Diener- und Wirtschaftsräume sollen abseits liegen, jedoch leicht zugänglich sein. Allen diesen Anforderungen wird seiten durch Anordnung eines einzigen Gebäudes entsprochen werden können, vielmehr wird durch Gruppierung mehrerer Gebäude um einen oder mehrere Höfe eine sachgemäße Gestaltung und große Gesamtwirkung sich erzielen lassen. Während[730] die Schlösser in den Landeshauptstädten meist aus den älteren Anlagen mit den wachsenden Bedürfnissen sich allmählich entwickelt haben, zeigen die Residenzen der weltlichen und der geistlichen Fürsten des 17. und 18. Jahrhunderts Neuanlagen von vornehmer und großzügiger Anordnung in verschiedenster Größe. In der nächsten oder weiteren Umgebung der Hauptstadt erbaut und von weiten Gartenanlagen umgeben, sind es meist Nachbildungen des großen Versailler Königsschlosses (erbaut 1660 bis 1710) [2]. In Deutschland sind hier zu nennen: das Schloß zu Würzburg (1722–1744) [3] (Fig. 2), Mannheim, Stuttgart (1746–1807), Ludwigsburg (1704–1733) [4] (Fig. 3 und 3a), Wilhelmshöhe bei Cassel, Schleißheim (1680–1700) [5], Nymphenburg bei München, Potsdam (1660–1700), Schönbrunn bei Wien (1696) u.a.m. In Italien ist als großartiges Beispiel das Schloß zu Caserta bei Neapel (1732, Architekt Vanvitelli) [6] anzuführen. Auch die übrigen europäischen Länder bieten noch eine Menge glänzender Beispiele, worüber ausgedehnte Literatur.


Literatur: [1] Viollet-le-Duc, Dictionnaire raisonné de l'Architecture française etc., Paris Bd. 3, Château, S. 173 ff. – [2] Les Plans, Profils et Elévations de Ville et Château de Versailles, Paris 1714. – [3] Keller, Balthasar Neumann, Würzburg 1896. – [4] Paulus, E., Die Kunst- und Altertumsdenkmale im Königreich Württemberg (Neckarkreis), Stuttgart 1889. – [5] Seidl, G.F., Das Kgl. Lustschloß Schleißheim, Leipzig 1885. – [6] Vanvitelli, B., Dichiarazione dei disegni del Reale Palazzo di Caserta, Neapel 1756. – [7] Gurlitt, Corn., Geschichte des Barockstils, des Rokoko etc., Stuttgart 1887.

Weinbrenner.

Fig. 1., Fig. 1a.
Fig. 1., Fig. 1a.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 3a.
Fig. 3a.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 729-731.
Lizenz:
Faksimiles:
729 | 730 | 731
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten

Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten

Anders als in seinen früheren, naturalistischen Stücken, widmet sich Schnitzler in seinem einsamen Weg dem sozialpsychologischen Problem menschlicher Kommunikation. Die Schicksale der Familie des Kunstprofessors Wegrat, des alten Malers Julian Fichtner und des sterbenskranken Dichters Stephan von Sala sind in Wien um 1900 tragisch miteinander verwoben und enden schließlich alle in der Einsamkeit.

70 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon