[433] Elfenbein (animalisches), bestimmte Zähne von sechs lebenden und einem ausgestorbenen Tiere, und zwar: 1. die Stoßzähne des afrikanischen und 2. die des asiatischen Elefanten, 3. die stark gekrümmten Stoßzähne des (ausgestorbenen) Mammuts (Elephas primigenius), 4. die vier Eck- und acht Schneidezähne des Nilpferdes, 5. die Eckzähne des Walrosses (Trichechus rosmarus), 6. die Vorderzähne des Narwals (Monodon monocerus), 7. die Unterkieferzähne des Pottwales oder Kachelot (Physeter macrocephalus) [5].
Das meiste Elfenbein des Handels stammt vom afrikanischen Elefanten und wird nach der Herkunft als weltafrikanisches, lebendes oder Glasbein, und als ostafrikanisches, totes oder Milchbein, unterschieden [2], [3], [6]. Ersteres ist hart und durchscheinend, letzteres weicher, undurchsichtig und weiß. Von Afrika gelangen jährlich etwa 800000 kg im Werte von 11 bis 17 Millionen Mark in den Handel, wovon 640000 kg nach Europa, 100000 kg nach Asien und 60 000 kg nach Amerika gehen [5]. Die Stoßzähne der Elefanten sind eigentümlich entwickelte Vorderzähne, schwach und in einer Spirale gekrümmt, in den seltensten Fällen über 2 m lang, bis 60 kg schwer, die vom Weibchen flammenden wiegen meist nur 58 kg; Zähne mit 100 kg und darüber sind höchst seltene Ausnahmen; die kleinsten und meist gebrochenen Elefantenzähne werden Crivellen oder Escrivellen genannt.
Zum Verständnis der technischen Eigenschaften ist die Kenntnis des exomorphen und endomorphen Baues eines Zahnes überhaupt notwendig [1], [4], [5], [7]. Nach der stofflichen Beschaffenheit unterscheidet man Horn- und Dentinzähne; letztere werden wieder nach der Art ihres Wachstums in geschlossene, Wurzeln besitzende, und in offene, wurzellose oder nachwachsende, Zähne eingeteilt. Alles Elfenbein besteht nur aus nachwachsenden Zähnen. Ein solcher Zahn stellt im allgemeinen einen hohlen Kegel vor, dessen Höhlung von einer nervenreichen Masse (Pulpa, Zahnkeim) ausgefüllt ist. Die Hauptmasse des Zahnes besteht aus Dentin (Eburin, Zahnbein), das an jenen Zähnen, deren freier Teil als sogenannte Krone entwickelt ist, von einer besonders harten und spröden Substanz, dem Schmelz oder Email, überzogen ist. Den Stoßzähnen der Elefanten fehlt der Schmelz. Die Wurzel geschlossener Zähne ist von einer sehr verschieden mächtigen Hülle, dem Zement, umgeben, der den Bau und die Beschaffenheit eines echten Knochens (kenntlich an den sogenannten Knochenkörperchen und den Haversschen Kanälen) besitzt. Am Elefantenzahn bildet dagegen die Zementschichte (in der Praxis »Rinde« ) eine dünne Hülle auch um den freien (hervorragenden) Teil. Endlich ist in vielen Zähnen noch ein pathologisches Produkt vorhanden, das aus der Pulpa durch Verknöcherung von Teilen derselben hervorgeht und Osteodentin genannt wird. Im Elefantenzahn tritt es in Form von rundlichen Knollen, die Faustgröße erreichen können und in der Praxis Pocken heißen, auf; im Walroßzahn findet man die ganze Pulpa in Osteodentin umgewandelt und nennt dieses wegen seines eigentümlichen marmorierten Aussehens in der Praxis Maser. Bezüglich der Abnutzung des Zahnes durch den Gebrauch und des Ersatzes durch Nachwachsen ist folgendes zu bemerken: Der jugendliche Zahn verliert durch den Gebrauch allmählich von seiner Spitze so viel, daß die Pulpa schließlich bloßliegen würde; sie hat aber unterdessen neues Dentin produziert und die früher von der Pulpa am Spitzenende eingenommene Höhlung mit Osteodentin ausgefüllt; dieses Osteodentin bildet also von der lebenden Pulpa an bis zur Spitze des Zahnes einen gewissermaßen axialen Streifen; das neu gebildete Dentin legt sich an das vorhandene an, und demnach besteht der Zahn aus zahlreichen ineinander geschachtelten Dentinkegeln, deren Spitzen aber durch den Osteodentinstreifen geschlossen sind. Betrachtet man nun die Oberfläche eines vollständigen, zentralen polierten Längsschnittes des Stoßzahnes, so zeigt sich zunächst die Spur der Pulpahöhlung in Form eines dunkeln Streifens bis zur Spitze des Zahnes; ferner sieht man eine dünne (1 mm messende) Rinde (Zement), das Dentin und das Osteodentin, wenn letzteres nennenswert entwickelt ist. An dem Dentin lassen sich vier Systeme von Linien unterscheiden: a) Außerordentlich seine, wellige, senkrecht zur Außenfläche des Zahnes stehende Linien, nur mit starker Lupe sichtbar. Das Dentin besteht nämlich aus einer entweder homogenen oder aus kleinen Kügelchen zusammengesetzten Grundsubstanz, in der höchst zahlreiche, sehr seine (über 1 mm breite) Kanälchen, die Dentinkanäle, eingebettet sind. Von diesen rührt die wellige, stets (auch bis zur Spitze) radial laufende Streifung her. b) Breitere, mit freiem Auge wahrnehmbare, gegen die Zahnspitze konvergierende, teils weiße, teils gelbliche oder rötliche Streifen, die von den Zuwachskegeln des Dentins herrühren und daher als Zuwachszonen zu bezeichnen sind. In besonders starker Entwicklung erscheinen sie am Querschnitt als Ringe, die zur Bezeichnung des geringelten Elfenbeins Anlaß gegeben haben. Nach diesen Linien, richtiger Flächen, ist das Mammutelfenbein (s. unten) häufig zerklüftet, c) Sehr zarte, mit den vorigen parallel laufende, die Dentinkanäle senkrecht kreuzende Linien werden von den sogenannten Interglobularräumen verursacht. Es wurde oben gesagt, daß die Grundsubstanz des Dentins aus homogener Masse oder aus Kügelchen (Globuli) besteht; in jedem Falle, besonders aber in dem zweiten Falle, bleiben kleine, unregelmäßige Räume frei (was bei der Globularstruktur selbstverständlich ist), die Interglobularräume heißen und die im Stoßzahn schichtenweise dichter gelagert sind, daher dem freien Auge in ihrer Gesamtheit als zarte Linien, Konturlinien genannt, imponieren, d) Endlich sieht man noch parallel mit der Oberfläche verlaufende ziemlich breite Bänder, die als Schregersche Linien schon lange bekannt sind. Dieselben bilden am Querschnitte die für echtes Elfenbein so charakteristischen rhombischen Netzmaschen, deren längere Achse tangential liegt. Die Erklärung derselben ist nach v. Höhnel folgende: Die Dentinkanäle haben einen sehr regelmäßig welligen Verlauf. Fällt das Licht senkrecht auf die Dentinkanäle, so erscheint jede Welle zur Hälfte hell und zur Hälfte dunkel. Da nun die aufeinander folgenden Kanälchen miteinander parallel laufen, so entstehen[433] abwechselnd hellere und dunklere Streifen von einer Breite gleich einer halben Wellenlänge, welche Streifen natürlich auf den Dentinkanälchen senkrecht stehen. An entsprechenden Querschliffen sieht man, daß die Kuppen der Wellenberge ganz so wie die Schregerschen Linien verlaufen. Dabei sind die Wellenlängen periodisch größer und kleiner, wodurch die rhombischen Maschen entstehen [5].
Afrikanisches Elfenbein ist etwas härter als Steinsalz, höchst elastisch, weiß, wird mit der Zeit gelb (dunkelt nach), läßt sich nach allen Richtungen gleich leicht bearbeiten (auch färben), nimmt eine schöne, dauerhafte Politur an, es ist weniger spröde als Knochen, beim Austrocknen leicht dem Werfen, Verziehen und Reißen ausgesetzt. Gelb gewordenes läßt sich bleichen.
Das indische Elfenbein besitzt dieselben Eigenschaften, nur ist es etwas seiner und zäher; die Stoßzähne des indischen Elefanten (von Bengalen, Assam, Birma, Malakka, Sumatra) sind auch kleiner als die des afrikanischen. Elfenbein wird zu den verschiedensten Gegenständen verarbeitet. Die vier Hauptobjekte sind: Billardkugeln, Messergriffe (in Sheffield jährlich 200000 kg), Kämme und Klaviertaften; ferner werden Papiermesser, Broschen, Ringe (für Kinder), Stockgriffe, Fächer, Buch- und Bürstendeckel, unzählige Kunstgegenstände daraus verfertigt. Zentren der Elfenbeinverarbeitung sind außer Sheffield noch Wien, Dieppe und Fürth, Geislingen bei Ulm, das bayrische Hochland, Leipzig. Chinesen und Japaner haben eine besondere Eignung zu künstlerisch ausgeführter Kleinarbeit in Elfenbein. Geraspeltes Elfenbein (Abfall) dient als Streusand, feingemahlenes als Füllmaterial und zur Darstellung künstlicher Bälle. Die Elfenbeinbillardbälle werden meist aus kleinen Zähnen (vom weiblichen Elefanten) hergestellt; die vorgeschnittenen Ballstücke müssen wenigstens drei Monate lagern, damit sie gehörig austrocknen [2].
Das Mammutelfenbein vom Mündungsgebiet der Lena in Sibirien, entweder im Eise oder im Gerölle, im Boden und in Höhlen gesammelt, flammt von größeren, 33,5 m langen, und von kleineren, höchstens 2 m langen Zähnen, die kreisförmig und spiralig nach außen gebogen sind, an der Basis etwa 30 cm messen und gegen die Spitze sich stark verdünnen. Gewicht des Zahnes bis über 250 kg, zumeist von 6075 kg. Die außen unsichtbaren Rundritte (tangentiale Spalten) beeinträchtigen den Wert dieser Ware außerordentlich; unter 100 Zähnen sind oft nur 30 Zähne brauchbar. Es ist härter und spröder als echtes Elfenbein und hat im allgemeinen denselben Bau. Die Zementschicht enthält zahlreiche Haverssche Kanälchen (2025 μ, s. Knochen), während echtes Elfenbein dieselben nur in sehr spärlicher Menge besitzt. (Bezüglich des feineren Baues dieses und der folgenden Elfenbeinarten s. insbesondere [5].)
Das Nilpferdelfenbein (Hippopotam) ist ausgezeichnet weiß und hart, besonders das von den unteren Eckzähnen flammende. Die unteren Eckzähne sind halbkreisförmig gekrümmt, außen gefurcht, am Querschnitt abgerundet dreieckig, bis 60 cm lang und mit Ausnahme der Reibflächen ganz mit weißem Schmelz bedeckt; sie zerspringen beim Trocknen in zwei gleiche Längshälften [5], [7]. Die Härte ist nur wenig geringer als die des Kalkspates. Die Linienstreifung ist bei weitem seiner und daher viel weniger auffallend. Am Radialschnitte sind die Dentinkanäle 25 μ breit, zonenweise um 90° gedreht mit ziemlich unregelmäßigem und kurzem, wellenförmigem Verlaufe. Am Tangentialschnitte fallen die großen, locker gestellten Querschnitte der Dentinkanäle auf, die in Reihen angeordnet sind [5], [7].
Das Walroßelfenbein flammt von den schwach gekrümmten und stark flachgepreßten, bis 1 m langen, 36 kg schweren, stark ausgehöhlten, mit Maser versehenen Hauern des Walrosses. Der Maser oder Kern ist Osteodentin und bildet die Hauptmasse des Zahnes. Vom Alaskaterritorium (Nordamerika) werden jährlich 50000 kg Walroßzähne in den Handel gebracht.
Das Narwalelfenbein (Schwertfischhorn des Handels) ist der 23 m lange, bis 12 cm dicke, vollkommen gerade, an der Oberfläche spiralig (nach rechts) gedrehte, mit Furchen und Sprüngen versehene Vorderzahn des Narwals, äußerst selten ist auch der zweite Vorderzahn entwickelt. Die Spitze ist scharf, ohne Schmelzkappe. Der Zahn besteht aus Dentin mit Zementrinde, Osteodentin fehlt. Der Radialschnitt zeigt die Dentinkanälchen geschlängelt verlaufend und verzweigt, die Interglobularräume sehr groß, in netzförmigem Zusammenhang. Im Querschnitt sind die Dentinkanäle gerade, die Interglobularräume groß und zu zahlreichen Konturlinien geordnet. Der Wert dieser Elfenbeinsorte ist sehr gering. Ebenso wenig geschätzt ist das Pottwalelfenbein, das von den Unterkieferzähnen herrührt und im Innern dunkel gefärbt ist.
Nachahmungen des Elfenbeins (imitiertes Elfenbein) geschehen mit Celluloid (s.d.), Galalith, Tonerdeleim u.a.m. [2]. Sie bilden mit dem vegetabilischen Elfenbein die Elfenbeinsurrogate.
Literatur: Allgemeines: [1] Owen, Odontography, London 1840. Ueber Warenkunde und Technologie des Elfenbeins: [2] Hanausek, Eduard, Die Technologie der Drechslerkunst, Wien 1884. Ueber Handels- und geographische Verhältnisse: [3] Westendarp, W., Mitteil. der Geographischen Gesellschaft in Hamburg, 18781879, S. 201 und 213. Ueber Mikroskopie: [4] Obermeyer, Fritz, Jahresbericht der Wiener Handelsakademie, 1881 (mit guten Abbildungen). [5] Höhnel, s. v., Beitrag zur Kenntnis der technisch verwendeten Elfenbeinarten, Zeitschr. für Nahrungsmitteluntersuchung, Hygiene und Warenkunde, 1892, S. 141144, 183188, 205211 (die ausführlichste, mit vielen Literaturangaben versehene Arbeit). [6] Spengler, Ueber die Eigenschaften des Elfenbeins, Dingl. Polyt. Journal, Bd. 46, S. 276. [7] Hanausek, T.F., Lehrbuch der techn. Mikroskopie, Stuttgart 1901, S. 417.
T.F. Hanausek.
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