[534] Gipsmörtel ist das älteste Bindemittel, da die Aethiopier und Aegypter ihn bereits benutzten. In Ländern, wo sich viel Gips findet, wie in der Umgegend von Paris und im Harz, wird er auch jetzt noch als Mauermörtel verwendet; im übrigen spielt er beim Putzen der Innenwände und Decken eine wichtige Rolle (s. Putz) und ist namentlich seines raschen Erhärtens wegen für Stukkaturarbeiten sehr geeignet. Vom »Anmachen«, d.h. von der Art der Herstellung des Gipsbreies, hängt wesentlich der Härtegrad des wieder festgewordenen Gipses ab (s. Gipsgüsse). Vermischt man den Gips mit Ziegelmehl, Ton oder seinem Sand, so erhärtet dieses Gemenge langsamer und ist dann von geringerer Festigkeit.
Sehr hart werdender Gipsmörtel entsteht, wenn man gebrannten Gips mit einer Lösung von 1 Teil Alaun auf 1213 Teile Wasser tränkt, hart werden läßt, dann bei Rotglühhitze wieder brennt und dieses Erzeugnis pulverisiert und mit gleichstarker Alaunlösung anrührt. Es ist dies der Keene-Zement oder, wie er in Frankreich genannt wird, Ciment anglais. Er nimmt Steinhärte an, läßt sich färben, polieren, abwaschen, ist witterungsbeständig und wird vielfach zur Anfertigung aller Sorten von Stuckmarmor verwendet. Aehnliche Erzeugnisse erhält man durch Anwendung von schwefelsaurem Kali oder schwefelsaurem Natron statt der Alaunlösung. Aus 1 Teil calciniertem Borax und 4445 Teilen Gips erhält man den Parian-Zement oder Boraxgips, der ebenfalls ähnliche Eigenschaften wie der Keene-Zement besitzt. Unter dem Namen Annalith ist in neuerer Zeit vielfach eine Art Gipsbeton in Form künstlicher Steine, besonders im Harz und in Paris, verwendet worden. Endlich ist noch Scotts Selenitmörtel anzuführen, der in der Weise hergestellt wird, daß beim Kalklöschen dem zu verwendenden Wasser etwa 2% Gips zugesetzt, werden. Der Kalk entwickelt dabei fast gar keine Hitze, ergibt aber einen Mörtel, der schnell und kräftig erhärtet und einen bedeutend größeren Sandzusatz (56 Teile) verträgt. Eine gegenüber den andern Mörtelarten hervorragende Eigenschaft der Gipsmörtel ist die, daß sie bei sehr niedriger Temperatur (bis 10° C.) ohne Nachteil verarbeitet werden können.
Literatur: Gottgetreu, Baumaterialien, 2. Aufl., Bd. 2, S. 277, Berlin 1875; Handb. d. Arch., 2. Aufl., 1. Teil, Bd. 1, S. 140 und 170, Darmstadt 1895; 3. Aufl., Stuttgart 1905; Menzel und Schwatlo, Der Steinbau, S. 100, Leipzig 1879; Müller, R., Untersuchungen über Gips, Berlin 1904.
L. v. Willmann.