Kunstharze [2]

[377] Kunstharze. (Vgl. a. Ergbd. I, S. 465.) – Während man bisher die Kunstharze auf nassem Wege aus Karbolsäure und Formaldehyd mit Kondensierungsmitteln durch Kochen erhalten hat, ist jetzt in Amerika ein trockenes Verfahren gefunden worden, das den Prozeß wesentlich vereinfacht. Man erhitzt einfach Phenol (Karbolsäure) mit Formin (Hexamethylentetramin = Urotropin), bis sie zu einer goldgelben Flüssigkeit zusammenschmelzen, die in Formen gegossen und ohne Druck bis zur Erhärtung weiter erhitzt wird.

Solange die Masse noch weich ist, läßt sie sich drehen und biegen und nimmt jede beliebige Form an. Ferner ist sie im Anfangszustande auch in Alkohol, Aceton u.s.w. löslich und liefert so Lacke und Firnisse, die getrocknet unangreifbar für kochendes Wasser und Chemikalien aller Art sind und daher namentlich für Metalle unzerstörbare Ueberzüge bilden; auch sind mit diesen Lacken überzogene Pappkartons für Oele, Fette und Petroleum undurchdringlich. Die durch längere Erhitzung gehärteten Kunstharze dieser Art ergeben ein gelbes Material, das härter als Gold, Silber, Nickel, Marmor oder Elfenbein ist; ein Stab daraus von 2,5 cm Dicke vermag 3 t Eisen zu tragen. Sie haben einen schönen, den des Bernsteins an Stärke übertreffenden Glanz und größeres Lichtbrechungsvermögen als Kronglas, sie eignen sich daher für Perlen besser als Bernstein. Man kann sie gut schleifen und polieren, ihnen jede Art Färbung geben, sie halten die Farbe besser als die nach dem nassen Verfahren hergestellten Harze und röten sich selbst bei direkter Sonnenbestrahlung nicht wie jene. Auch bezüglich der Kosten können sie mit den Naturharzen, wie Bernstein sowie mit Jet, Hartgummi u.s.w., durchaus in Wettbewerb treten.

Die aus Phenolen und Formaldehyd hergestellten Kunstharze sind im allgemeinen in fetten Oelen, Terpentin und Benzin nicht löslich, was ihrer Verwendung in der Lackindustrie sehr hinderlich ist. Neuerdings hat man aber gefunden, daß dieser Mißstand dadurch behoben werden kann, daß man sie mit Harzen, fetten Oelen oder Oelsäuren bezw. einem Gemisch derselben verschmilzt; besonders eignen sich hierfür Kolophonium, Terpentinharze, Kopale, Kumaronharz, Leinöl und chinesisches Holzöl. Auch vorzügliche spritlösliche Lacke erhält man, wenn man die Phenolharze mit Rizinus- oder Leinöl bis zu einem auch in der Kälte klar bleibenden Harz einkocht.

Neuerdings ist es geglückt, die Phenolharze durch Einwirkung geeigneter Lösungsüberträger, wie natürliche Harze, Oele, Balsame und Kumaronharze derart zu verändern, daß die so erhaltenen Kunstharze sich in fetten Oelen lösen und auch auf Zusatz von Terpentinöl oder Terpentinölersatz nicht mehr fällbar sind, so daß sich die auf diese Art hergestellten Lacke den bisher üblichen Kopallacken gleich verhalten. Diese von der chemischen Fabrik Kurt Albert und dem Chemiker L. Berend in Amöneburg a. Rh. entdeckten, als Albertole in den Handel gebrachten Harze stellen dunkelgelbe bis rotbräunlich gefärbte, durchsichtige, glänzende, im Gegensatz zu den nach Phenolen riechenden Phenolharzen geruchlose, harzartig aussehende Produkte dar, die in ihren Eigenschaften zwischen den natürlichen Kopalsorten stehen und den Vorzug haben, daß bei dem Schmelzprozeß während der Herstellung der Oellacke kein Schmelzverlust entsteht und die dabei erforderlichen Temperaturen niedrigere sind. Die Herstellung der Albertollacke ist viel einfacher und billiger als die der Kopallacke.


Literatur: Tropenpflanzer 1916, S. 369 f., 426 u. 483 f.

Ernst Gilg und Julius Schuster.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 377.
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