[343] Radierverfahren, graphische Methoden, die entweder unmittelbar eine Druckform dadurch gewinnen lassen, daß eine Metall-, Stein- oder Glasplatte mit säurebeständiger Deckschicht versehen, diese durch Ritzen mit Nadeln (Radieren) an den Bildstellen weggenommen und schließlich die Platte an den bloßgelegten Stellen durch Säuren bis in geringe Tiefe aufgelöst wird oder die zur Erzeugung (die in ähnlicher Weise vor sich geht) eines photographisch kopierbaren Negativs u.s.w. dienen.
Unter Radierung schlechtweg verlieht man in der Regel das als einen Zweig der Kupferstecherkunst (s.d.) ausgeübte Radierverfahren auf Kupfer, dem auch infolge seiner intensiven Pflege durch die bildenden Künstler große Wichtigkeit zukommt. In ähnlicher Weise wie bei der Radierung auf Kupfer können auch Tiefdruckplatten aus Zink mittels Radierung gewonnen werden. Ueber Radierung auf Stein s. Asphalt-Schablithographie und Steinradierung im Art. Lithographie; analog wird bei der Zinkradierung für Flachdruck verfahren. Ueber Radierung auf Glas s. Hyalographie. Die übrigen Glasradierverfahren beruhen darauf, daß dünne Glastafeln mit einer zumeist weißen, völlig undurchsichtigen Schicht (»Grund«) versehen werden und, auf einer schwarzen Unterlage ruhend, durch Ritzen mit Nadeln im Grunde das Zeichnungsbild erhalten. Hierbei tritt Jeder Strich sofort schwarz auf weißem Grunde hervor. Die Platte kann dann unmittelbar als Negativ bei der photomechanischen Herstellung von Druckformen (vgl. Pressendruckverfahren, photographische) benutzt werden, z.B. für Buchdruckklischees (hierher gehört der Lichthochdruck von Bolhoevener & Heidenhaus in München, die Glashochradierungen von Müller & Siefert in Mannheim u.s.w., vgl. a. Hyalotypie; bei der Pantatypie werden dagegen zum gleichen Zwecke auf transparentem Papier gezeichnete Negative benutzt), für die Photolithographie u.s.w. Die Radierverfahren zeichnen sich alle durch den großen Vorzug aus, daß die Handhabung der Nadel eine ebenso große Freiheit zuläßt, wie dies beim Zeichnen mit Bleistift auf Papier der Fall ist. Namentlich kommt dies bei der Kupferradierung gegenüber den auf der Verwendung schneidender Instrumente beruhenden Methoden, die ungleich mehr Mühe und Zeitaufwand bei der Erzeugung einer Tiefdruckform erfordern, zur Geltung. Als Radierverfahren werden fälschlich sehr häufig Methoden bezeichnet, wie sie z. B bei der Cerographie (s.d.), der Ektypographie (s.d.), der Gelatinographie (s.d.), der Glyphographie (s.d.), der Stylographie (s.d.) und andern Verfahren, die teils stereotypisch (s. Stereotypie) oder galvanoplastisch abformbare Matrizen (s. Elektrotypie) ergeben, bei denen es sich eigentlich um Graviermethoden handelt und daher die Bezeichnung Radierverfahren zu falschen Schlüssen führt.
Literatur: Albert, A., Technischer Führer durch die Reproduktionsverfahren, Halle a. S. 1908; Unger, A. W, Die Herstellung von Büchern, Illustrationen u.s.w., Halle a. S. 1906; Waldow, A., Enzyklopädie der graphischen Künste, Leipzig 1884.
A.W. Unger.