Schleppkraft [2]

[680] Schleppkraft. Die von P. du Bois aufgestellte, von Kreuter im Handbuch der Ingenieurwissenschaften ausgeführte Schleppkrafttheorie ist in neuerer Zeit mehrfach, so von Engels [1], Leiner [2], Lippke [6] und Krey [3] behandelt worden.

Engels wandte hierbei folgende Versuchsanordnung an. Der Boden einer mit Zinkblech belegten Holzrinne von etwa 30 cm Breite wird auf ein gewisses Stück durch eine Zinkplatte gebildet, in der sich eine Aussparung von 504 × 102 mm befindet. In diese paßt eine 487 × 98 mm große Versuchsplatte. Durch einen Winkelhebel wird der durch die Wasserreibung auf die Versuchsplatte ausgeübte horizontale Schub in einen vertikalen Druck umgewandelt, der auf die eine Seite einer Analysenwage wirkt und so gemessen werden kann. Das Gerinnestück, in welchem sich die Versuchsplatte befindet, steht in einem Karten, der sich bei den Versuchen ebenso hoch mit Wasser füllt als die Rinne. Dadurch kann in dem Zwischenraum zwischen Zinkplatte und Versuchsplatte keine Wasserströmung stattfinden.

Es wurden 6 Versuchsgruppen durchgeführt, indem auf die Sohle des Gerinnes und der Versuchsplatte Sand bezw. Kies von Korngrößen zwischen d > 0,85 und 9,0 < d < 10,5 mm durch Oelfarbe aufgeklebt wurde. Die durch das Gerinne durchgeführten Wassermengen betrugen zwischen 2,5 und 17,4 Sekundenliter, die Wassertiefen hierbei 10–13,3 cm, und die auftretenden Reibungsgrößen bewegten sich zwischen 139 und 6960 mg.

Engels kommt auf Grund seiner Versuche zu nachstehenden Schlußsätzen: »1. Die Sohlenreibung ist annähernd proportional dem Quadrate der mittleren Geschwindigkeit. 2. Die Sohlenreibung nimmt zu mit der Zunahme des Porengehalts der Sohlenschicht. 3. Bei rechteckigem Gerinnequerschnitt ergibt sich die Größe der auf die Flächeneinheit der Sohle wirkenden Reibung aus

K = α γ t J kg/qm

[1]


für γ = 1000 und t in m. 4. Der Beiwert α ist stets kleiner als Eins. Er nimmt zu mit abnehmender Wassertiefe. Seine Abhängigkeit von der mittleren Geschwindigkeit ist noch zu erforschen. 5. Da α auch für ein und dasselbe Abflußgerinne veränderlich ist, so ist

K = γ t J

nicht proportional dem Produkte aus der Wassertiefe in das Gefälle. 6. Das sogenannte Schleppkraftgesetz

K = α γ t J

[2]


wird durch die Versuche nicht bestätigt.«

Engels stellt ferner die Gleichung:

K + Wi = γ t J oder Wi = γ t JK

[3]


auf, wo K den Reibungswiderstand in kg/qm, Wi die Summe der inneren Bewegungswiderstände in kg/qm, γ = 1000, t die Wassertiefe in m, J das relative Spiegelgefälle bedeuten.

Ihm trat Leiner entgegen [4], der die obigen Folgerungen mit Ausnahme von Nr. 2 ablehnte, den Einfluß von Wi für nicht bewiesen und die Versuche weder gegen noch für das [680] Gesetz K = γ t J sprechend fand. Engels hält [5] seine Schlußfolgerungen gegenüber Leiner und Krey aufrecht. Er berücksichtigt [5] auch die Größe der Wasserreibung an lotrechten Wänden, und zwar nach der Gleichung:

Rs = φ · γ · F vs2 kg/qm

[4],


wo bedeuten: φ einen Reibungsbeiwert (für Zinkblech etwa 0,15), γ = 1,0, F die benetzte Fläche in qm, vs die Geschwindigkeit des längs der Fläche in unmittelbarer Berührung mit dieser strömenden Wassers. Dadurch erweitert sich Gleichung 3 zu:

Wi = γ t J(K + Rs)

[5].


Werte von Wi finden sich in [5], S. 680.

Auch Lippke [6] kommt zu andern Ergebnissen als du Bois und Kreuter. Nach ihm genügt der innere Gleitungswiderstand des Wassers, um gleichförmige Geschwindigkeit zu bewirken. Das dem Wasser durch die Schwere verliehene Arbeitsvermögen wird an der Sohle verbraucht a) zur Ueberwindung des inneren Gleitungswiderstands, b) zur Ueberwindung des Schleppwiderstands, c) zur Erzeugung von Geschiebebewegung. Dieser Teil ist durch die Sohlengeschwindigkeit meßbar. Für die aufgefüllten Formeln vergleiche man die Quelle [6]. Zurzeit wird man in der Praxis die älteren – wenn auch theoretisch anfechtbaren – Formeln mit ihren an Flüssen bestimmten Erfahrungskoeffizienten noch nicht entbehren können.


Literatur: [1] Zeitschr. f. Bauwesen 1912, S. 473. – [2] Ebend. 1912, S. 490. – [3] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1912, Nr. 41. – [4] Zentralbl. d. Bauverw. 1912, S. 485. – [5] Ebend. 1912, S. 678. – [6] Zeitschr. f. Gewässerkunde, IX. Bd., S. 291.

R. Weyrauch.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 680-681.
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