Schwungradberechnung

[26] Schwungradberechnung betrifft die Bemessung der Schwungmasse.

Die lebendige Kraft der Schwungräder (s.d.) J ω2/2 ändert sich durch Aufnahme oder Abgabe einer Arbeit von a mkg unter Schwankung der Winkelgeschwindigkeit zwischen ω1 und ω2, so daß a = J (ω12ω22)/2 ist.[26]

Bei Schwungrädern für Kraftmaschinen läßt man näherungsweise gelten, daß der normale Wert ω = 1 + ω2)/2 sei und nennt das Verhältnis δ = 1ω2)/ω den Ungleichförmigkeitsgrad oder Δ = 1/δ den Gleichförmigkeitsgrad. Durch Multiplikation beider Ansätze ergibt sich 12ω22)/2 = ω2 δ, also a = J ω2 δ. Für massive zylindrische Scheiben vom äußeren Radius r, dem Gewicht G0 und der Umfangsgeschwindigkeit u ist J = m r2/2, somit a = G0 u2 δ/2 g oder G0 = 2 g a Δ/u2. Für Speichenräder denkt man sich eine Masse G/g im Schwerpunktsradius von R m des Kranzquerschnitts enthalten und bemißt das Kranzgewicht auf 0,9 G, so daß mit γ = 7,25 der Kranzquerschnitt in Quadratzentimeter F = 0,2 G/R wird, und rechnet 0,1 G auf das Trägheitsmoment des Armsternes, der etwa ein Drittel so schwer wie der Kranz ausfällt, so daß das ganze Rad 1,2 G kg wiegt. Mit J = m R2 und V = ω R erhält man G = g a Δ/V2 und F = 180 a Δ/R3 n3.

Die Arbeitsgröße a entnimmt man aus dem Tangentialkraftdiagramm, entsprechend der größten Ueberschuß- oder Unterschußfläche zwischen den Kurven der treibenden Kraft und des Widerstandes. In der Regel ist dies der Ueberschuß der Kraft bei der Füllung oder Zündung des Motors und steht in einem gewissen Verhältnis zu der Gesamtarbeit von A mkg, die in jeder Periode geleistet wird. Wenn in der Minute z periodische Antriebe erfolgen, beträgt die Leistung der Maschine N = A z/60 · 75 PS. Unter Benutzung dieser Beziehungen kommt man zu der Formel G = i Δ N/n V2, wobei i = 60 · 75 g (a/A) (n/z) gilt. Die Zahlenwerte für i hat Karl Mayer für verschiedene Betriebsverhältnisse an Dampfmaschinen zusammengestellt [1], wonach z.B. das Verhältnis a/A für 1, 2, 3, 4 m/sec Kolbengeschwindigkeit um 10, 15, 20, 25% größer ausfällt, wenn die Schieber auf gleiches Voröffnen eingestellt sind, als wenn sie gleiche Füllung geben. Maschinen mit gleichmäßigem Widerstand haben ungefähr folgende Mittelwerte:


Schwungradberechnung

Bei Gasmaschinen und andern einfachwirkenden Viertaktmaschinen [3] überwindet der während des Zündungshubes wirksame Antrieb den Widerstand = A für vier Hübe und die Kompressionsarbeit, die 25–35% von A beträgt, so daß der Antrieb a + 1/4 A = A + 0,3 A wird oder a/A = 1,05. Erfolgt die Regelung durch Aussetzer und kommt dabei regelmäßig auf x Spiele eine Zündung, so wird a/A = 1,3 – 1/4 x = rund 1,25. Nach Güldner [3] erhält man je nach der Stärke der Kompression für einfachwirkende Viertaktmaschinen mit Benzin a/A = 0,9, Spiritus 1,03, Leuchtgas 1,05, Petroleum 1,10, Kraftgas 1,20 und für Diesel-Motoren 1,25 als Mittelwerte.

Man wählt Δ bei Dampfmaschinen für Fabrikbetrieb zu 40–50, für elektrischen Betrieb 100–200, für Drehstrom bis 300; man kann auch setzen: für Fabrikbetrieb Δ = n/2, für elektrischen Kraftbetrieb Δ = n, wobei G = i N/V2 wird, für Lichtbetrieb Δ = 2 n. Der Unempfindlichkeitsgrad des Reglers soll nicht kleiner als der Ungleichförmigkeitsgrad des Schwungrades sein. Schwankungen des Betriebswiderstandes können eine Erhöhung des Gewichtes bedingen. Bei Gasmaschinen begnügt man sich mit Δ = 40 und erreicht für elektrischen Betrieb bis 70.

Schwungräder an Arbeitsmaschinen haben eine normale, zugleich höchste Geschwindigkeit ω, von der sie nur nach unten abweichen können, während der Arbeitswiderstand vorübergehend über die Stärke des Antriebes hinausgeht. Dabei sinkt die Geschwindigkeit auf φ ω, z.B. bei Ilgner–Umformern auf 0,85–0,90 [2], bei Scheren und Lochmaschinen auf 0,70 ω, so daß die Arbeit a = (1 – φ2) J ω2/2 nutzbar aus dem Schwungrad gewonnen wird und der Treibriemen gleiten oder der Motoranker schlüpfen muß. Nach Ueberwindung des Widerstandes beschleunigt die treibende Kraft die Schwungmasse wieder bis zum normalen Lauf.


Literatur: [1] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1889, S. 115/118. – [2] Ebend. 1909, S. 52/53. – [3] Güldner, Verbrennungsmotoren, Berlin 1903. – [4] Tolle, Regelung der Kraftmaschinen, 2. Aufl., Berlin 1909.

Lindner.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 26-27.
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