[607] Tank, Kampf- oder Sturmwagen mit eigener Fahrbahn und Raupenantrieb.
Aus den Streit- und Sichelwagen des Altertums entwickelten sich im Mittelalter die Turmwagen zum Berennen von Festungen. Leonardo da Vinci, Roberto Valturio und Berthold Holzschuher aus Nürnberg entwarfen Kampfwagen, welche mit Eichenbohlen gepanzert, mit Geschützen bewehrt und mittels Zahnräder und Rollen durch Windräder bezw. Menschenkraft bewegt wurden. Matthias Corvinus von Ungarn und Moritz von Oranien bedienten sich solcher Sturmwagen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in England ein Panzerwagen mit Dampfantrieb entworfen, der mit Geschützen bestückt werden sollte. Der amerikanische Sezessionskrieg, die Belagerung von Paris, der Sudanfeldzug und der Burenkrieg sahen die Verwendung von gepanzerten Lokomotiven bezw. Zügen, welche mit Maschinengewehren bezw. Geschützen bewaffnet waren. Die Italiener verwendeten in Tripolis und die Vereinigten Staaten bei der mexikanischen Unternehmung 1915 Panzerkraftwagen. Hierbei gelangten auch erstmalig schwere Zugmaschinen mit eigener Fahrbahn und Raupenantrieb (Caterpillar), wie sie die amerikanische Landwirtschaft zum Roden der Wälder bezw. zum Pflügen gebrauchte (vgl. Ergbd. I, S. 513/514), zum Heranschaffen des Nachschubs zur Verwendung. Die dort gemachten Erfahrungen sind beim Bau der Tanks benutzt worden. In England soll schon 1770 ein Wagen mit eigener Fahrbahn entworfen worden sein: eine aus Eisenplatten gefügte endlose Kette lief um die Vorder- und Hinterräder.
Im Weltkrieg traten zum erstenmal im Herbst 1916 in den Kämpfen an der Somme Tanks auf. Sie waren wenig zahlreich und sehr schwerfällig, ihre Leistungen waren gering, vielfach wurden sie außer Gefecht gesetzt bezw. versagten sie, so daß ihnen deutscherseits kein großer Kampf wert beigemessen wurde. Trotzdem erhielt die deutsche Industrie schon 1916 den Auftrag zur Herstellung von Tanks; im Frühjahr 1917 wurde der erste Versuchswagen von den Daimlerwerken in Marienfelde dem damaligen Kriegsminister vorgestellt. Die Fertigung wurde mit mehr Nachdruck betrieben, als im November 1917 die Engländer durch Einsatz von mehr als 300 Tanks einen überraschenden Erfolg bei Cambrai erzielten. Immerhin konnte auch jetzt noch den Tanks eine entscheidende Rolle nicht zugesprochen werden, denn infolge ihrer geringen Geschwindigkeit, ungenügenden Panzerung und ihrer Unbeholfenheit war in diesen Kämpfen mehr als ein Drittel der Wagen zerschossen worden bezw. in unsere Hand gefallen. Im Frühjahr 1918 traten auch deutsche Tanks in Tätigkeit und wurden in immer steigender Zahl gefertigt. Der Juli 1918 sah in der Tankschlacht zwischen Aisne und Marne die[607] ersten schnellaufenden und wendigen neuen französischen Tanks in der Front. Der Vorsprung, den die vereinigten Industrien Englands, der Vereinigten Staaten und Frankreichs in der Tankfertigung gewonnen hatten, konnte von Deutschland, dessen Industrie schon mit der Fertigung anderen wichtigen Heergerätes überlastet war, und bei dem immer schärfer fühlbar werdenden Mangel an Rohstoffen nicht eingeholt werden.
Die Tanks, wie sie die Engländer bis Ende 1917 verwendeten, waren etwa 8 m lang, 2 m hoch und 3 m breit; sie wogen 28 t, die tragende Länge betrug 4 m, der Auflagedruck etwa 0,7 kg/qcm, ihre Geschwindigkeit war 36 km/Stde. Die Panzerung hatte an den Seiten eine Stärke von etwa 10 mm, an der Stirn von 13 mm; der Motor leistete 105 PS. bei 1500 Uml./Min., zur Beobachtung und zum Zielen dienten Periskope. Je nach der Bewaffnung unterschieden die Engländer »Männchen« (male) und »Weibchen« (female). Die ersteren waren mit zwei 5,7-cm-Geschützen in Erkertürmen an den Seiten und mit drei Maschinengewehren bewaffnet, die »Weibchen« führten nur Maschinengewehre, und zwar je zwei nach den beiden Seiten und eines nach vorn feuernd. Die Entente verwendete 1918 drei Arten von Tanks: Schwere Tanks mit schwerer Panzerung (1516 mm Stirnpanzer und 79 mm Seiten- und Dachpanzer) und stärkerem Motor, die 10 m lang und 3 m breit waren und 11 km/Stde. auf gutem bezw. 6 km auf schlechtem Boden liefen, leichte Tanks oder »Wippers« von 6 m Länge, 3 m Breite (vgl. Fig. 1), und schnellaufende Tanks (Char d'assaut), auch nach dem Erfinder Char Renault genannt, von 4 m Länge, 2 m Höhe und 1,7 m Breite mit 616 mm Panzer und 71 Gewicht. Letztere beiden konnten Geschwindigkeiten von 16 bezw. 12 km/Stde. teilten (Fig. 2 und 3). Zur Beförderung von Infanteriestoßtrupps dienten 15 m lange Tanks, welche in einem vorderen Raum 8 Mann mit 6 Maschinengewehren, in einem hinteren Raum 30 Mann aufnahmen. Die Kampftanks waren entweder nur mit Maschinengewehren bewaffnet und hießen dann »Weibchen« oder sie führten ein 4,5-cm-Geschütz[608] (nur nach rechts gerichtet) mit 90 Granaten und 30 Schrapnells, diese hießen »Zwitter«; waren sie mit zwei Geschützen, nach beiden Seiten feuernd, bewaffnet, so hießen sie »Männchen«. Zahlenmäßig überwogen die »Zwitter«.
Die deutschen schweren Tanks waren mit 24 Geschützen von 5,7 bezw. 7,7 cm Kaliber, mit Flammenwerfern und mit Maschinengewehren bestückt und kräftig gepanzert; sie waren infolgedessen sehr schwer (»Landkreuzer«). 1918 ging auch Deutschland zur Fertigung leichter Sturmwagen über. Die Friedr. Krupp-A.-G. baute solche Fahrzeuge, welche wenn sie nur mit Maschinengewehren ausgerüstet waren etwa Mannshöhe erreichten; waren sie mit einem Geschütz bestückt, so kam die Turmhöhe hinzu, ganze Höhe dann etwa 2,3 m. Der mit Geschütz bewaffnete Wagen hatte eine Kanone von 4,7 cm Kaliber, 1,2 kg Geschoßgewicht, 600 m Anfangsgeschwindigkeit. Das Geschütz war in einem gepanzerten Drehturm mit 360° Schwenkwinkel untergebracht (Fig. 4 und 5). Der Vorderteil des Wagens enthält den Gefechtsstand für 4 Mann einschließlich des Wagenführers. Motor, Kühler und Getriebe liegen hinter dem Kampfraum und neben, ihnen sind Plattformen vorgesehen, auf denen 8 Mann stehend mitgeführt werden können. Die Sehschlitze können gegen den Angriff von Flammenwerfern abgeschlossen werden. Zum Schleppen anderer Fahrzeuge, vor allem von Infanteriegeschützen, hat der Sturmwagen hinten eine Kuppelung. Die Zahlen des Wagens sind: Ganze Länge 4800 mm, größte Breite, an den Raupen gemessen 1930 mm, größte Fahrgeschwindigkeit 14 km/Stde., größte Steigung 5060°, Wagengewicht mit Geschütz und Ausrüstung 8000 kg, mitgeführte Munitionsmenge 200 Schuß.
Die Fahrvorrichtung der Tanks besteht aus der »Raupe«, einer endlosen Kette aus z.B. 80 übergreifenden Stahlplatten von etwa 50 cm Breite und 20 cm Länge, die mit Greifern versehen sind; an ihrer Innenseite ist die Triebkette angenietet, deren Glieder eine Schienenbahn bilden. Die Raupe jeder Wagenseite ist über zwei durch Träger verbundene Räder gespannt. Das eine dieser Räder, welches gezahnt ist, wird vom Motor angetrieben und greift mit seinen Zähnen in die Triebkette, das andere Rad dient zur Führung der Raupe. Je weiter beide Räder auseinandergehen, desto mehr Auflagefläche hat die Raupe, desto geringer ist der Auflagedruck auf die Erdoberfläche. Das Fahrgestell des eigentlichen Tanks steht starr oder auch gefedert auf Rollen, welche mit Flanschen versehen sind und die auf der Schienenbahn der Raupe laufen. Der Motor überträgt die Bewegung auf den eingekapselten Schneckentrieb und somit auf die Querwelle; von dort wird sie mittels Kuppelungen, Vorlegewellen und Gelenkkette von dem Triebrad übernommen und der Raupe mitgeteilt. Das Wenden geschieht durch Bremsen der inneren Seite.
Literatur: Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing., Bd. 62, Nr. 48 vom 30. Nov. 1918. F. Seiler, Die Abstützung der Ketten bei Raupenwagen in »Der Motorwagen« vom 28. Febr. 1919.
F. Wille.
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