Trinkwasseruntersuchung

[623] Trinkwasseruntersuchung, die physikalische, chemische und bakteriologische Prüfung sowie die Feststellung der Herkunft eines zum Trinken bestimmten Wassers.

Die physikalische Untersuchung stellt fest: Klarheit und Farbe, Geruch und Geschmack, fremde Beimengungen und Temperatur. Ein gutes Trinkwasser soll 1. kristallhell, 2. farblos, 3. geruchlos, 4. wohlschmeckend und 5. frei von Suspensionen sein; es darf 6. in unserm Klima nicht weniger als + 4–5 und nicht mehr als + 10–12° C. Temperatur haben. Sind diese Bedingungen nicht oder nur teilweise erfüllt, so ist vor allem nach der Ursache zu forschen, die eine Abweichung hervorruft; ergibt sich dabei, daß kein gesundheitsschädliches Verhalten aus der Abweichung erfolgt, so ist die Benutzung solchen Wassers auch nicht ausgeschlossen. Einzelne der oben verlangten Eigenschaften (z.B. 1, 2, 3, 5) können durch künstliche Behandlung des Wassers hergestellt werden (vgl. Filtration, Wasserreinigung). Makroskopische organisierte Substanz darf selbstverständlich in keinem Trinkwasser vorkommen.

Die chemische Untersuchung hat alle anorganischen und organischen Zumengungen zum Wasser, d.h. den Unterschied gegenüber H2O, festzustellen; die Untersuchungsmethoden s. unter Wasser und in [1]. Giftige Substanzen, Ammoniak, salpetrige Säure, Chloride in großen Mengen, sollen im Trinkwasser nicht vorhanden sein; Salpetersäure und Chloride in kleinen Mengen sind – je nach Herkunft – zulässig oder zu beanstanden; letzteres z.B., wenn sie putrider Natur sind. Kohlensäuregehalt ist erwünscht; ein geringer Eisengehalt ist der Gesundheit nicht nachteilig. Die Härte im Wasser (s.d.) ist, sofern sie 20 deutsche Grade nicht übersteigt, erwünscht; über diese Grenze hinaus ist sie der Gesundheit weniger zuträglich. Letzteres trifft auch dann zu, wenn sie von schwefelsauerm Kalk herrührt oder der Magnesia mehr als 4–5 deutsche Härtegrade zufallen. Der Gehalt an organischen Zumengungen soll ein möglichst kleiner sein; er wird an dem Verbrauche von Kaliumpermanganat (KMnO4) oder von Sauerstoff (O) gemessen, wobei 79 Teile KMnO4 und 20 Teile O dieselben Mengen organischer Substanz oxydieren.

Die bakteriologische Untersuchung, wegen deren Vornahme wir auf [2] verweisen, Stellt in der Regel die in einem Kubikzentimeter vorhandenen Keime und deren Art fest. Man findet dabei meistens sogenannte Saprophyten (s. Bakterien); pathogene Bakterien dürfen keine vorhanden sein. Ueber die zulässige Grenzzahl an harmlosen Wasserbakterien (gewöhnlich auf 100 pro Kubikzentimeter angenommen) gehen die Ansichten auseinander. Pathogene Bakterien finden in klarem Wasser nicht die nötigen Nährstoffe und sind deshalb seiten zu konstatieren, wenn auch sonstige Anzeichen für deren Vorhandensein sprechen. Dies gilt besonders vom Typhusbazillus.

Am wichtigsten ist die Feststellung der Herkunft des Trinkwassers. Quellwasser (s. Quelle) und sogenanntes Grundwasser (s.d.), aus kapillaren Trägern und aus größeren Tiefen unter Bodenoberfläche flammend, sind in der Regel ganz oder nahezu keimfrei. Dort, wo die Zuflüsse auf nicht kapillaren Wegen erfolgen, selbst wenn diese in sehr große Tiefen hinabreichen, stellt sich meist ein bedeutenderer Keimgehalt ein; pathogene Bakterien bleiben in solchem Wasser immerhin noch einige Zeit lebensfähig, so daß es stets gefährlich ist, Wasser aus derart beschaffenen Bezugsorten zum Trinken zu benutzen. Bei den Forschungen über die Herkunft des Trinkwassers sind Temperaturbestimmungen und Quantitätsmessungen neben den örtlichen Beobachtungen über die Beschaffenheit des Einzugsgebietes die bellen Hilfsmittel. Die äußere Lufttemperatur während des Stattfindens größerer Niederschläge (Schneeschmelzen, Berieselungen der Bodenoberfläche, Verbindungen mit offenen Wasserläufen u.s.w. sind hier ebenfalls im gleichen Sinne in Betracht zu ziehen) äußert z.B. bei guten Quellen und gutem Grundwasser keinen sofortigen Einfluß auf Wassertemperatur und Wassermenge; umgekehrt steigt insbesondere die letztere bei unzuverlässigen Bezugsorten mit nichtkapillaren Spalten sehr rasen mit den Infiltrationen. Bei Entnahme von Trinkwasser aus Sammelteichen (s.d.) und Seen ist in erster Linie die Größe des Stauraumes von Bedeutung; bei kleineren Stauräumen spielt die Beschaffenheit des Einzugsgebiets bezw. des zugehenden Rohwassers die Hauptrolle. Im übrigen verweisen wir auf [3].


Literatur: [1] Fischer, Das Wasser, 3. Aufl., Berlin 1902. – [2] Heim, Lehrbuch der bakteriologischen Untersuchung und Technik, Stuttgart 1894; Flügge, Die Mikroorganismen, 3. Aufl., Leipzig 1896; zahlreiche Abhandlungen in Weyls Handbuch der Hygiene, vgl. Hauptregister in Bd. X, Stichworte Bazillus und Bakterien; s.a. die Literatur unter Bakterien in Bd. 1 des Lexikons. – [3] Lueger, Die Wasserversorgung der Städte, Abt. 1, Darmstadt 1895.

Lueger.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 623.
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