Winkelstützmauern

[852] Winkelstützmauern. Die aus Eisenbeton hergestellten Stützmauern, die man wegen ihrer Querschnittsform auch als Winkelstützmauern bezeichnet, bestehen in ihrer einfachsten Form aus einer vertikalen Wand, die den seitlichen Erddruck aufnimmt, und einer horizontalen Platte, die mit dem unteren Ende der Wand seit verbunden ist und deren Einspannmoment auf den Untergrund überträgt. Die Standfestigkeit einer solchen Mauer, deren eigenes Gewicht nur gering ist, wird hauptsächlich durch die Erdbelastung des rückwärtigen Teils der [852] Grundplatte erzielt. Der vordere Teil derselben dient dazu, der Druck auf den Untergrund auf das zulässige Maß zu verteilen.

In Fig. 1 sind die Resultierenden R1, R2, R3 und R4 auf die Fugen 1, 2, 3 und 4 der Wand eingezeichnet, sie ergeben sich aus den auf du Rückfläche wirkenden Erddrücken und den Gewichten der Mauerabschnitte Die Resultierende R auf die Fundamentfläche ergib sich aus dem Gewicht G der Mauer, dem Gewicht Ge der zwischen der Mauer und der durch den hintersten Punkt der Grundplatte gezogenen Vertikalebene liegenden Erde und dem Erddruck E auf diese Vertikalebene Die Biegungsmomente in der Grundplatte ergeben sich aus den auf sie wirkenden Kräften, nämlich den von unten nach oben wirkenden Bodenpressungen und den umgekehrt gerichteten Erdbelastungen. Für die Stabilitätsberechnung wird auch statt der senkrechten Erdbegrenzung die geneigte Ebene angenommen, die den hintersten Punkt der Bodenplatte mit dem Kopf der Mauer verbindet. Bei großer Höhe der Mauer erfordert die unten eingespannte Wand große Stärken mit viel Eisen, und es ist dann vorteilhafter, in Abständen von 2,5–4 m dreieckige Querwände anzuordnen, welche hinten die Wand mit der Bodenplatte verbinden. Die Wand wird dann horizontal zwischen den Querwänden armiert, gib also an diese die von ihr aufgenommenen Erddrücke ab. Die Quer wände übertragen dann diese Kräfte infolge ihrer Einspannung auf die Grundplatte und bilden zusammen mit der Vorderwand einen statisch günstigen T-Querschnitt. – Die graphische Bestimmung der äußeren Kräfte bei einer mit Rippen versehenen Winkelstützmauer ist in Fig. 2 an gegeben, während die notwendigen Eiseneinlagen in Fig. 3 dargestellt sind. An den Rippen sind oben noch Konsolen nach vorn und rückwärts angebracht, die eine Deckenplatte für einen Umgang tragen. Die Bodenplatte ist so geneigt, daß die Resultierende fall senkrecht darauf steht. – Die Rippen erhalten horizontale Eisen, welche die auf die Vorderwand wirkenden Erddrücke übertragen, und vertikale Eisen welche die auf die Bodenplatte wirkenden Erdkasten, abzüglich der von unten nach oben wirkenden Bodenpressungen, an die Rippe abgeben. Die Hauptarmierung liegt aber an der geneigten Rückseite der Rippen und ist aus den Resultierenden auf die einzelnen Höhenzonen zu berechnen. Da die Druckspannungen im T-Querschnitt von der Vorderwand aufgenommen werden, so kann als Momentenpunkt die Mitte de letzteren gewählt wer den, und man erhält nach Fig. 4 die Zug kraft im Eisen in irgendeiner Tiefe

Z = R · r/z

Die Anwendung des Eisenbetons bei Stützmauern biete nicht in allen Fällen wirtschaftliche Vorteile.[853] Wenn die Betonmaterialien billig lind, und wenn es möglich ist, einen statisch gut ausgebildeten Mauerquerschnitt auszuführen, dann liegt keine Veranlassung vor, eine Stützmauer aus Eisenbeton vorzuziehen, deren Herstellung auch zeitraubender ist. Die Stützmauern aus Eisenbeton müssen auf der Rückseite gut durch eine auf die ganze Höhe ausgeführte Steinpackung entwässert werden. Diese Entwässerung ist hier wichtiger als bei den massiven Stützmauern, weil der Frost durch die dünnen Wände durchdringt und das Gefrieren einer nassen Hinterfüllung Ausbeulungen an der Vorderseite verursachen kann. Bei schlechtem Baugrund kann man bei Stützmauern aus Eisenbeton die Fundamentfläche leichter vergrößern als bei massiven Mauern, so daß geringere Bodenpressungen erzielt werden.


Literatur: Emperger, Handbuch s. Eisenbetonbau, 2. Aufl., Bd. 3, Berlin 1910.

Mörsch.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 852-854.
Lizenz:
Faksimiles:
852 | 853 | 854
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