XXVII. Die Raubschärler.1

[143] In Hattarvík auf Fugloy lebten einmal in alten Tagen drei Männer, welche Hálvdan Úlvsson, Högni Nev und Rógvi Skel hiessen. Hálvdan[143] Úlvsson war der stärkste von ihnen, denn er vermochte einen Stein zu lüften, der noch auf der Weide dort gesehen wird und »Hálvdan Úlvsson Hub« genannt wird; der Stein misst acht Ellen nach der Dicke und zehn Ellen nach der Länge.

Diese drei, die nun genannt sind, waren eines Herbstes im Gebirge mit anderen Fugloyingern. Wie es Gewohnheit ist, hatte jeder Mann Schafbänder mit sich; die Schafbänder waren nicht gleichfarbig und auch nicht gleich gut, und es kam deshalb zu Streitigkeiten unter den Treibern, weil sich jeder die besten aneignen wollte. Aber weil diese drei Männer, die vorher genannt sind, zusammenhielten, wagten jene ihnen nicht zu wehren, die besten Schafbänder zu nehmen. Diese drei sahen nun, dass sie die Oberhand über jene gewannen, und es fiel ihnen da ein, hätten sie den Willen dazu, da stünde es in ihrer Gewalt, sich erst Fugloy zu unterwerfen und dann, wenn sie einige als Gefolgschaft für sich gewännen, alle Færoyer. Und es dauerte nicht lange, dass sie beschlossen, das ins Werk zu setzen, was früher nur in ihren Gedanken gewesen war. Aber das sahen sie, sollte alles gut gehen, was sie vorhatten, so müssten sie bewaffnet sein, und deshalb sandten sie einen Brief an den König und baten um Schwerter. Von dort kam die Antwort zurück, dass die Færoyinger friedliche Menschen seien und deshalb bedürfe es keiner Schwerter auf den Færoyern. Aber sie waren hartnäckig und wollten sich nicht geben; sie schrieben dem Könige wiederum und berichteten, dass auf den Færoyern kein Friede sei vor ausländischen Räubern, welche das Volk heeren und erschlagen könnten, ehe es jemand ahne. So ist es, wenn man hartnäckig ist: – sie erhielten da Schwerter.

Nun soll der vierte Mann in Hattarvík mit Namen genannt werden; er hiess Sjúrđ an der Gellingará; er war wie jene drei gross und stark; aber darin war er jenen ungleich, dass er ruhiger und stiller als sie war, und selten war er ratlos; er war ein reicher Bauer. Diesen Sjúrđ wollten jene drei als Teilnehmer gewinnen; aber als sie mit ihm darüber geredet hatten, wich er ihnen immer aus und wendete es in Scherz. Er hatte zwei Ursachen, so zu thun; die eine war, dass ihm das nicht gefiel, was sie vorhatten, die andere Ursache aber war, dass er kurz vorher in Gata ein Mädchen gesehen hatte, die Tochter des reichen Bauern »unten bei Hús«. Ihm gefiel das Mädchen sehr, so sehr, dass, als er nach Fugloy zurückgekommen war, das Herz in Gata zurückgeblieben war; er war daher zum zweitenmale nach Gata gefahren und hatte um sie gefreit. Das Mädchen hatte ihm so geantwortet: »Kommst du übers Jahr in demselben Boote wiederum, wie du heute kamst, so soll geschehen, wie du willst.« Weil er nun an seine Hochzeit dachte, war er unwillig, eine solche gefährliche Fahrt zu fahren. Aber nun hatten die drei sich das in den Kopf gesetzt, dass Sjúrđ mit ihnen fahren sollte, und da er nun nicht im guten wollte, kamen sie eines Ostermorgens früh in die Stube, wo er lag und schlief,[144] zogen ihn unter der Decke heraus und versicherten, dass er das Leben lassen solle, wenn er nicht darauf eingehen wolle, was sie im Sinne hatten, und sich nicht mit ihnen verbinden wolle. Da liess er es sich gefallen.

So gingen alle vier vor die Thür, liessen sich zur Ader und liessen das Blut zusammenrinnen, um zu sehen, ob alle in dem, was man nun vorhatte, gleichgesinnt wären. Aber das Blut Sjúrđs wollte nicht mit ihrem Blute zusammenfliessen, und darum wurden sie zornig und sie sagten: »Nun wollen wir dich töten, denn du willst nicht mit uns halten.« Aber Sjúrđ antwortete: »Das ist nicht so, wie ihr glaubt; ist so wenig Witz in euch, dass ihr nicht seht, dass deshalb mein Blut mit eurem nicht zusammenfliessen will, weil euer Blut heiss ist, aber meines kalt?« Sie sahen da ein, dass das wahr sei. An der Stelle, wo sie ihr Blut mischten, wuchsen zwei Hügel aus der Erde, und sie sind bis heute gesehen worden.

Am Ólafstag [29. Juli obitus, 3. August translatio scti Olai] fuhren diese vier Räuber oder Raubschärler, wie sie nun bald genannt wurden, nach [Thors-] Havn, um mit den anderen Færoyingern über ihr Vorhaben zu reden, sich alle Færoyer zu unterwerfen, welche damals unter ausländischer Herrschaft standen. Sie bekamen da fünfzig zur Gefolgschaft als Unterstützung; die meisten von diesen waren aus Suđuroy. So wurde abgemacht, dass sie auf dem Gataisthmus sich treffen sollten, und sie sollten sich gegenseitig daran erkennen, dass ihre Boote an der einen Seite geteert sein sollten, und weiss an der anderen. Aber das war den Raubschärlern nicht zum Vorteil, dass sie andere als Gefolgschaft für sich gewonnen hatten, denn da wurde ihr Vorhaben ausgetragen und bald auf allen Færoyern bekannt, so dass das Volk an den meisten Orten Wacht vor den Raubschärlern hielt.

Als die vier Raubschärler wieder aus Havn heimkamen, versuchten sie, sich ganz Fugloy zu unterwerfen. In Fugloy sind nicht mehr als zwei Siedelungen: Hattarvík, wo die Raubschärler wohnten, und Kirkja, welche so genannt war, weil eine Kirche hier erbaut war. Sie fuhren da vollbewaffnet nach Kirkja; aber hier hieltend die Leute Wache, und als sie die Raubschärler sahen, flohen alle aufs eiligste in die Kirche hinein, denn die Kirche war ein geweihtes Heiligtum, so dass nicht der ärgste Räuber es wagte, hier den Frieden zu brechen. Als die Raubschärler das Volk in die Kirche fliehen sahen, sagten sie zu Sjúrđ: »Du bist der schnellste, Sjúrđ, beeile dich hinabzukommen und töte jeden, dessen du habhaft wirst.« Sjúrđ rannte da was er nur konnte, und als er zu den Häusern kam, sah er ein kleines Kind, welches sie in ihrem Entsetzen vergessen hatten, in die Kirche mitzunehmen. Sjúrđ wollte am liebsten das Kind wegschaffen; aber er wollte auch, dass die Raubschärler ihn für tüchtig und böse halten sollten, damit sie nicht wieder Verdacht gegen ihn fassen sollten. Er stach daher den Speer in die Kleider des Kindes und warf es über eine Hausreihe, um es vom Wege wegzubringen, denn jene hätten zweifellos[145] das Kind getötet, hätten sie es gefunden. Aber weil er bebte, so warf er so hart, dass das Kind steintot blieb, als es wieder auf die Erde niederfiel. Die Fussspur, in der Sjúrđ stand, als er das Kind über die Hausreihe warf, wird noch gesehen, denn dort ist später kein Grashalm gewachsen. Weil sonst alles Volk im Dorfe in die Kirche geflohen war, so dass ihnen nichts angethan werden konnte, mussten die Raubschärler mit langen Nasen nach Hattarvík zurückfahren.

Sie gedachten nun, es mit dem Bauer in Árnafjord zu versuchen und zogen daher ihr Boot, geteert an der einen Seite, weiss an der anderen, ins Wasser.

Als sie ein Stück vom Lande gekommen waren, entschlüpfte es Sjúrđ: »Zu schön ist Eystfelli, davon wegzufahren!« Hálvdan Úlvsson erwiderte: »Schwächling, schöner sind alle Færoyer.« »Wenn du sie hast«, antwortete Sjúrđ. – Sie kamen nun zum Bauer in Árnafjord ins Haus; er war sowohl gross wie stark und leistete Hálvdan Widerstand; sie kämpften lange miteinander und es schien gleich zu stehen. Als der Knecht des Bauern dies sah, legte er sich vor die Füsse des Bauern, so dass dieser über ihn fiel. Hálvdan Úlvsson hieb ihm da mit seinem Schwerte das Haupt ab. Als er tot war, wandte sich der Knecht zu dem kopflosen Körper und sagte: »Nun erhieltest du Lohn für deine [schlechte] Milch.«

Von hier fuhren sie durch den Hvannasund und dann hielten sie an den Kunoyarklippen vorbei, denn sie wollten nach Kunoy. Als sie an den Klippen vorbeikamen, war hier ein Boot auf der Ausfahrt; als die Männer auf dem Boote sahen, wie jenes Boot gefärbt war, wussten sie sofort, dass das die Raubschärler waren, und sie beeilten sich daher, in eine Kluft zu fahren. Keiner von den Raubschärlern ausser Sjúrđ hatte das Boot gesehen. Als die Raubschärler an der Kluft vorbeifuhren, musste ein alter Mann in jenem Boote husten; sowohl Sjúrđ als Hálvdan Úlvsson hörten das. Hálvdan sagte: »Hier ist ein Boot drinnen«; aber Sjúrđ antwortete: »Immer hast du Verdacht; hörst du nicht, dass das die See ist, welche sich in der Kluft bricht?« »Es kann sein, dass es so ist, wie du sagst,« antwortete Hálvdan, und sie ruderten ihres Weges.

So wollte es der Zufall, dass ein Sohn des Bauern auf Kunoy an demselben Tage draussen auf dem Grasgang war. Der Nordwestwind hatte grosse Schneehaufen aufgehäuft. Als Árni – so hiess der Sohn des Bauern – den Grasgang zu Ende gegangen hatte, war er müde, denn es war viel Schnee vor seinen Füssen gewesen. Er hatte sich kaum niedergesetzt, um sich auszuruhen, als er ein Boot sah, das zum Lande hielt. Er rief sie an und fragte, wohin sie gedächten; sie antworteten: nach Kunoy. Er war froh, dem Heimwaten durch den Schnee zu entgehen und bat sie, ihn ins Boot aufzunehmen; das sei ihnen ein Vergnügen, sagten sie. Als er ins Boot gekommen war, sah er einen Haufen Waffen hier; rückwärts im Achtersteven lagen vier Schwerter, je eines für jeden Raubschärler;[146] dann hatten sie auch sowohl Äxte als Speere. Er begann da zu argwöhnen, das möchten die Raubschärler sein, bei denen er im Boote war; Entsetzen befiel ihn, wie zu erwarten steht, aber er liess sie das nicht an ihm merken. »Willst du mit uns sein?« fragte Rógvi Skel Árni. »Wozu?« antwortete Árni. »Die Færoyer zu gewinnen,« antwortete Rógvi. »Ja, das will ich,« erwiderte Árni. Da sagte Rógvi: »Nun sollst du zuerst Vormann nach Kunoy bei uns sein, denn wir kennen uns nicht gut aus.« »Das will ich thun,« antwortete Árni, »dorthin bekommt ihr keinen besseren Vormann als mich; ich will nun den Weg in vier Teile teilen: das erste Viertel soll Rógvi Skel steuern, das andere Högni Nev, das dritte Hálvdan Úlvsson und das vierte Sjúrđ.«

Darauf sass er still und war wie zwischen Erde und Hölle, denn er erwartete sich den gewissen Tod.

Da begann Sjúrđ mit ihm zu reden, doch leise, damit es jene nicht hören sollten, und sagte: »Nun ist dir der Tod gewiss, denn die Raubschärler schlagen dir den Kopf ab, bevor sie ans Land legen; ich weiss keinen anderen Rat für dich, als dass du auf die flache Klippe unter Kunoy springst und versuchst, von dort auf das Land zu springen; willst du das versuchen, so werde ich das Boot dicht an die Klippe steuern.« Árni glaubte, von der Schäre an das Land springen zu können.

Hálvdan Úlvsson bemerkte, dass sie im geheimen miteinander sprachen; er rief Sjúrđ plötzlich an und sagte: »Was ist das, Sjúrđ, worüber ihr sitzt und flüstert; warum dürfen wir das nicht hören?« Sjúrđ erwiderte still: »Sage dem Volke, das wohl noch in der Kirche ist, dass sie nicht aus ihr herausgehen dürfen; denn nirgends sind sie vor den Raubschärlern sicher, ausser in einer geweihten Kirche. Denke nun wohl daran, was ich dir gesagt habe.« »Das will ich,« antwortete Árni. Hálvdan Úlvsson nahm nun zum zweitenmale das Wort, war zornig und sagte: »Was für ein Geheimnis ist das, worüber du mit ihm zu flüstern hast? Sitze nicht und flüstere und flüstere, sondern sprich laut, dass wir hören können, was du sagst«. Sjúrđ antwortete: »Ich fragte ihn, ob die Kühe in Kunoy noch ebenso fett sind, wie sie in alter Zeit waren, und er sagt, es sei so.« Als sie sich der Landungsstelle in Kunoy näherten, steuerte Sjúrđ dicht an die Klippe, und als sie gerade an ihr vorbeifuhren, sprang Árni aus dem Boote auf die Klippe und von dort auf das Land; die Klippe liegt aber sechsthalb Ellen vom Lande, so dass ein Achtruderer dazwischen durchfahren kann. Sjúrđ nahm eine Axt und warf nach Árni, aber mit Willen traf er nicht. Hálvdan Úlvsson sprang eilig auf die Klippe, um Árni zu verfolgen, aber er wagte nicht, auf das Land zu springen und musste deshalb einen unbequemeren Weg fahren; der Kunoyinger, der leicht zu Fuss war, kam ihm so um etwas voraus, aber als Hálvdan sah, dass er ihn nicht wieder erwischen konnte, schleuderte er die Axt nach ihm. Sie sauste acht Faden in der Luft und kam dann auf den Fels in die letzte Fussspur[147] nieder, welche Árni getreten hatte. Das Loch von der Axt sieht man noch heute deutlich im Felsen. Árni rief in die Kirche hinein und warnte jeden, von dort herauszukommen, denn die Raubschärler seien ins Land gekommen; darauf eilte er in das Gebirge und verbarg sich dort.

Als die Raubschärler zu den Häusern kamen, sahen sie, dass alle Kunoyinger in der Kirche waren; sie begannen da daran zu denken, dass es am besten wäre, zu versuchen, sich Freundschaft bei den Kunoyingern zu gewinnen; sie verbargen darum ihre Waffen, bejahten, dass sie Räuber seien, aber gelobten, dass sie den Kunoyingern nichts böses anthun wollten; und so war hier Friede und Freundschaft. Einmal, als darüber gesprochen wurde, dass geweihte Kirchen vor Räubern schützten, fragten sie die Kunoyinger: »Wo ist die Kirche auf den Færoyern, die uns schützen kann?« Die Kunoyinger antworteten: »Das ist die Svínoykirche, denn sie ist die letztgeweihte.« Aber das war eine Lüge, denn die Svínoykirche war die einzige Kirche auf den Færoyern, welche ungeweiht war.

Die Raubschärler sagten, dass ihre Absicht sei, nach Tröllanes zu fahren und fragten die Kunoyinger, wann es am besten wäre, dorthin zu fahren. Die Kunoyinger antworteten: »Nord-Nordostwind ist die beste Windrichtung und höchster Stand der Westströmung ist die beste Meerströmung.« Sie verweilten noch einige Tage auf Kunoy, dann aber schien ihnen die beste Gelegenheit zur Überfahrt nach Tröllanes gekommen zu sein. Als sie ein Stück vom Lande gekommen waren, war es so schlimm in der See, dass sie nahe daran waren, unterzugehen; sie wagten deshalb nicht, ihren Weg fortzusetzen, sondern kehrten nach Kunoy um. Die Kunoyinger fragten da: »Warum kommt ihr so bald zurück?« »Wir kamen nicht weiter wegen der Wut der See,« antworteten sie. Aber die Kunoyinger sagten da: »Wäret ihr weiter gefahren, so wäret ihr aus aller Gefahr gekommen.« Als die Raubschärler dies hörten, ermannten sie sich und fuhren zum zweitenmale weg nach Tröllanes. Obwohl die See nun noch schlimmer war, als das erste Mal, wollten sie nicht umwenden, sondern ruderten geradeaus dicht zum Landungsplatz von Tröllanes. Aber hier ging die Brandung bis zum Grase hinauf, über vierzig Ellen schoss sie die Klippenwand hinauf, so dass man nicht daran denken konnte, hier zu landen; Wut war in der See und ein Sturm im Winde, so dass sie am Leben verzweifelten. Sie steuerten deshalb nach Kunoy zurück und konnten gerade nur von sich selbst Botschaft bringen [d.h. sie mussten zufrieden sein, ihr Leben gerettet zu haben]. Sie sagten da zu den Kunoyingern: »Wir kommen niemals nach Tröllanes; wir waren dicht am Landungsplatz, aber es war nicht daran zu denken, an das Land zu kommen,« und so schworen sie einen teuren Eid darauf, dass sie nicht wieder versuchen wollten, nach Tröllanes zu kommen, ehe sie sich alle Færöer unterworfen hatten. Da antworteten die Kunoyinger: »Wäret ihr um die Zange gekommen, welche bei der Landung liegt, so war es erreicht.« Aber das war eine Lüge, wie[148] alles andere, was die Kunoyinger den Raubschärlern gesagt hatten; würden sie weiter gefahren sein, so wären sie ertrunken.

Die Raubschärler sassen nun ruhig auf Kunoy, bis sich die Zeit näherte, wo sie sich, wie abgemacht war, auf dem Gataisthmus treffen sollten. Sie fuhren da eines Abends weg und steuerten an Götunes vorbei. An demselben Abend waren die Vágleute auf der Ausfahrt; sie sahen das Boot der Raubschärler und erkannten es an der Farbe, denn es war Mondschein, und flohen daher eiligst in eine Kluft an der Westseite von Borđoy. Sjúrđ hatte das Boot deutlich gesehen, und als es in die Mündung der Kluft einfuhr, bemerkte es Hálvdan Úlvsson. »Hier fuhr ein Boot in die Kluft,« sagte er. Aber Sjúrđ antwortete: »Du siehst immer so viel; siehst du nicht, dass das der Mond ist, welcher auf die Brandungswogen am Lande scheint?« »Das kann so sein,« dachte Hálvdan bei sich, und so ruderten sie ihres Weges. Hernach ist die Kluft Mánagjógv [Mondschlucht] genannt worden.

Nun ist davon zu berichten, dass die, welche die Amtsgewalt auf den Færoyern hatten, von dieser Zusammenkunft gehört hatten, welche auf dem Gataisthmus stattfinden sollte, und die Fünfzig, welche sich die Raubschärler auf dem Thing in Havn zur Gefolgschaft gewonnen hatten, wurden nun festgesetzt und konnten deshalb nicht kommen. An dem Tage, an dem das Zusammentreffen stattfinden sollte, waren in Gata Færoyinger aus allen Gegenden, viele Hundert, zusammengekommen, um diese vier Raubschärler von den Nordinseln zu fangen. Als sie nun mit ihrem Boote landeten, das an der einen Seite geteert und weiss an der anderen war, und diese ganze Menschenschar sahen, und sahen, dass sie alle ihre Feinde waren, aber keinen Freund sahen, keinen ihrer Männer, da wendeten sie eiligst das Boot und ruderten aus Gata weg. Ihnen fiel ein, was die Kunoyinger gesagt hatten, dass die Svínoykirche die letztgeweihte sei, und deshalb nahmen sie ihre Zuflucht zu der Fahrt nach Svínoy. Sie legten nördlich von der Landenge an, zogen das Boot auf das Land, gingen über die Landenge und in die Siedelung hinab, und so vergnügt waren sie da, dass sie wie kleine Jungen zu spielen und mit Steinen nach einem Ziele zu werfen begannen.

Aber die Færoyinger ermannten sich, wappneten sich aufs beste und fuhren mit zahlreichen Booten nach Svínoy, um die Raubschärler festzusetzen. So wird erzählt, dass gegen siebzig Bote miteinander dorthin fuhren. Als sie unterhalb der Landenge anlegten, sahen sie das Boot der Raubschärler hier stehen und bekamen auf diese Weise zu wissen, dass dieselben in Svínoy waren. Sie machten da Halt und sandten die erste Schar hinab, um die vier Männer zu ergreifen; aber die hörten da auf zu spielen, ergriffen ihre Waffen und wehrten sich mannhaft. Als die Færoyinger das sahen, sandten sie unverzüglich die zweite Schar gegen sie; aber die Raubschärler wehrten sich tapfer und es ist ungewiss, ob sie nicht gewonnen[149] hätten, wären nicht so viele gegen sie gewesen. Die Færoyinger sandten da die dritte Schar hinab, und in dieser waren viele starke und wohlbewaffnete Männer. Als die Raubschärler sie kommen sahen, verloren sie den Mut und flohen zur Kirche. Hier legten sie ihre Waffen vor der Kirchenthür nieder, gingen darauf in die Kirche hinein und glaubten nun ausser aller Gefahr zu sein. Aber die Færoyinger wussten, dass die Svínoykirche ungeweiht war: sie wählten daher die stärksten Männer aus, zuerst in die Kirche hineinzugehen und an die Raubschärler Hand anzulegen; so wurden sie festgenommen und gebunden.

So war das Urteil lange vorher gefallen, dass diese vier Raubschärler aus den Nordinseln von der höchsten Valaklippe bei Skálabotn herabgestürzt werden sollten. Sie wurden da zuerst nach Gata geführt und zu dem Bauern »unten bei Hús« eingebracht.

Als die Tochter des Bauern Sjúrđ mit am Rücken gebundenen Händen und zum Tode verurteilt sah, weinte sie und sagte: »Ich sehe, du kommst als anderer heute, als du heute vor einem Jahr kamst, da du um mich freitest;« das war just der Tag, den sie ein Jahr früher Sjúrđ bestimmt hatte, als er um sie warb. Sjúrđ weinte und konnte vor Sorge und Kummer kaum reden.

Die Gefangenen erhielten einige Zeit, um sich zum Tode vorzubereiten. Hálvdan Úlvsson, Högni Nev und Rógvi Skel setzten sich da zu Tisch und thaten sich gütlich an gedörrtem Fleisch und allerhand guten Speisen und Getränken, aber Sjúrđ nahm sein Gebetbuch, um darin zu lesen, und bat Gott, ihm seine Sünden zu vergeben. Als die Færoyinger das sahen, fassten sie noch mehr Wohlwollen gegen Sjúrđ; sie gedachten daran, dass er gegen seinen Willen genötigt gewesen, Räuber zu werden, und dass er versucht hatte, soviel Böses zu verhindern, als in seiner Macht stand, und deshalb wollten sie ihm Leben und Sicherheit schenken. Aber Sjúrđ begehrte sein Leben zu lassen; »ich habe in das Böse eingewilligt, das jene begangen haben,« sagte er, »deshalb will ich dieselbe Vergeltung empfangen wie sie, und wenn ich diesmal losgekommen wäre, so könnte ich dazu kommen, ein anderes Mal Böses zu thun.«

Die Raubschärler wurden darauf auf die höchste Valaklippe geführt, von dort hinabgestossen und unten begraben. Ihre Gräber sieht man noch heute; die Gräber der Drei sind schwarz und hässlich, Sand und Stein; aber das Grab, in dem Sjúrđ ruht, das ist schön; immer ist es mit grünem Grase geschmückt.

1

Zur Übersetzung des fær. »Flokksmenn« nach Analogie von »Freischärler« gebildet.

Quelle:
Jiriczek, Otto L.: Færöerische Märchen und Sagen. In: Zeitschrift für Volkskunde 2 (1892) 1-24, 142-165, Berlin: A. Asher & Co, S. 143-150.
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