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Ein Kaufherr wettet mit drei Bauersöhnen, daß sie ihm kein Märchen ohne »Es war einmal« erzählen könnten. Nur dem Jüngsten gelingt es. – Soll darthun, wie der in aller Welt, auch im Alterthum schon gebräuchliche Anfang »Es war einmal« so ganz und gar mit der Märchenerzählung verwachsen ist.
Ein Sohn wird von seinem Vater vor der weißen Zwiebel gewarnt, erfährt, daß diese ein schönes Weib sei, das die Männer zum Spiele verlocke, und verliert an sie sein ganzes Erbe. Erst zuletzt erhält er die Weisung, sich des unterm Spieltische versteckten Ringes zu bemächtigen, und nun ist das Glück auf seiner Seite. Er gewinnt alle Reichthümer und ihre Hand dazu. – Im »Pecorone«, 1. Novelle des IV. Tages, gelingt es der Frau, durch einen Schlaftrunk über die Männer zu siegen. Giannotto wird durch eine gute Dienerin gewarnt. – Entfernte Aehnlichkeit auch mit dem Märchen: »Das goldene Schachspiel.«
Eine kinderlose Königin beneidet einen Rosmarinstrauch um seine Schößlinge und gebiert ein Rosmarinsträuchlein. Dieses entführt ein Prinz, und sobald er auf seiner Flöte bläst,[248] kommt ein schönes Fräulein aus dem Sträuchlein. Er zieht in den Krieg, und seine drei bösen Schwestern bereiten dem Mädchen arge Mishandlungen. Der Gärtner, dem das Sträuchlein zur Pflege anempfohlen war, entflieht aus Angst, wird nächtlicherweile Zeuge der Unterhaltung eines Hexenpaares, erfährt ein Mittel zur Heilung der Gemishandelten, und alles endet gut. – In dem »Cunto de li cunti«, Giorn., I, 2, »La Mortella«, ist es ein Myrtensträuchlein mit einem Glöckchen daran. Auch im deutschen Märchen.
Zwei Gevatterinnen haben im Garten einer Hexe des öftern Kohl gestohlen. Erwischt, muß die eine, die ein Kind unterm Herzen trägt, dieses der Hexe versprechen, wenn es sechzehn Jahre alt geworden. Es wird in einem Stalle von der Alten gefüttert, schiebt diese aber beim Brotbacken in den Ofen. – In einem Märchen von Polizzi: »Li cummari«, ist es ein Drache, dem das Kind versprochen wird. Weiter findet es sich »Pentamerone«, II, 1; Grimm, Nr. 12, was zunächst den Eingang betrifft. Bei Imbriani, Nov. fior. Nr. 12: »Prezzemolina«, hat die schwangere Frau Petersilie gegessen. Auch in einem neapolitanischen, im Cunto de li cunti II, 1: »Petrosinella«, ebenso im venetianischen, Cernoni, Nr. 12: »La Parzanolina.« Ferner in den Nov. pop. bologn. der Coronedi-Berti: »La Fola di Zuanein«, in einer sorrentiner Tradition von Kopisch: »Il Barcaiolo e il Diavolo«, wo der Teufel dem armen Fischer Gold gibt für einen sieben Jahre später geborenen Sohn. In einer piemontesischen Legende pflückt eine Frau im Garten des Drachen trotz vorhergegangener Warnung Blumen und wird während des Schlafes geraubt. (Pitrè erinnert an die corrumpirte Sage von Proserpina.) Bei dem nächtlicherweile geraubten Kohl gedenkt Imbriani der Verse Horaz, Sat., I, 3, welche möglicherweise auf ein altes Märchen anspielen könnten:
Noch wird auch die Vernunft darthun, daß Gleiches verschulde,
Wer Kohlsprößlinge sich ausbrach in dem Garten des Nachbars,
Und wer nächtlich die Tempel der Götter geplündert.
Das Kind im Stall und der Backofen, in dem die Hexe verbrennt, erinnern an unser »Hansel und Gretel«.
[249] Die Teufel schmieden einen mit sieben zweifelhaften Tugenden begabten Ring und geben ihn, damit sich die Hölle wiederum bevölkere, einem bösen Weibe zum Gebrauch. – Timolaus, bei Lucian, wünscht sich fünf Ringe mit verschiedenen Kräften ausgestattet.
Humoristische Illustration zu »Kleine Ursachen, große Wirkungen«. Eine Alte gewinnt durch eine Erbse einen Hahn, durch diesen ein Schwein, eine Kuh u.s.f.
Der berühmte Zauberer Virgil wird von seiner bösen Frau arg behandelt, er schließt ein Teufelsbündniß, und die Teufel martern das Weib auf alle nur erdenkliche Weise. Da Virgil stirbt und ihn weder Hölle noch Himmel aufnehmen wollen, bereitet ihm sein Freund ein Grab auf einer einsamen Insel, wo er noch immer Stürme erregt. – Ein interessanter Beitrag zu Comparetti, »Virgilio nel Medio evo«, in welchem zu lesen, wie Konrad von Querfurt, Kanzler Heinrich's VI., wo er von neapolitanischem Volksglauben spricht, auch des Virgil erwähnt, und wie seine Gebeine in einem vom Meere umringten Schlosse geborgen seien, dort aber, sobald sie ausgestellt würden, Sturm und hohes Meer erzeugten. – Auch im deutschen Märchen dauert die Angst vor dem Drachen, selbst wenn er erlegt ist, fort. Noch immer kann er schaden, und es entsteht Sturm, sobald man Steine in die Wetterlöcher und Seen wirft, wo er liegt. Pilatus ist ein solches Gespenst. Schon Plinius erzählt Gleiches von Dalmatiens Küste. Der Gespensterseen, die man nicht ohne Gefahr ergründen darf, sind unzählige. In der Schweiz der Pilatus, der Wildsee ob Filters im Sarganserlande, der See im graubündener Zezninathal, auf der Schamseealp der Calendarisee u.v.a.
Ein Ritter und ein Notar wetten miteinander, wer von beiden zuerst über eine Frau, deren Mann verreist, siegen[250] würde. Der Notar verwandelt sich durch Teufels Hülfe in einen Papagaien, fliegt in das Fenster der eingeschlossenen Frau, warnt diese und vertreibt ihr durch seine Märchenerzählungen die Zeit, sodaß die von dem Ritter abgesandte Alte, welche die Frau zum Ausgehen verlocken soll, nicht zu ihrem Ziele kommt. Zuletzt erwürgt der Papagai den heimkehrenden Gatten und heirathet die Frau. – Drei Märchen in einem indischen Rahmen: die Geschichte von den sieben weisen Meistern, deren jeder durch je eine Erzählung die von der Stiefmutter betriebene Hinrichtung des Königssohnes zu hintertreiben sucht – in den »Siebzig Erzählungen des Papagaien«. – Das Motiv findet sich auch in der Odyssee, 3. Gesang. Da empfiehlt Agamemnon, ehe er nach Troja abreist, seine Frau einem Kitharöden, daß er durch seine Lieder ihr Herz vor Schaden bewahre. Erst als der Sänger durch Aegistheus fortgebracht und den Vögeln zur Speise gegeben worden war, drang dieser selbst siegreich in Haus und Herz Klytämnestra's ein.
Ein armer Schuster bekommt von seinem »Glücke«, in dem Augenblick, da er sich voll Verzweiflung das Leben nehmen will, ein geldmachendes Messer; dieses wie den ihm später geschenkten Gold-Esel listen ihm die Mönche eines Klosters ab, und erst durch die zuschlagenden Leisten kommt er wieder zu diesen Gütern. – Gehört mit »Beutel, Mäntelchen und Wunderhorn«, »Die Gaben des Nönnleins«, »Das goldene Schachspiel« in die Kategorie der Wunschmärchen, die zu des Volkes Lieblingsmärchen gehören. Die Varianten sind sehr zahlreich. Zuerst handelt es sich um Esel, Tischtuch und Knüppel. Pentamerone, I, 1; Schneller, Nr. 15; Schott, Nr. 20; Grimm, Nr. 36; Zingerle, II, 185. Ober Esel, Tisch, Knüppel; Bock, Tuch, Knüppel; Ziege, Tuch, Hut u.a. – Im Märchen vom Schuhflicker ist das Glück personificirt und erinnert an die Fortuna der Römer, bei denen sie eine Macht war, »welche bald in günstigen, bald in ungünstigen Fügungen als die Quelle alles Unverhofften und Unberechbaren im Verlaufe des menschlichen Lebens angesehen ward«. (Preller »Röm. Myth.«.)
[251] Ein König wollte seine jüngste Tochter tödten lassen, weil sie ihn »wie Wasser und Salz« nur liebte. Man schlachtet ein Hündlein statt ihrer. Im Walde irrend, wird sie von einem wilden Manne aufgenommen, der ihr, nachdem er sich selbst geopfert und in große Schätze umgewandelt hat, zur Hochzeit mit einem Königssohne verhilft, bei welcher ihrem eingeladenen Vater die Speisen ohne Wasser und Salz vorgesetzt werden. – Shakspeare, »König Lear«.
Ein Königssohn verirrt sich auf der Jagd, begegnet der Tochter eines Riesen, die ihm Zaubersprüche sagt, mit welchen er die schweren Aufgaben des Riesen (einen Berg ebnen, ein Nest von einem unzugänglichen Baume holen, einen glühenden Backofen kehren) vollbringen kann. Das Pärchen entflieht und verwandelt sich, verfolgt, in eine Kapelle und einen Priester u.a. Die dem Mädchen nachgeschleuderte Verwünschung, er werde sie beim ersten Kusse seiner Mutter vergessen, trifft ein, und erst zwei seine Geschichte erzählende Puppen, die das Mädchen gesandt, erwecken ihm die Erinnerung an dieses, worauf er sie heirathet. – Klingt bedeutend an die alte Griechensage von Jason, Medea und Aietes an. – Die Verwandlung der Fliehenden in Kirche und Sakristan, Garten und Gärtner, Rosenstock und Rose, Kuh und Mann, Ente und Wasser, Erle und Vöglein, Reisfeld und Wachtel, sowie der Kuß als Ursache des Vergessens der Braut und die Erinnerung durch Tauben oder Puppen kehren in vielen andern Märchen bei Grimm, Müllenhoff, Haltrich, Kletke, Wolf u.a. sowie in verschiedenen italienischen wieder.
Eine kluge Kaufmannstochter wird mit dem Sohne des Königs verheirathet. Er heirathete sie aber, um Rache wegen einer von ihr empfangenen Ohrfeige an ihr nehmen zu können. Er sperrt sie in ein Loch, sie setzt sich in Correspondenz mit dem Vaterhause, und wie der Königssohn abreist, reist sie ihm zuvor und erscheint ihm in drei verschiedenen Städten als neue Frau.[252] In jeder Stadt bekommt sie ein Kind von ihm, und als der Königssohn in seine Heimat zurückkehrt und freien will, stellt sie sich ihm als seine rechtmäßige Gemahlin mit den drei königlichen Prinzen dar, worauf sie sich nicht mehr trennen. – Aehnlich im »Decamerone«, III, 9, wo Giletta, von Beltrano verlassen, von diesem unerkannt geliebt wird. Auch sie kehrt mit den inzwischen geborenen Kindern zu ihm zurück. Auch in den tiroler Märchen. Vgl. auch »Pentamerone«, V, 6.
Ein geheimnißvoller zauberkundiger Albanese nimmt nach und nach drei Schwestern eines armen Holzhackers zu sich. Er bewohnt einen unterirdischen Palast und verlangt von den Schwestern, ihren Gehorsam zu prüfen, daß sie eine Todtenhand essen sollen. Die zwei ersten werden getödtet, die dritte aber siegt durch eine List, ruft die in einer Kammer aufgehäuften Leichen wie auch ihre Schwestern ins Leben zurück und entflieht. Der Albanese läßt sich als eine Statue in ihre Kammer tragen, sie zu tödten, doch kommt rechtzeitig Hülfe. – Ein unter verschiedenen Namen und Varianten in Italien viel verbreitetes Märchen, das dem Kreis des Blaubartmärchens angehört: Malu cani, Manu pagana, Manu virdi. Imbriani, Nov. fior.: Vom Bauer, der drei Söhne hatte, Der Orco, Der Räuber. Widter und Wolf, Volksmärchen aus Venetien: Der Teufel heirathet drei Schwestern. Bernoni, Fiabe pop. venez.: Il Diavolo. Comparetti, Nov. pop. ital.: La colonna d' oro etc.
Ein Königssohn will sich nur verheirathen, wenn er ein Mädchen findet, das einen sprechenden Bauch hat. Es wird gefunden. In der sonderbaren Begabung wie in den Antworten, die sie den Abgesandten gibt, soll sich die Weisheit des klugen Mädchens documentiren, eine Weisheit, die zuletzt in einem klugen Richterspruche und darin gipfelt, daß sie sich den König, der sich von ihr trennen will, durch eine List erhält, die bekannte List der Weiber von Weinsberg, die auch bei Grimm, Deutsche Sagen, I, 148, König Grünwald, vorkommt. – In diesem Märchen waltet der echte Märchenton, in ihm spiegelt[253] sich so recht wie in Kinderaugen die bunte Welt der Natur und der menschlichen Gesellschaft, und der Verstand oder die Erfahrung des weltkundigen Beobachters kommen durchaus nicht zu Wort.
Einem armen Mädchen wird von einer Zigeunerin geweissagt, daß sie dereinst die Gemahlin des Königs sein werde. Der Königssohn verliebt sich wirklich in sie, doch ist die alte Königin gegen die Heirath. Da er jetzt nun eine dem geliebten Mädchen ganz Gleiche heirathen will, läßt ihn die Königin öffentlich mit jener trauen, um am Abend die von ihr begünstigte Prinzessin unterzuschieben. Der Königssohn entdeckt den Betrug.
Ein grüner Vogel kommt auf die Rose einer Königstochter, sie belauscht ihn, und er entflieht und kommt nicht wieder. Sie macht sich auf, ihn zu suchen, kommt zu Einsiedlern, die sie mit Zaubergaben versehen, darauf fällt sie einem Riesen- (Hexen-) Paar in die Hände, muß drei schwere Arbeiten verrichten, wobei ihr der grüne Vogel und die Gaben der Einsiedler helfen. Der grüne Vogel wird zum Königssohn, an dessen Brautbett sie die Hochzeitsfackel halten soll. Sie entflieht mit ihm, wird von der Hexe verfolgt, Verwandlungen, glückliche Hochzeit. – Gehört in den Kreis der aus dem antiken Märchen »Amor und Psyche« hervorgegangenen Erzählungen. Amor, hier der grüne Vogel, fliegt davon, sobald er gesehen ward. Psyche muß, wie hier Pappelröschen, schwierige Aufgaben lösen, um zuletzt zum Glücke zu gelangen. Aehnliches Pentamerone, II, 9; Kunst, Ital. Märchen: Die vier Königskinder; Imbriani, II, 811: Prezzemolina, wo die Aufgabe lautet: die Kohlen weiß wie Milch zu machen u.s.w. Antik ist der Hochzeitsbrauch der angezündeten Fackel.
Ein Mann hat eine Elster, die sich, wenn er nicht zu Hause, in eine schöne Jungfrau verwandelt und den Feigengarten besucht. Einst findet er das Federkleid, verbrennt es, und sie[254] muß Jungfrau bleiben. – Gehört trotz der Elster unter die Märchen von den Schwanjungfrauen.
Nach Inhalt und Form eins der reizendsten Märchen. Ein Graf hält seine schöne Schwester von aller Welt abgeschlossen, sie öffnet sich in ihrer Einsamkeit einen Weg zu dem schlafenden Königssohne, den sie nächtlicherweile unerkannt besucht. Trotz angewandter Listen erwischt er sie nicht, bis sie endlich einen Sohn geboren, den sie dem Vater zur Seite legt, worauf er, um die Mutter zu finden, verbreiten läßt, dieses Kind sei gestorben. Wer an dem in der Kirche ausgestellten Sarge am meisten weinte, war die junge Gräfin, dadurch verrieth sie sich. – Erinnert leise an die nächtlichen Besuche der Fortuna bei Servius Tullius, in seinem Ausgange an Salomo's Urtheil, in seinem ganzen Gewebe an die Aschenbrödel-Märchen.
Ein Witwer heirathet wieder. Die Stiefmutter quält das Mädchen durch harte Arbeit, wobei dieser ein Schäfchen hilft, das der Vater ihr einst mitgebracht. Die böse Stiefmutter läßt es schlachten, aus den eingegrabenen Knochen kommen zwölf Jungfrauen, die das Mädchen für den Ball des Königs schmücken, wo schließlich alles verläuft wie in »Aschenbrödel«. – Im Grunde eine Vermischung des Märchens vom Machandelbaum mit Aschenbrödel. Hier ist es nicht der Bruder, der geschlachtet wird, sondern ein Opferlamm, das Schäfchen, dessen Knochen an die Gebeine des Huhnes im »Glasberg« erinnern, wo sie, da das Huhn als deutsches Opfer bei der Johannisfeier und als Lichtsymbol gilt, zur Befreiung des Lichtes in der Wintersonnenwende dienen. Das Ganze erinnert wieder an die leidende Psyche des griechischen Märchens und bedeutet, wie in allen andern Aschenbrödel-Märchen, die Gefangenschaft der Seele (der Natur) in der schlimmen Zeitlichkeit. – Viele italienische Varianten.
Ein armer Jüngling wird von einem »Mann aus Morgenland« auf einem Flügelroß auf einen Berg gesandt, Schätze[255] für ihn zu sammeln. Beim dritten mal kann er nicht wieder hinunter. Findet eine Alte, welche ihm räth, einer von zwölf Tauben-Jungfrauen den beim Baden abgelegten Schleier zu rauben. Jungfrau und Schleier übergibt er seiner Mutter, die sich die Schleier zweimal ablisten läßt, bis ihm die Alte endlich räth, denselben sofort zu verbrennen. – Taubenjungfrau, Schwanjungfrau dasselbe. Zahlreich sind auch im Deutschen die Märchen, wo der Held dadurch, daß er einer dämonischen Jungfrau beim Baden den Schleier raubt, sie zwingt, seine Gemahlin zu werden. In einigen derselben näht sich der Jüngling in eine Thierhaut und läßt sich von Vögeln hinauftragen. Der Mann, hier Mann aus Morgenland, wird auch als Jude bezeichnet. – Unter unsern deutschen Schwanjungfrauen sind die nordischen Walkyren, die nach Ablegung des Schwanenhemdes zu schönen Jungfrauen wurden, zu verstehen. Zumeist sind es drei badende Jungfrauen, die ihr Hemd am Ufer liegen lassen und nun dem zu eigen sind, der es ihnen raubt. W. Menzel findet, daß allen diesen wunderbaren Liebesgeschichten zunächst ein tiefes Gefühl für das Dämonische in der Liebe überhaupt zu Grunde liegt. – Vgl. Musäus' gleichnamiges Märchen.
Einem armen Vater wird sein Sohn von einer im unterirdischen Schlosse Hof haltenden Kaiserin abgekauft. Er lebt mit ihr in Herrlichkeit und Pracht, bekommt aber Lust, einmal auf die Oberwelt zurückzukehren, wobei er auf einem Turnier mit der unübertrefflichen Schönheit seiner Herrin prahlt. Sie kommt, stellt sich selbst dar, verschwindet aber alsobald für ihn, da er die rechte Stunde der Rückkehr versäumt. Unterwegs entführt er drei Räubern drei Wunschdinge und findet endlich den Weg zu seiner Herrin zurück. – Dieses Märchen ist eine Variante der in Italien oft bearbeiteten ältesten Novelle in Versen: Leombruno. Ein armer Fischer schließt einen Pact mit dem Teufel, ihm seinen Sohn zu übergeben und dafür immer volle Netze zu haben. Eine schöne Fee unter Adlergestalt führt den Sohn mit sich. Er wird ein berühmter Krieger und kämpft im Turnier und siegt. Dabei rühmt er sich, das schönste Weib[256] der Welt zu besitzen, und ruft sie zum Beweise herbei, worüber sie entrüstet ihm alles nimmt. Darauf irrt er durch die Welt, sie überall suchend, kommt in den Besitz eines unsichtbar machenden Mantels und eines Paares Siebenmeilenstiefel, findet die Gesuchte endlich, und alles endet gut. – Erinnert auch an das alte Sagengedicht vom Stauffenberge vom Ritter Petermann dem Temringer. Der lebte lange heimlich mit einer schönen Fee zusammen; als er sich aber verheirathen soll, zieht er zur Kaiserwahl nach Frankfurt, erringt im Turnier den Preis, und der Kaiser bietet ihm seine Tochter zur Frau an. Bei der Hochzeit erscheint die Fee, und bald darauf ereilt den Ritter der Tod.
Einem verirrten Mädchen gibt eine Nonne ein Tischtuch, das sich auf Wunsch mit Speisen deckt. Der Vater des Mägdleins gibt dieses seinem reichen Bruder auf dessen hartes Drängen, ebenso die zweite Gabe, bis ihm ein Knüppel das Verlorene wieder erzwingt. – Wie so viele andere ein Wunschmärchen. Das einsam irrende Mägdlein erinnert an die Stunde der deutschen Sonnenwende, in der, wie das Volk glaubt, Armen und Unschuldigen höhere Wesen begegnen, um sie zu beschenken. Die ausgestreute, vom Winde verwehte Kleie, die dem Mädchen den Heimweg finden lassen sollte, kommt in unserm »Däumling« als Brotkrumen vor, welche die Vögel auffressen.
Ein junger Königssohn zerbricht einer Hexe ihr Oelfläschchen, worauf sie ihn verwünscht, erst in der Heirath mit Schneeweiß-Feuerroth Frieden zu finden. Er findet diese in einem Hause in der Gewalt einer Hexe, die an ihren langen Haaren zum Fenster hineinsteigt. Dies thut auch der Prinz, worauf sie die Flucht verabreden. Sie nimmt sieben Fadenknäuel mit, deren jeder bei der Verfolgung der Alten ein Hinderniß bereitet. Auch hier das Vergessen der Braut durch einen Kuß und die Erinnerung durch zwei abgesandte Tauben, welche die Geschichte der Flucht erzählen. Vgl. »Bifara«. – Viele ähnliche Märchen in Italien. – Im Pentamerone: »Le tre cetra«. In Vigilia di Pasqua etc., von Gradi: »La ragazza dalle bionde trecce«.[257] Novelline di S. Stefano von De Gubernatis: »I tre aranci«. Bei Gozzi kann der Prinz nicht lachen, lacht über die Alte mit dem Oel und muß sich in die drei Orangen verlieben. – Die langen Haare kommen auch bei Grimm, Nr. 12: »Rapunzel«, vor, wo das Mädchen ebenfalls an ihnen den Königssohn zu sich heraufzieht.
Die Tochter einer Wäscherin läuft nach dem Tode ihrer Mutter in die weite Welt. Sie findet einen öden schwarzen Palast, in welchem sie mit fleißigen Händen Ordnung schafft. Jeden Abend erscheint die Kaiserin, um ihre drei Söhne, ihre drei schönen Kronen, klagend. Das Mädchen findet die Söhne erstarrt in einer Kammer und ruft sie durch ein Kraut, dessen Heilkraft sie durch Eidechsen erfahren, ins Leben zu rück. Heirathet den Aeltesten und wird Kaiserin. – Auch Psyche kommt auf ihrer Wanderung an den Cerestempel, wo sie die unordentlich durcheinandergeworfenen Geräthe ordnet.
Ein König verheirathet seine drei Töchter an einen Schweinehirten, einen Jäger und einen Todtengräber. Dem Königssohne wird die schöne Fiorita als Braut verheißen. Er sucht sie in der ganzen Welt, sucht und gewinnt sie durch die drei Gaben seiner Schwäger, die ihn die Aufgaben des fremden Königs, des Vaters der Fiorita, lösen helfen. – Viele, auch deutsche Varianten: Musäus, Märchen von den drei Schwestern; Grimm, III, 325; Kunst, Nr. 2; Hahn, Nr. 23; Pentamorone, IV, 3; auch ein florentinisches Märchen bei Imbriani. Aehnlich auch Grimm, Märchen, Nr. 62; Müllenhoff, S. 404; Wolf, Deutsche Märchen, Nr. 23, dessen Hausmärchen, S. 322; Bechstein, S. 28, 272; Pröhle, Märchen, Nr. 7. Der Apfel, den das gleich zweijährig geborene Kind dem Könige überreicht, kommt auch in einer holsteinischen Sage bei Müllenhoff, S. 431, vor.
Drei Söhne finden unter drei ihnen vom Vater vererbten Steinen jene drei Wunschdinge und werden reich damit. Eine[258] Königstochter weiß dem ersten aber den Beutel und später die ihm von seinen Brüdern geliehenen Dinge zu entreißen. Er findet, wie er verzweifelnd irrt, einen Baum mit schwarzen Feigen, deren Genuß Hörner erzeugt, während der der Früchte des weißen Feigenbaumes diese wieder verschwinden läßt. Diese Entdeckung verhilft ihm wieder zu den drei Gaben, indem er dem Hofe von den schwarzen Feigen verkauft und die entstandenen Hörner erst wegschafft, nachdem er seine drei Gegenstände zurückerhalten. – Aehnlich in dem »Goldenen Schachspiel« und in vielen andern Märchen. Pröhle, »Harzsagen«, Nr. 27, wo vier Brüder den Zauberseckel, den Zaubermantel und die Zaubertrompete, die ein Heer herbeiruft, und den Wunschhut besitzen. Auch hier die betrügerische Königstochter. In Wolf's Deutschen Märchen, Nr. 26: Königssohn mit Tischlein deck' dich, Krieger erzeugendem Rock, Geige, deren erster Ton alles tödtet, während der letzte alles lebendig macht. Auch bei E. Meier, Nr. 1; Bechstein, S. 154. Musäus, »Die drei Rolandsknappen«, wo eine Königin betrügt, mit tragischem Ausgang, indem die drei den Tod in der Schlacht suchen. – Der Wunschhut, die Tarnkappe, hier unsichtbar machendes Mäntelchen, erscheint in vielen Märchen. Der besondere Zug, daß sich der Jüngling, wie er meint unsichtbar, an den Tisch setzt und Prügel bekommt, findet sich auch bei Büsching, »Wöchentliche Nachrichten«, I, 78, und bei Kuhn, »Norddeutsche Sagen«, Nr. 291. Das Wunschhorn findet sich schon in den karolingischen Heldenliedern als Oberonshorn, wo Oberon das Gefolge Hüon's danach tanzen läßt. Bei Grimm, Nr. 54, wo die Soldaten aus einem alten Ranzen geklopft werden u.s.w.
Ein kluges Mädchen ist einer Lehrerin zur Erziehung übergeben, sieht täglich den Königssohn und neckt ihn ohne Aufhören. Er heirathet sie endlich, will sich aber an ihr rächen und schlägt der Braut den Kopf ab. Diese aber hatte an ihrer Statt eine Puppe ins Bett gelegt, eine Flasche mit Honig gefüllt, und wie er das süße Blut leckt, kommt ihm die Reue, worauf sie aus ihrem Versteck hervorkommt. – Durch ganz Italien verbreitet, auch schon im Pentamerone. Imbriani,[259] der Vielbelesene, erwähnt, was den Betrug mit der Puppe betrifft, auch noch des Polyareus, wo im VIII. Buche von dessen »Kriegslisten« Titus einen gleichen Betrug verübt.
Ein Hirtenknabe gewinnt seinem Herrn im Schachspiele alle Güter ab, erfährt von diesem, daß eine Königstochter im Schachspiel zu gewinnen sei, läßt sich ein goldenes Schachspiel fertigen und macht sich auf den Weg. Als er schlafend unter einem Baume liegt, schenken ihm drei Feen drei Gaben: ein Tischtuch, ein Wunschseckel und eine Zaubergeige. Die Königstochter listet ihm alles ab, er wird ins Gefängniß geworfen, triumphirt aber zuletzt über sie. – In folgenden Märchen verliert, nach Köhler, der Besitzer von Wunschdingen diese durch die List einer Prinzessin, um sie dann durch Früchte wiederzuerlangen: Gesta Romanorum, cap. 120. Volksbuch von Fortunatus und seinen Söhnen. Grimm, III, 202; Zingerle, II, 73 und 193; Curtz, S. 34; Peter, II, 188; Campbell, Nr. 10. Außerdem in einem rumänischen und einem finnischen Märchen. Instrumente, welche wie hier die Violine zum Tanze zwingen, bei Grimm, Nr. 110; Hahn, Nr. 34; Grundtvig, III, 75; Widter und Wolf, Nr. 14; Schneller, Nr. 16.
Zwei Knaben werden nach dem Genuß einer Drachenzunge geboren, einer von der Königin, der andere von der Magd. Sie wachsen als Freunde auf; da aber die Königin den Sohn der Magd mishandelt, zieht dieser in die weite Welt. Unterwegs rettet er einer Schlange, welche eine verzauberte Königstochter ist, das Leben, wird aber von einem Riesen in einer Höhle lebendig begraben. Sein Bruder befreit ihn. – Wie in der Einleitung gesagt, erinnert die durch ein Drachenherz befruchtete Königin an die alte Sage von Tarquinius, Tanaquil und der Magd Ocrisia; ferner an die geheimnißvolle Geburt des Scipio Africanus. Die Schlange ist wie im Alterthum befruchtender Schutzgeist der Ehe und individueller der einzelnen Familienglieder, gilt auch als das unter der Erde wirkende Lebensprincip, wie im deutschen Märchen, wo Kröten, Frösche[260] und Schlangen unterirdische Schätze hüten und als Sinnbild der in der rauhen Wintererde schlafenden Saat oder der in der Winternacht begrabenen Sonne zu nehmen sind.
Der Vater ruft nach erquickendem Trunke: »Wohl mir!« Der Zauberer, der diesen Namen trägt, erscheint und übernimmt den Sohn als Lehrling. Kampf des Meisters mit dem Schüler, wobei letzterer siegt. Ganz wie im deutschen Märchen. – Im griechischen Märchen seufzt die Mutter »Ach!« und ein Mohr erscheint. Bei Hahn, Nr. 110, kommt ein Zauberer »Ach« vor. In einem sicilianischen Märchen muß der Re cardillu erscheinen, wenn sich jemand auf einen gewissen Stein setzt und »Ach, weh mir!« ruft.
Erzählt, wie ein armer sinniger Knabe durch sein todtes Hündlein Fortuna sein Glück macht. Er legt der räthselsüchtigen Königstochter ein aus seinen Reiseerlebnissen zusammengestelltes Räthsel vor, und sie heirathet ihn.
Die Tochter einer armen Frau, deren Schwester eine reiche, aber hartherzige Gräfin war, geht spinnend dem Monde nach und bekommt von zwölf Brüdern alle guten Gaben geschenkt. Die Tochter der Gräfin möchte Gleiches erlangen, erhält aber das Gegentheil. Der König des Landes verliebt sich in die erste und läßt sie durch die böse Gräfin in seinen Palast geleiten. Unterwegs blendet sie diese und setzt sie aus. Durch zwei Körbchen Rosen bekommt sie ihre Augen wieder, und durch eine Stickerei erkennt sie der König und heirathet sie. – Erinnert in seinem ersten Theile an Frau Holle, im zweiten an Zittrinchen.
Vier Schwestern sitzen arbeitend auf der Terrasse, der Königssohn geht vorüber und verliebt sich in die jüngste, welche von den neidischen Schwestern in eine Grube geworfen wird.[261] Dort findet sie den Königssohn, verliert unbewußt ihre Unschuld, bis ihr die Augen durch die Schwestern geöffnet werden. Ihre Liebe verwandelt sich in Haß, und gleichgültig sieht sie den Jüngling in den Wellen versinken. Neun Monden umherirrend, gelangt sie in den Palast ihrer Schwiegermutter, wo ein wunderschönes Knäblein das Licht der Welt erblickt. Den Todtgeglaubten bringen die Feen zurück.
Ein Mädchen, dem ihr Korb in eine Grube gefallen, steigt hinab, ihn zu holen, kommt in die Wohnung der Hexe, benimmt sich artig und bescheiden, und kehrt reich begabt zu ihrer Mutter zurück. Der neidischen Tochter der Nachbarin, die ihre Tochter auf gut Glück hinabschickt, widerfährt nur Böses. – Aehnlich bei Frau Holle, Gold-Maria und Pech-Maria, wo an Stelle der Hexe Herr Türschemann vorkommt.
In einem zufälligen Rahmen drei Abenteuer dreier Jünglinge, durch deren Erzählung sie das Herz der Witwe rühren wollen. – Das Abenteuer des zweiten erinnert an Odysseus in der Cyklopenhöhle, der verhängnißvolle Ring an das in der Einleitung mitgetheilte Märchen »Der Florentiner«.
Einem behäbigen, in größter Seelenruhe und im Genusse dahinlebenden Abte wird die Ruhe durch die Aufgabe des Königs, die Sterne am Himmel zu zählen, ganz unerwartet gestört. Ein treuer Diener denkt für ihn und löst die Aufgabe durch ein Ochsenfell. – Es ist nicht nöthig, hierbei an Bürger's Gedicht »Der Kaiser und der Abt« (»Ich will euch erzählen ein Märchen gar schnurrig«) zu erinnern.
Ein beherztes Mädchen zieht in die Welt, ihr Glück zu machen. Sie verdingt sich bei einem Könige als Stallbub, der Königssohn wittert in ihr das Mädchen und sucht die Entdeckung durch Hülfe seiner Mutter herbeizuführen. Als sie[262] aber ans Meer zum Baden reiten, überlistet das Mädchen den Prinzen und kehrt reich in ihre Heimat zurück. Der Prinz sucht sie, als Händler mit goldenen Spinnrocken durchs Land ziehend, findet und heirathet sie. – Der Stoff findet sich auch im italienischen Volksliede, so in einem aus den Marken:
Cosà piangè', fratello,
Cosa piangè, ma vo'?
– Me tocca andà, alla guerra.
– Ci andarò io per vo –,
wo das Mädchen als ein Reitersbube dahinzieht, während des Feldherrn Sohn das Mädchen in ihr ahnt:
Da sie nun stand im Felde,
Fing sie zu singen an,
Da hat des Feldherrn Sohne
Sie's alsbald angethan.
»O meine liebe Mutter,
Hier ist ein schöner Soldat;
Der Schatten eines Mädchens
Hat mich verliebt gemacht.«
»O Sohn, mein liebes Söhnchen,
Gib ihm 'nen Edelstein,
Und ist's ein schönes Mädchen,
Es nimmt das Ringelein.«
Hier: »Ist's ein Mädchen, so pflückt es zuerst die Rose, ein Jüngling, die Nelke.«
Nach einem Schiffbruche umherirrend, kommt ein Jüngling in eine verwünschte Stadt, wo er die Tochter des Schlangenkönigs trifft. Er lebt mit ihr lange Zeit zusammen, ohne je ihre Gestalt zu sehen. Er verläßt sie auf kurze Zeit, seine Aeltern zu besuchen, erzählt der Mutter sein Abenteuer, und diese gibt ihm eine geweihte Kerze, mit der er sie beleuchten soll, woraus großes Leid entspringt. Er muß hinausziehen, mit einem Riesen zu kämpfen, dessen Leibe die drei Eier entnehmen, worauf der Zauber, der über Stadt und Jungfrau lag, gelöst wird. – Hier haben wir das Märchen von Amor[263] und Psyche in der Umkehrung, der Neugierige ist hier der Jüngling. Erinnert auch an Melusine, wie an die Sage von der schönen Melior, herausgegeben von Maßmann (»Partenopeus und Melior«), wo Partenopeus, Graf von Blois, auch auf einem Schiffe, zu einem fernen Palast kommt, in dem unsichtbare Hände ihn bedienen, unsichtbare Arme ihn umfangen. Durch den Rath seiner Mutter verleitet, beleuchtet er Melior im Schlafe, findet ein wunderschönes Weib, verliert sie aber sofort und muß sie sich erst nach langen Fahrten erkämpfen. Hierher gehört auch die Sage von Friedrich von Schwaben. Genthe, »Dichtungen des Mittelalters«, I, 171; Hagen's »Germania«, VII, 95. Auch hier bringt Neugier und Licht Unheil. – Der kämpfende Jüngling dürfte Lupercus, der Wolfsabwehrer, der mit dem Caecus um seine Rinder kämpfende Hercules sein. Der Zauberer mit dem Kaninchen, der Taube und den drei Eiern im Leibe kommt bei Grimm, Nr. 197, als ein kampfbereiter Auerochse vor. Glückt es, ihn zu tödten, so kommt aus seinem Leibe ein feuriger Vogel, der trägt in seinem Leibe ein Ei, in dem Ei als Dotter eine Krystallkugel. – Die Eier Symbol der aus dem Winterschlaf erwachenden Natur.
Ein König verliebt sich in seine Tochter mit den goldenen Zähnen; sie rettet sich vor ihm mit Hülfe des Papstes, der ihr befiehlt, vom Vater ein Sonnen- und Mondkleid, ein Meerkleid zu verlangen, und sie dann auf dem Meere aussetzt. Ein Königssohn fischt sie auf, heirathet sie; der Vater verwünscht sie, sie muß als Hindin die Wälder durchstreifen und wird erst glücklich, als sie auf der Jagd durch ihren Gemahl verwundet wird. – Vgl. hierzu Grimm's Hausmärchen, Nr. 15, »Allerleirauh«: dasselbe Gelüsten des Vaters, Sternen-, Mond- und Sonnenkleid.
Ein König stirbt vor Gram darüber, daß der Sohn des Kaisers von Frankenreich schöner ist als er. Mit jenem Jünglinge fängt die junge Königin durch Hülfe der in Milch geworfenen Zauberkugeln einen Verkehr an. Die böse Magd wirft Glassplitter[264] in die Milch, und der Jüngling erscheint, zum Tode verwundet. Die Königin macht sich auf, ihn zu sehen, erfährt durch eine Versammlung von Teufeln im Walde das Mittel zu seiner Heilung; er gibt ihr, ohne sie zu erkennen, seinen Ring zum Lohn, und an ihm erkennt er später ihre Treue.
Märchenhumor! Eine Schnellsprechübung, durch ganz Italien verbreitet, wie unser Kinderscherz:
Die Mutter schickt den Jokel aus,
Er soll den Haber schneiden.
Der Jokel schneidt den Haber nicht
Und kommt auch nicht nach Haus.
Da schickt die Mutter u.s.w.
Aehnlich wie das vorige. Derselbe Humor findet sich in einigen Volksliedern aus den Marken. »Das Lied von der Ameise«:
Weint die Ameis auf der Wiesen,
Möcht' ein Männlein sich zulegen –
Oder das »Lied vom Heuschreck«:
War einst ein Heuschreck klein
Mitten im Feld von Lein,
Die Ameis kommt gegangen
Und bettelt um ein Fädchen. –
Vgl. mein »Italiens Wunderhorn« (Stuttgart 1878), S. 133 fg.
Gehört in dieselbe Kategorie. Die deutsche Variante »Hühnchen und Hähnchen auf dem Nußberg«.
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