Ödĭpūs

[905] Ödĭpūs, König von Theben, Sohn des Laïos und der Jokaste (Epikaste). Laïos läßt infolge des Orakels, sein Sohn werde ihn töten, den Neugebornen mit durchstochenen Fußgelenken auf dem Kithäron aussetzen. Ein Hirt des Polybos von Korinth findet das Kind und bringt es seinem Herrn. Der kinderlose König und seine Gattin Periböa ziehen den Knaben, den sie wegen der geschwollenen Füße Ö. (»Schwellfuß«) nennen, an Sohnes Statt auf. Zum Jüngling herangewachsen, erhält Ö. in Delphi das Orakel, er werde seinen Vater töten und seine Mutter heiraten, und beschließt, nicht mehr nach Korinth zurückzukehren. Unterwegs erschlägt er seinen Vater, ohne ihn zu kennen. Nach Theben gelangt, löst er das Rätsel der Sphinx (s. d.) und erhält zum Lohn die Herrschaft und die Hand der Königin, seiner Mutter, mit der er den Eteokles und Polyneikes, die Antigone und Ismene zeugt. Als später Theben eine Pest heimsucht, befiehlt das Orakel in Delphi, den Mörder des Laïos aus Theben zu entfernen. Die Nachforschungen nach diesem bringen die schreckliche Wahrheit an den Tag, worauf Jokaste sich erhängt, Ö. sich blendet. Bei Homer herrscht Ö. bis an sein Ende weiter; nach späterer Sage entsetzen ihn die Söhne und kerkern ihn ein oder vertreiben ihn, der mit dem Fluch von dannen zieht, daß sie das Erbe mit dem Schwerte teilen sollten. Nach athenischer Sage wurden seine Gebeine von Theben nach Athen geholt, oder er stirbt im attischen Gau Kolonos und findet dort die Grabesruhe an unbekannter Stätte im Hain des Poseidon und der Eumeniden. Seine Gebeine galten als Schutz des Landes gegen feindliche Einfälle. Seine Schicksale behandeln Sophokles' »König Ö.« und »Ö. auf Kolonos«. Vgl. Schneidewin, Die Sage vom Ö. (Götting. 1852); Comparetti, Edipo (Pisa 1867); Bréal, Le mythe d'Œdipe (in »Mélanges de mythologie et de linguistique«, Par. 1878).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 905.
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