[55] Absorption (lat., »Ein-, Aufsaugung«). 1) Die A. der Gase durch Flüssigkeiten ist im allgemeinen bei niederer Temperatur größer als bei höherer und wird sehr stark durch den Druck beeinflußt. 1 Lit. Wasser verschluckt bei 15° stets 1 L. Kohlensäure, unter welchem Druck auch das Gas stehen mag; da nun (bei unveränderter Temperatur) die Gasdichte dem Druck proportional ist, folgt, daß das Gewicht der von 1 L. einer Flüssigkeit verschluckten Gasmenge in demselben Verhältnis zu- oder abnimmt wie der Druck, unter dem die A. stattfindet (Henrys Gesetz). Ein Raumteil Wasser absorbiert bei 15°727 Raumteile Ammoniakgas, 450 Chlorwasserstoff, 43,5 schweflige Säure, 3,25 Schwefelwasserstoff, 1 Kohlensäure, 0,03 Sauerstoff, 0,014 Stickstoff; 1 Raumteil Alkohol dagegen verschluckt 3,2 Raumteile Kohlensäure. Diese Zahlen, welche ausdrücken, wieviel Raumteile eines Gases von einem Raumteil einer Flüssigkeit verschluckt werden, nennt man Absorptionskoeffizienten. Aus einem Gemenge von Gasen absorbiert eine Flüssigkeit so viel von jedem einzelnen Gas, als dem Druck (Partialdruck) entspricht, den dieses Gas ausüben würde, wenn es allein vorhanden wäre (Daltonsches Gesetz). Daher wird z. B. die absorbierte Kohlensäuremenge nicht vergrößert, wenn man in den über dem Wasser befindlichen, mit Kohlensäure erfüllten Raum ein andres Gas, z. B. atmosphärische Luft, hineinpreßt. Die atmosphärische Luft ist ein Gemenge von 21 Raumteilen Sauerstoffgas mit 79 Raumteilen Stickstoffgas; da aber der Sauerstoff eine größere Absorptionsfähigkeit besitzt als der Stickstoff, so besteht die vom Wasser absorbierte Luft aus 35 Proz. Sauerstoff und 65 Proz. Stickstoff. Dieses Verhalten ist wichtig für die mit Kiemen versehenen Wassertiere, welche die im Wasser absorbierte Luft atmen. Wasser verschluckt bei 0°: 1,8, bei 15°: 1, bei 20°: 0,9 Raumteil Kohlensäure. Beim Erwärmen entweicht daher ein Teil des Gases aus einer gashaltigen Flüssigkeit, und durch Sieden werden die meisten absorbierten Gase vollständig ausgetrieben. Feste Körper können Gase anscheinend nicht absorbieren, jedenfalls nicht in gleichem Verhältnis wie [55] Flüssigkeiten. Manche Metalle, namentlich Silber und Kupfer, die im geschmolzenen Zustande Sauerstoff absorbieren, geben das verschluckte Gas beim Erkalten wieder ab, wobei das aus dem noch flüssigen Metall stürmisch entweichende Gas seine Tropfen des Metalls umherschleudert (Spratzen). Beim Gefrieren des Wassers entweicht die absorbierte Luft in Bläschen, die meist im Eis eingeschlossen bleiben. Palladium, das eine Zeitlang in verdünnter Schwefelsäure als negativer Pol einer galvanischen Säule gedient hat, kann das 936fache seines Rauminhalts an Wasserstoffgas in sich aufnehmen. Diese Erscheinung (Okklusion) beruht vermutlich teilweise auf einer chemischen Bindung des Wasserstoffs und zeigt sich mehr oder weniger auch bei andern Metallen. Platin und Eisen absorbieren in der Glühhitze Wasserstoff, letzteres besonders leicht auch Kohlenoxyd, und halten diese Gase dann auch bei gewöhnlicher Temperatur zurück. S. auch Adsorption. Über die Apparate etc., die in der Technik zur A. der Gase benutzt werden, s. Gase.
2) Absorption des Lichtes (und andrer Strahlen, z. B. der strahlenden Wärme). Stellt man in den Weg der Strahlen eines Spektrums eine dunkelrote Glasscheibe, so werden die Farben vom Gelb bis zum Violett ausgelöscht. Das rote Glas läßt von sämtlichen im weißen Licht enthaltenen Farben nur Rot und Orange durch, die andern werden von ihm verschluckt oder absorbiert, für sie ist dieses Glas undurchsichtig. Aus diesem Grunde erscheint das Glas in einem aus dem Rot und Orange des Spektrums gemischten roten Farbenton. Grünes Glas läßt vorzugsweise die grünen Strahlen durch und verschluckt die übrigen mehr oder weniger vollständig. Farbloses Glas läßt alle im weißen Licht enthaltenen farbigen Strahlen gleich gut durch.
Läßt man das Spektrum auf rotes Papier fallen, so bleibt nur das rote Ende des Spektrums sichtbar. Die auf die rauhe Papierfläche treffenden Lichtstrahlen dringen nämlich, ehe sie durch diffuse Zurückwerfung (s. Diffusion) nach allen Seiten zerstreut werden, bis zu einer geringen Tiefe unter die Oberfläche und unterliegen hier der A., welche der das Papier überziehende Farbstoff ausübt; dieser aber läßt nur die roten Strahlen durch und verschluckt alle übrigen. Daraus erklärt sich, warum dieses Papier in weißem Tageslicht rot erscheint. Weißes Papier wirft alle im weißen Licht enthaltenen einfachen Farben in ihrem ursprünglichen Mischungsverhältnis zurück. Grau heißt eine Oberfläche, die für alle farbigen Lichtarten ein gleichmäßig geringes Absorptionsvermögen besitzt; schwarz erscheint ein Körper, der alle Strahlengattungen absorbiert. So erklärt sich die Mannigfaltigkeit der Körperfarben (natürlichen Farben) aus der Lichtabsorption; die Farbe eines Körpers ist die Mischfarbe aus denjenigen farbigen Strahlen, die von dem ihn beleuchtenden weißen Licht nach Abzug der absorbierten Strahlenarten übriggeblieben sind. Hiernach kann ein Körper im durchgelassenen und im diffus zurückgestrahlten Lichte nur solche Farben zeigen, die in dem einfallenden Lichte schon enthalten sind. Im Lichte der Natriumflamme, die nur einfaches gelbes Licht ausstrahlt, erscheint blaues Papier schwarz. Bei dieser einfach gelben Beleuchtung verschwinden überhaupt alle Farbenunterschiede; man unterscheidet nur noch Hell und Dunkel. Im Lichte der Gasflammen und Kerzen sind die gelben Strahlen sehr reichlich, die blauen und violetten verhältnismäßig weit sparsamer vertreten als im Tageslicht. Es erscheint daher im Vergleich mit diesem gelb.
Nicht immer ist das Spektrum des durch einen farbigen Körper durchgegangenen oder des von ihm zerstreuten Lichtes (das Absorptionsspektrum) so einfach wie bei rotem Glas oder rotem Papier; viele farbige Stoffe verschlucken von den Strahlengattungen des Spektrums nur eine oder mehrere Partien (»auswählende« A.), während sie benachbarte oder dazwischenliegende Partien unangetastet lassen; das Spektrum zeigt dann mehr oder minder zahlreiche, bald breitere, bald schmälere Absorptionsstreifen, deren Lage im Spektrum für die chemische Beschaffenheit des betreffenden Stoffes bezeichnend ist und denselben von andern zu unterscheiden gestattet (vgl. Spektralanalyse). Der Dampf von Untersalpetersäure, Jod u.a. zeigt in dem durch sie gegangenen Lichte zahlreiche schmale, dunkle Absorptionsstreifen, die in ihrem Aussehen mit den Fraunhoferschen Linien des Sonnenspektrums (s. Farbenzerstreuung) große Ähnlichkeit haben. Die Fraunhoferschen Linien sind seine Absorptionsstreifen, hervorgebracht durch die A., welche die in der Atmosphäre der Sonne enthaltenen Gase und Dämpfe auf das von dem weißglühenden Sonnenkörper ausstrahlende Licht ausüben (vgl. Spektralanalyse). 3) A. im physiologischen Sinne, s. Resorption.