[618] Apokalyptik (griech.), Bezeichnung eines besondern Zweiges der spätern jüd. Literatur, einer schriftstellerischen Prophetie, welche die bevorstehende Vollendung des Weltlaufs in künstlicher Bildersprache schildert. In den Bibelkanon aufgenommene Produkte dieser Literatur sind das Buch Daniel (s. d.) und die Offenbarung des Johannes (s. Johannes 2); es gibt aber deren aus der Zeit von etwa 170 v. Chr. bis in das 2. und 3. Jahrh. n. Chr. eine große Anzahl, von jüdischen wie von christlichen Verfassern herrührend, die sich in der Regel hinter angesehenen ältern Namen verbergen, ihre eignen Zeitverhältnisse nur geheimnisvoll, aber dem mit den Zuständen Bekannten hinreichend verständlich schildern. Steigerung der Leiden und Trübsale bis zu einem gewissen Höhepunkt, endlich aber Erlösung des Gottesvolkes durch ein unmittelbares Eingreifen Gottes oder Christi bilden das stehende Schlußtableau. Die älteste dieser Apokalypsen und zugleich das Vorbild der spätern ist das Buch Daniel. Unter den jüdischen sind das Buch Henoch aus der spätern Makkabäerzeit und die Apokalypsen des Moses, des Esra und des Baruch, unter den christlichen[618] der Hirt des Hermas (s. d.) hervorzuheben. Deutsche Übersetzungen der nichtkanonischen Apokalypsen bei Kautzsch, Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testamentes, Bd. 2 (Tübing. 1900). Vgl. Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, Bd. 3 (3. Aufl., Leipz. 1898).