Esra

[114] Esra, jüd. Priester und Schriftgelehrter, Restaurator des jüdischen Staates. Begünstigt und ausgestattet vom König Artaxerxes Longimanus, zog er 458 v. Chr. an der Spitze von 1500 Familien von Persien nach Palästina, um der in Verfall geratenden Kolonie Serubabels in Jerusalem aufzuhelfen und eine Reinigung des Volkes nach priesterlich-mosaischer Rechtsanschauung vorzunehmen. Die Heiden wurden rechtlos gemacht, die fremden Weiber vertrieben; ein stetiger Synagogengottesdienst wurde errichtet, dessen Mittelpunkt die Vorlesung und Erklärung des von E. redigierten, wenn nicht geradezu verfaßten Gesetzes bildete, endlich auch behufs der Auslegung und Handhabung des letztern ein besonderer Stand der Schriftgelehrten begründet. E. ist als der eigentliche Schöpfer des Judentums im engern Sinne zu betrachten. Unter seinem Namen befindet sich ein Buch im Alten Testament, das ursprünglich bloß die Fortsetzung der Bücher der Chronik (s.d.) bildete und mit diesen denselben Verfasser gemein hat; es hebt mit der Wiederherstellung von Stadt und Tempel an, um in eine Schilderung der Wirksamkeit des E. auszulaufen, von dessen Hand wohl die 7,27 bis 9,15 im Fragment mitgeteilte und Kap. 10 sowie auch Neh. 7,73 bis 9,3 ausgezogene Denkschrift ist. Das Buch Nehemia, lediglich Fortsetzung des Esrabuches, gilt im jüdischen Kanon als zweites Buch E. Unter dem dritten Buch E. versteht man eine freie griechische Übersetzung des ersten Buches E., mit selbständigen Legenden über Serubabel bereichert. Das vierte Buch E. endlich gehört in die Reihe der Apokalypsen (s.d.). Vgl. Guthe, Ezra and Nehemia (in »The sacred books of the Old Testament«, Leipz. 1901); Derselbe, Das dritte Buch Esra übersetzt (in »Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments«, hrsg. von Kautzsch, 1. Bd., Tübing. 1900); Gunkel, Das vierte Buch Esra übersetzt (das. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 114.
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