[788] Forstwirtschaft, die auf die Erzeugung von Waldprodukten gerichtete menschliche Tätigkeit. Bei derselben steht die Naturkraft mehr im Vordergrund als bei allen übrigen Zweigen der Sachgütererzeugung, und die menschliche Arbeit tritt sehr zurück. Verhältnismäßig gering sind auch der Bodenwert und das Wirtschaftsinventar, mit dem die F. arbeitet; aber sehr bedeutend ist oft der Wert der in einem wirtschaftlich behandelten und eingerichteten Forst aufstehenden Holzbestände. Die F. ist also in bezug auf die aufzuwendende Arbeit immer extensiver als die Landwirtschaft derselben Zeit und Gegend; aber sie ist oft intensiver, wenn das zum Wirtschaftsbetrieb erforderliche gesamte Kapital ins Auge gefaßt wird; Bestellung und Ernte sind durch lange Zeiträume getrennt; wenig beweglich und rascher Umformung unfähig, ist das Holzkapital in bezug auf seine Entstehung und Vergrößerung weil weniger vom freien Willen des Menschen abhängig als jedes andre Kapital. Auch in bezug auf die Fläche und ihre Teilbarkeit unterliegt die F. gewissen Beschränkungen, die der Landwirtschaft fremd sind. Die Holzbestände, mit denen die F. arbeitet, sind zahlreichen Gefahren (Sturm, Feuer, Schnee-, Duft- und Eisbruch, Insektenschäden etc.) ausgesetzt, und wirtschaftliche Fehler wirken auf dem forstwirtschaftlichen Gebiet weit nachhaltiger und darum intensiver, weil sich der ganze Betrieb auf längere Zeiträume erstreckt und nur nach oft langen Pausen wieder auf dieselbe Stelle zurückkehrt. So einfach der Forstwirtschaftsbetrieb erscheint, so wird er doch dadurch besonders erschwert, daß Begründung der Holzbestände und Ernte durch lange Zeiträume voneinander getrennt sind und bei jener die Verhältnisse der Zukunft, Bedürfnisse, Nachfrage und Preise nicht bestimmt vorherzusehen sind. Unmöglich ist es, daß sich Angebot und Nachfrage auf dem forstwirtschaftlichen Gebiet überhaupt rasch ausgleichen, da zur Erzeugung fehlender begehrter Sortimente oft ein Jahrhundert gehört und die Nachfrage vielleicht längst nicht mehr besteht, wenn ihr genügt werden könnte.
Der Wald wird, wie Acker und Wiese, durch den Boden und die Atmosphäre ernährt; allein er muß durch Selbstdüngung die Kraft des Bodens erhalten, ein von außen zugeführter Ersatz für die im Holz und in den Forstnebennutzungen entzogenen Nährstoffe ist in der Regel unmöglich. Er ist bei rationellem Betrieb auch nicht erforderlich; ja, in wohlgepflegten Forsten verbessern sich die obern Bodenschichten durch die Waldabfälle bedeutend, und die tief in den Boden eindringenden, einen weiten Boden- (Wurzel-) Raum erschließenden Baumwurzeln öffnen tief liegende Schichten den Atmosphärilien, der chemischen und physikalischen Verwitterung. Die Tatsache der langsamen Bodenbereicherung in gut bewirtschafteten Forsten erklärt sich leicht. Einmal entziehen die Holzgewächse dem Boden relativ wenig Nährstoffe (namentlich Kali, Phosphorsäure kaum 0,01, wenn der Bodenentzug durch landwirtschaftliche Benutzung = 1 ist); sodann durchgraben die Wurzeln der Bäume Tiefen, in welche die landwirtschaftlichen Kulturgewächse meist nicht gelangen. Der in großen Mengen zur Bildung der Holzfaser erforderliche Kohlenstoff wird aus der Luft entnommen; der Humus, die in Zersetzung begriffenen Waldabfälle besitzen ein bedeutendes Absorptionsvermögen für Gase (Ammoniak etc.); die aus den Tiefen des Wurzelraums emporgesogenen Nährstoffe kommen in den verm odernden Blättern und Holzteilen der obersten Bodenschicht zugute.
Geschichtliches. Die heutige F. ist ein Kind der Not. Jahrhundertelang erhob sich die Waldbenutzung nicht über eine bloße Okkupation der von der Natur dargebotenen Produkte, als die Landwirtschaft schon längst eine höhere Entwickelungsstufe erreicht hatte. Holz, Weide, Mast waren im Uberfluß vorhanden und wurden nicht hoch gewertet. Als bei rasch anwachsen der Bevölkerung und steigenden Ansprüchen an den Wald dieser selbst eine verständigere Benutzung und Pflege forderte, als die Furcht vor dem Holzmangel an alle Türen klopfte (im 15. und 16. Jahrh.), da waren es mehrere Gründe, die einen raschen Fortschritt auf dem Gebiet der F. hinderten, vor allen die besondere Lage des Waldeigentums und die persönliche Sonderstellung der Forstwirte. Die freie Agrar- und Gemeindeverfassung der germanischen Stämme war der veränderten Rechtsanschauung (dem Eindringen[788] des römischen Rechts) und den feudalen Institutionen des Mittelalters zum Opfer gefallen; ein großer Teil der Waldungen befand sich im Besitz der Landesherren, geistlicher Herren und Stiftungen und wurde wesentlich im Interesse der Jagd benutzt; in den alten Mark- oder Wirtschaftsgenossenschaften der bäuerlichen Kolonen war mit der Autonomie der Gemeinsinn erstorben und Eigennutz an seine Stelle getreten. Was von den alten Institutionen geblieben war, bestand in einer Art von gemeinsamer Waldbenutzung, jetzt aber meist in der Form drückender, oft waldzerstörender Servituten. Um den gänzlichen Ruin der Privatforsten zu verhindern, kannten die Territorialherren kein andres Mittel als die äußerste Bevormundung des Privatforstbetriebs (auf Grund des Forsthoheitsrechts, s. Forsthoheit), welche die Luft an produktiver wirtschaftlicher Arbeit und an sorgsamer Pflege der Waldungen vollends ertötete. Zur Führung der Wirtschaft in den landesherrlichen Forsten wurden Männer berufen, die in erster Linie Jäger waren, der Wissenschaft fern standen und, von weidmännischen Interessen geleitet, oft nach ganz falschen Zielen hinarbeiteten. Aber aus diesem Jägertum entwickelte sich doch mit der Zeit eine Schule der forstlichen Empirie, welche die Grundsteine zu einer geregelten (wenn auch handwerksmäßigen) Wirtschaft im Walde legte. Um das Jahr 1700 war die Furcht vor Holzmangel im mittlern, westlichen und südlichen Deutschland allgemein. Weite Flächen in den Wäldern waren durch unverständige Holzhiebe, durch Weide, Streunutzung, Plaggenhieb etc. verödet und produktionslos geworden. Der regellose Plenterbetrieb, d. h. die ungeordnete Entnahme des Holzes, wo man es fand, und wie man es eben brauchte, gestattete weder eine nachhaltige, d. h. durch den Zuwachs voll ersetzte Holznutzung, noch eine geregelte Wiederkultur. Gegen diese Regellosigkeit wendeten sich die fortgeschrittenen Jäger Beckmann, Döbel, Büchting u. a. Sie empfahlen Kahlhieb in regelmäßig aneinander gereihten Jahresschlägen mit darauf folgender Saat oder einen schlagweisen Mittelwaldbetrieb. Nach letzterm System wurden Bäume aller Altersklassen in lichtem Stand über einem stangenholz- oder buschholzartigen Unterholz erzogen. Allmählich versuchte man es, aus dem abfallenden oder abfliegenden Samen der alten Stämme und unter ihrem Schirm die Bestandsverjüngung zu bewirken und dann aus den Jungwüchsen das Altholz stufenweise herauszuplentern, indem man auch bei diesem Betrieb sich an eine Flächeneinteilung in Jahres- oder Periodenschläge anschloß. So entstand der Hochwald mit natürlicher Verjüngung, der Femelschlagbetrieb, um dessen Ausbildung sich Sarauw, G. L. Hartig und Cotta gegen Ende des 18. und im Anfang des 19. Jahrh. große Verdienste erworben haben. Eine Reihe von Forsteinrichtungsmethoden entstand, unter denen die sogen. Fachwerksmethoden (s. Forsteinrichtung) Hartigs und Cottas allgemeine Verbreitung gefunden haben.
Unter den verschiedenen Betriebsarten erlangte der Hochwald mit natürlicher Verjüngung, der Femelschlagbetrieb, seit 1800 allmählich mehr und mehr die Herrschaft; allein seine Nachteile, besonders für die lichtbedürftigen Holzarten, traten so sehr hervor, daß nach 1830 für die Kiefern- und Fichtenwaldungen sowie für die Eichenforsten vielfach (namentlich im nördlichen und westlichen Deutschland) der Kahlschlagbetrieb an seine Stelle trat, jetzt aber unter gleichzeitiger Anwendung der Pflanzung zum Zweck der Begründung des Jungbestandes. Die Zeit Hartigs und Cottas (bis 1830) ist als diejenige der Herrschaft der Schulregeln in der F. zu betrachten. Man hatte das empirisch Gefundene in eine Anzahl von Generalregeln zusammengefaßt und eine Forstwirtschaftslehre zusammengestellt, die der wissenschaftlichen Begründung entbehrte, aber ausreichend war, um den Praktikern als Richtschnur bei der handwerksmäßigen Wirtschaftsübung zu dienen, solange es sich nur darum handelte, die Wirtschaft im Wald aus der frühern Regellosigkeit zu geordneter Waldbenutzung überzuführen. Sobald dagegen die Erzielung des höchsten Wirtschaftseffekts, der höchsten Intensität der Wirtschaft, die strenge Herleitung der Wirtschaftsgrundsätze aus den maßgebenden örtlichen Verhältnissen, die tiefere wissenschaftliche Begründung der Wirtschaft von dem Forstmann gefordert wurden, war die Zeit der Schulregeln vorüber (s. Forstwissenschaft). Gegen die Geltung der Generalregeln trat besonders Pfeil seit 1820 mit der ihm eignen Energie in die Schranken. Hundeshagen und Karl Heyer strebten gleichzeitig danach, die F. auf dem festen Grunde wissenschaftlicher Arbeit neu aufzubauen. Gottl. König bildete besonders die Lehre von der Waldpflege, d. h. der Pflege des Bodens, der Bestände und einzelner Stämme, aus. Gegen die Kahlschlagwirtschaft wendeten sich Männer der Wirtschaft und Wissenschaft, indem sie auf die Verödung der großen Kahlschläge, die schlechte Beschaffenheit der uniformen jüngern Bestände, die rasch sich mehrenden Insektenschäden, die als Folgen der großen Kahlhiebe angesehen werden, hinwiesen. Die F. der neuesten Zeit kehrt mehrfach um zur natürlichen Verjüngung, zum gemischten Bestand mit möglichst reich entwickeltem Blattvermögen und möglichst großer Bestrahlungsfläche; sie strebt nach dem intensiven, streng lokalisierten Betrieb der kleinsten Fläche und hat sich von der Herrschaft der schablonisierenden Generalregeln losgerungen. Daß die F. ein Gewerbe sei und insofern teilnehme an dem Streben nach der höchsten Rente (höchsten Unternehmergewinn, höchsten Bodenrente), haben die Forstwirte der neuesten Zeit erkannt, ohne jedoch den finanziellen Gesichtspunkten eine ausschließliche Herrschaft einzuräumen. Über die Hauptbetriebsarten der F. s. Forstbetriebsarten.
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