[309] Brakteāten (lat. Nummi bracteati, von bractea, dünnes Blech, daher auch »Blechmünzen«), modernes Kunstwort, mit dem man die aus dünnem Silber-, sehr selten Goldblech bestehenden, nur auf einer Seite (ganz ausnahmsweise mit zwei Stempeln) geprägten deutschen Münzen des Mittelalters bezeichnet. Sie ersetzten die anderswo weiter geprägten Denare, ohne daß man einen bestimmten Namen für sie hatte. Man findet auf einigen mit Aufschriften versehenen Exemplaren die Bezeichnungen numus, moneta und denarius. Die B. treten um 1140 auf und wurden bis Mitte des 15. Jahrh. geprägt, zeigen unter dem Kaiser Konrad III. bereits sehr zierliches Gepräge und werden dann im größten Teil Norddeutschlands die allein üblichen Münzen, meist von der Größe eines Zweimarkstückes; s. Tafel »Münzen III«, Fig. 5 u. 7. Beispiele des zierlichsten Stempelschnittes sind manche B. Friedrich Barbarossas, Heinrichs des Löwen, der brandenburgischen Markgrafen Albrecht I. und Otto I., Bernhards von Sachsen, der Bischöfe von Halberstadt, der Erzbischöfe von Magdeburg, der Äbtissinnen von Quedlinburg und des Jakzo von Köpenik. Meistens tragen diese B. (auf der Rückseite vertieft) das stehende oder thronende Bild des Fürsten, gewöhnlich von kleinen Gebäuden, Mauern und Türmchen umgeben, und erklärende lateinische Beischrift, die oft ihrer Form wegen merkwürdig ist: z. B. FRIDERICVS IMPERATO(R), B(E)RNH(A)RDVS . SVM . EGO . DNHARIVS (denarius), BVRCHARD . HELT . DVCIS BERN (d. h. Burkard Helt, Aufseher der Münzprägung des Herzogs Bernhard) etc. Ein im Berliner Museum aufbewahrtes Stück des Markgrafen Otto I. von Brandenburg (117084) ist das älteste Beispiel einer rein deutschen Münzaufschrift: MARCGRAVE OTTO, während sein Nachfolger Jakzo sich slawisch: IAKZA . COPTNIC . CNE (Knäs) nennt. Allmählich wird das Gepräge der B. roher, die vorher schon vielfach aus sinnlosen Buchstaben bestehende Inschrift kürzer, und im 13. Jahrh. dominieren die unförmlich großen, rohen sächsischen Gepräge. Später herrschen kleine, meist schriftlose B., oft mit Wappenbildern, in Nord- und Süddeutschland vor, auch in der Schweiz, wo wir bisweilen neben den silbernen kleine Goldstücke der Art finden. Am Rhein wurden keine B. geprägt, wohl aber in Dänemark, Schweden, Polen und Ungarn. Die Hohlpfennige, die noch bis ins 17. Jahrh. geprägt wurden, haben mit den B. nichts zu tun. Halbbrakteaten nennt man dünne, um 1110 aufgekommene, auf beiden Seiten geprägte Denare, auf denen das Gepräge der einen Seite z. T. durch den Stempel der andern vernichtet ist. Die skandinavischen Goldbrakteaten sind nicht Münzen, sondern Schmuckstücke und zeigen phantastische Gestalten, meist mit Runeninschriften (vgl. Worsaae, Über Goldbrakteaten, dän., Kopenh. 1870). Die B. gehören historisch, künstlerisch wie sprachlich zu den wichtigsten Denkmälern [309] Deutschlands und haben eine zahlreiche Literatur. Schon im 18. Jahrh. schrieb Seeländer gelehrte Werke über B., war aber zugleich ein geschickter Fälscher, dessen Machwerke z. T. auch jetzt noch nicht ungefährlich sind. In neuer Zeit haben einige großartige Funde aus der klassischen Periode der Brakteatenzeit besondere Wichtigkeit erlangt: der Odenwälder Fund, der Frecklebener (vgl. Stenzel, Der Brakteatenfund von Freekleben in Anhalt, Berl. 1862), der Trebilzer (von Erbstein veröffentlicht), der von Bünstorf (von Dannenberg besprochen) u. a. Vgl. Schlumberger, Des bractéates de l'Allemagne (Par. 1873); Meyer, Beiträge zur Brakteatenkunde des nördlichen Harzes (Heft 1, Wien 1891; Heft 2: Der Münzfund von Mödesse, Hannov. 1893); »Archiv für Brakteatenkunde« (hrsg. von R. v. Höfken, Wien, seit 1885).