Brandenburg [1]

[314] Brandenburg (hierzu Karte »Brandenburg«), Provinz und Stammland der preuß. Monarchie, grenzt gegen W. an die Provinzen Hannover und Sachsen und das Herzogtum Anhalt, gegen S. an Schlesien, gegen O. an Posen und Westpreußen, gegen N. an Pommern und Mecklenburg und hat einen Flächeninhalt von 39,838 qkm (723,5 QM.). Die 1816 gebildete Provinz begreift von der ehemaligen Mark B. die Mittelmark, die Ukermark, die Priegnitz und den größten Teil der Neumark, von Schlesien den Schwiebuser Kreis und einen Teil des Saganer Kreises, einige Orte des Großherzogtums Posen und von Sachsen die Niederlausitz, die Ämter Dahme und Jüterbog, die Herrschaften Baruth und Sonnewalde nebst dem Amt Belzig des Wittenberger Kreises und die Ämter Finsterwalde und Senftenberg des Meißener Kreises.

Bodenbeschaffenheit. Klima. B. liegt innerhalb des norddeutschen Tieflandes, wird im S. und N. von Landrücken durchzogen, während in der Mitte Hügel- und Tiefland abwechseln. Der nördliche Höhenzug, ein Glied des norddeutschen Landrückens, wird von der Oder unterhalb der Einmündung der Alten Oder durchbrochen und bildet eine breite, seenreiche Platte, die südlich bis an das Rhinluch, Oder-und Warthebruch reicht, am höchsten längs der mecklenburgischen Grenze ist und im Kronsberg bei Pritzwalk 125, im Hexenberg bei Wittstock 118 m erreicht. Der südliche Höhenzug, der märkisch-schlesische, führt im Regbez. Potsdam den Namen Fläming (s.d.), auf dem der Hagelberg bei Belzig 201, der aussichtsreiche Golmberg bei Baruth 178 m hoch ist, im Regbez. Frankfurt den Namen Lausitzer Grenzwall (Rückenberg bei Sorau, höchster Punkt der Provinz, 229 m), der nahezu die Nieder- von der Oberlausitz scheidet und von der Spree und Lausitzer Neiße durchbrochen wird. Zwischen beiden Höhenzügen liegen ausgedehnte Tiefebenen neben Hochflächen: der sumpfige Spreewald, nördlich davon die Hochfläche von Lieberose (Spitzberg 183 m), die Rauenschen Berge (152 m) am Spreetal, das Havelländische und Rhinluch (33 m) neben geringern Höhen, die Platte von Barnim (Semmelberg 157 m) neben dem Oderbruch (10–20 m), das Hochland von Sternberg (Spiegelberg bei Lagow 179 m) südlich vom Warthebruch. Diluvialgebilde auf den Höhen, Alluvionen in den Tiefländern sind die herrschenden Erdschichten, jene zahlreiche erratische Blöcke tragend, unter sich aber auch an vielen Stellen, z. B. zu beiden Seiten des Odertals, ein ausgedehntes Tertiärgebirge mit reichen Braunkohlen- und Septarientonlagern bedeckend. Nur sporadisch treten ältere Gesteinsmassen zutage: Muschelkalk bei Rüdersdorf, Zechsteingips und Steinsalz bei Sperenberg, Grauwacke im Koschenberg bei Senftenberg. Die Flüsse gehören zum Elb- und Odergebiet. Die Elbe berührt die Provinz nur im Nordwesten, empfängt hier die Havel, zu der links die Spree (mit der Dahme), Nuthe und Plane, rechts der Rhin und die Dosse fließen; zu der Oder, dem Hauptfluß der östlichen Hälfte, gehen links der Bober und die Lausitzer Neiße, rechts die Warthe mit der Netze; Uker und Ihna münden bereits in Pommern (s. Oder). Zahlreich sind die Kanäle, unter denen der Finow- und der Oder-Spreekanal Elb- und Odergebiet verbinden: ersterer die Havel, letzterer die Spree mit der Oder. Andre Kanäle dienen zur Abkürzung der schiffbaren Wasserstrecken, wie der Berlin-Spandauer Schiffahrtskanal zwischen Berlin und dem Tegelschen See an der Havel, der Sakrow-Paretzer Kanal, nördlich von Potsdam, der aus der Havel zur Havel, ein Stück des alten Müllroser oder Friedrich Wilhelms-Kanals, der von Müllrose nach dem Oder-Spreekanal führt, und der gegenwärtig im Bau begriffene Teltower Kanal, der die Havel bei Potsdam, Berlin südlich umgehend, mit der Oberspree verbindet. Die zahlreichen Seen liegen meist im N. und in der Mitte: auf dem nördlichen Landrücken oder zu seinen Seiten der Ruppiner See, die Ukerseen, der Werbelliner, Grimnitz- und Paarsteiner See, alle westlich, der Soldiner See östlich von der Oder; an der Havel ist der Schwielow-, an der Spree der Schwielugsee, im S. von der Spree der Scharmützelsee am Storkower Kanal am bedeutendsten. Das Klima ist gemäßigt und gesund, nur starken Veränderungen unterworfen (Durchschnittstemperatur in Berlin 9,2 [Umgebung 8,7] Potsdam 8,4, Frankfurt 8,5°). Die jährliche Regenmenge beträgt 50–60 cm.

Bevölkerung. Erwerbszweige. Nach der Zählung von 1900 hatte die Provinz ohne Berlin 3,108,554 Einw., davon sind 2,907,863 Evangelische, 160,305 Katholiken, 25,766 Juden etc. Diese Bevölkerung besteht der Hauptmasse nach aus Deutschen; es gibt aber auch in der Lausitz, besonders in den Kreisen Kottbus und Spremberg, noch Wenden, im ganzen (1900) 37,519, von denen 2403 zugleich deutsch sprechen. Die Hauptbeschäftigungen sind Industrie, Handel, Schiffahrt und Landwirtschaft. Von der Gesamtfläche der Provinz entfallen auf Acker und Garten 45,4, Wiesen 10,3, Weiden 2,9 und Holzungen 32,4 Proz. Durch Fruchtbarkeit zeichnen sich aus: ein Teil der Ukermark, das Oderbruch, die Gegenden von Landsberg, Soldin, im NO. und S. von Berlin, von Nauen, zwischen Neuruppin und Fehrbellin, zwischen Perleberg und Pritzwalk, von Lenzen etc. Außer den gewöhnlichen Getreidearten und Kartoffeln werden auch Zuckerrüben im Oderbruch, Tabak bei Schwedt und Vierraden, Obst und etwas Wein an der südlichen Havel (Werder) und in der Odergegend zwischen Guben und Züllichau, Hopfen, Flachs, Hanf, Buchweizen in den sandigen Gegenden der südlichen Kreise gebaut, wo auch die Waldungen, meist nur Nadelhölzer enthaltend, die Ackerländereien an Umfang übertreffen. Auch sonst ist in der Provinz die Kiefer der vorherrschende Waldbaum. Die Wiesen sind am umfangreichsten im Havelland. Nach der Viehzählung von 1900 gab es in B. ohne Berlin 286,952 Pferde, 828,663 Stück Rindvieh, 833,379 Schafe, 1,032,865 Schweine, 233,332 Ziegen und 121,755 Bienenstöcke. Der Wildstand ist bedeutend und wird durch große Tiergärten geschützt; für die Fischzucht gibt es mehrere Brutanstalten. An Mineralien findet man viel Braunkohlen, und zwar zwischen Frankfurt und Wriezen, am Lausitzer Grenzwall im S., in den Rauenschen Bergen, im Land Sternberg etc.; etwas Raseneisenerz, viel Torf, Muschelkalk bei Rüdersdorf, Gips bei Sperenberg (das Steinsalzlager daselbst wird nicht benutzt) etc.; die Mineralquellen bei Freienwalde, Eberswalde, Frankfurt a. O. etc. sind nur von untergeordneter Bedeutung.

Die Industrie hat ihren Hauptsitz in Berlin (s.d.); in der Provinz sind von Wichtigkeit die Wollspinnereien und Tuchfabriken in den Städten der Niederlausitz, besonders in Kottbus, ferner zu Luckenwalde, Schwiebus etc., Leinweberei im Kreise Sorau, Zuckerfabriken im Oderbruch, Maschinenfabriken, Glashütten (Baruth), Tabakfabriken (Schwedt), optische Fabriken[314] (Rathenow), Ziegeleien in der Havelgegend, am Finowkanal etc., Dampfsägemühlen (Oderberg), die Bierbrauereien, die Spiritusbrennereien des Großgrundbesitzes, dem etwa die Hälfte des ganzen Grundbesitzes in der Provinz angehört. Der Handel wird durch schiffbare Gewässer sowie durch ein ausgedehntes Eisenbahnnetz, das strahlenförmig von Berlin nach allen Himmelsgegenden sich ausbreitet, und durch die Handelskammern in Kottbus, Frankfurt a. O., Sorau, Brandenburg, Potsdam und Berlin unterstützt. Fast sämtliche Eisenbahnen der Provinzen sind jetzt Staatseisenbahnen. Für die geistige Bildung sorgen (von Berlin abgesehen): 27 Gymnasien, 3 Progymnasien, 6 Realgymnasien, eine Oberrealschule, 5 Realprogymnasien, 13 Realschulen, 10 Schullehrerseminare, eine Landwirtschaftsschule, 3 Taubstummenanstalten, eine Blindenanstalt etc.

Eingeteilt wird die Provinz nach Ausschluß von Berlin in die Regierungsbezirke Potsdam mit 20 und Frankfurt mit 22 Kreisen; das Oberpräsidium hat seinen Sitz in Potsdam, die Generalkommission in Frankfurt a. O. In kirchlicher Beziehung steht B. unter dem Konsistorium in Berlin; andre Oberbehörden sind die Provinzialsteuerdirektion und das Provinzialschulkollegium in Berlin; in betreff des Berg- und Hüttenwesens das Oberbergamt in Halle; für die Justiz bestehen ein Oberlandesgericht (Kammergericht) in Berlin, 9 Landgerichte (Berlin I und II, Frankfurt a. O., Guben, Kottbus, Landsberg a. W., Neuruppin, Potsdam und Prenzlau; die Errichtung eines Landgerichts in Charlottenburg ist beschlossen) und 104 Amtsgerichte (s. Textbeilage »Gerichtsorganisation« bei Art. »Gericht«). Militärisch gehört die Provinz zum Bezirk des 3. Armeekorps; in Berlin und Umgegend steht außerdem das Gardekorps. In den deutschen Reichstag entsendet B. 20, in das preußische Abgeordnetenhaus 36 Mitglieder. Der Provinziallandtag hat seinen Sitz in Berlin. Von ältern Benennungen sind noch im Munde des Volkes: Ukermark, die Kreise Prenzlau, Angermünde und Templin; Neumark, das Land im O. von der Oder, in engerer Bedeutung das im N. der Warthe; Niederlausitz, der südliche Teil des Regierungsbezirks Frankfurt. Andre Benennungen sind in den Kreisnamen beibehalten worden, z. B. Barnim, Havelland, Priegnitz, Lebus, Sternberg etc. Das brandenburgische Wappen ist ein mit einem Kurfürstenhut gekrönter, goldbewehrter, mit goldenen Kleestengeln belegter roter Adler im silbernen Feld. Auf der Brust trägt er ein blaues Schildchen, worin ein goldenes Zepter (wegen des Erzkämmereramtes), in den Fängen Zepter und Schwert (s. Tafel »Preußische Provinzwappen«). Die Farben der Provinz sind Rot und Weiß.

Geschichte.

B. ward in ältester Zeit von den deutschen Semnonen, seit der Völkerwanderung von slawischen Völkern (Wenden), den Hevellern, Lutizen und Obotriten, bewohnt. Karls d. Gr. Eroberungsversuche hatten keinen dauernden Erfolg; König Heinrich I. schlug zwar die Slawen und eroberte ihre Stadt Brennaburg (Brandenburg), aber erst Markgraf Gero (s.d.) ging planvoll erobernd, organisierend und christianisierend vor. Unter Otto I. wurden die Bistümer Havelberg (946) und B. (948) gestiftet, aber nach der Niederlage Ottos II. in Unteritalien 983 gingen durch einen gewaltigen Aufstand der Wenden alle Eroberungen wieder verloren; das Christentum ward ausgerottet, die Wenden blieben heidnisch und unabhängig. Das deutsche Königtum hatte die Aufgabe nicht zu lösen vermocht, erst 150 Jahre später glückte dies einem deutschen Fürsten. Der Askanier Albrecht der Bär, nach mannigfachen Kämpfen mit der Nordmark belehnt (1134), drängte mit Gewalt und List die Wenden zurück und legte mit der Eroberung der Priegnitz und Zauche sowie der Spree- und Havelländer den Grund zur Mark B., nannte sich auch Markgraf von B., übte, wie es scheint, auch schon das Amt des Erzkämmerers aus und stand dem König, wie es seine gefährdete Stellung mit sich brachte, fast unabhängig gegenüber. Er stellte die zerstörten Bistümer wieder her, errichtete Klöster, zog Ritter heran, die Burgen bauten, und besiedelte das Land mit Bauern aus Westfalen und den Niederlanden. Durch diese von Albrechts Nachfolgern fortgesetzte Kolonisation wurde B. allmählich wieder germanisiert. Sein Sohn Otto I. (1170–84) erwarb 1181 die Lehnshoheit über Pommern, aber Otto II. (1184–1205) mußte, vom Magdeburger Erzbischof gebannt, alle seine Allodien in der Altmark und Westhavelland 1196 vom Erzstift zu Lehen nehmen. Der Versuch seines Bruders Albrecht II. (1205–20), die Güter dem Erzbischof wieder zu entreißen, mißlang, dagegen vertrieb Albrecht die Dänen von der deutschen Küste. Albrechts Söhne, Johann I. und Otto III., erweiterten in ihrer langjährigen gemeinschaftlichen Regierung B. durch ansehnliche Erwerbungen und nahmen Barnim und Teltow den Wenden, Stargard und die Ukermark den Pommern, die 1244 ihre Lehnshoheit anerkannten; die Neumark ward 1260 erobert, Lebus und die Oberlausitz durch Kauf erworben. Die Ansiedelung deutscher Einwanderer wurde befördert und mehrere wichtige Städte, so Landsberg a. W. in der Neumark, Frankfurt a. O. im Lande Lebus, entstanden. Der Durchfuhr- wie Ausfuhrhandel, selbst nach den Niederlanden durch ein Privileg König Wilhelms von Holland und besonders nach Lübeck, hob sich; 1242 erhielt Berlin brandenburgisches Stadtrecht; ansehnliche Klöster, wie Chorin und Lehnin, wurden für die Bodenkultur von maßgebender Bedeutung. So blühten die Marken gerade in einer Zeit auf, wo im W. des Reiches Unruhe herrschte. Nach dem Tode der Brüder (1266, 1267) entstanden zwei Linien, die Johanneische oder Stendaler und die Ottonische oder Salzwedeler. Durch Kauf und Pfand wurden die Besitzungen noch um die Mark Landsberg, die Niederlausitz, Torgau und Dresden vermehrt. Um Otto IV. mit dem Pfeil, den bekannten Minnesinger (gest. 1309), haben sich mannigfache Sagen gebildet. Erst unter Woldemar (1309–19) wurden die Länder beider Linien wieder vereinigt und im Kampf mit den Nachbarn behauptet, aber mit dem Tode seines minderjährigen Vetters, Heinrich von Landsberg, erlosch 1320 die brandenburgische Dynastie der Askanier. Nach heftigen Kämpfen um das herrenlose Land, in denen ansehnliche Gebietsteile verloren gingen, verlieh es König Ludwig 1323 seinem unmündigen Sohn Ludwig dem ältern (1323–51), doch lag den Wittelsbachern das Wohl des Landes, das wegen des Streites zwischen Kaiser und Papst mit dem Interdikt belegt und 1325 von Polen und Litauern verwüstet wurde, sehr wenig am Herzen. Hierzu kam die von Karl IV. begünstigte Erhebung des falschen Waldemar (s.d.), die zum Aufstand fast des ganzen Landes führte, das dadurch stark litt. Gewerbe und Handel lagen danieder, der Landbau wurde vernachlässigt, und bei der häufigen Geldnot der Fürsten wurden die meisten landesherrlichen Rechte, Güter und Einkünfte an Private und Städte teils verpfändet, teils[315] um geringen Preis verschleudert. Der Adel trotzte der Macht des Markgrafen und ergab sich der Wegelagerei, die bald so überhandnahm, daß sich die Städte durch Bündnisse ihrer erwehren mußten. Adel und Städte suchten mit Erfolg die staatlichen Hoheitsrechte für sich zu gewinnen und jede Landesregierung lahmzulegen. Unter Ludwig dem Römer (1351–65) wurde B. 1356 durch die Goldene Bulle im Besitz der Kurwürde bestätigt. Karl IV., der schon 1348 die Ober- und 1364 die Niederlausitz erworben hatte, benutzte die Streitigkeiten im Hause Wittelsbach und die Schwäche des letzten Wittelsbachers, Ottos des Faulen (1365–73), um durch den Vertrag von Fürstenwalde (1373) die Mark an das luxemburgische Haus zu bringen, führte für seinen Sohn Wenzel die Regierung und bemühte sich, Ordnung, Gewerbefleiß, Handel und Wohlstand wieder herzustellen. Er veranlaßte bedeutende Bauten, suchte den Städten durch Erneuerung ihres alten Verhältnisses zur Hansa wieder aufzuhelfen, bestrafte den Straßenraub und suchte durch die Anlage eines Landbuches den Besitz an Grund und Boden zu befestigen und die Steuerkraft des Landes sicher zu ermitteln. Wiederum mußten die Fürsten von Pommern und Mecklenburg Brandenburgs Lehnshoheit anerkennen. Doch nach Karls Tode (1378) kehrte das alte Übel zurück; Siegmund, dem die Marken zufielen, weilte nur ganz vorübergehend in ihnen, verpfändete sie 1388 an den Markgrafen Jost von Mähren, unter dem die alte Verwirrung bald in höherm Maße wiederkehrte, und verkaufte 1402 die Neumark an den Deutschen Orden.

Nach Josts Tod ernannte Siegmund 8. Juli 1411 seinen Rat und Feldherrn, den Burggrafen Friedrich (s.d.) von Nürnberg aus dem Hause Hohenzollern, zum obersten Verweser und Hauptmann und 30. April 1415 zum Kurfürsten von B.; die feierliche Belehnung erfolgte 18. April 1417 zu Konstanz. Natürlich gelang es dem neuen Landesherrn nur allmählich, sich geltend zu machen, indem er bedeutende Summen aufwendete, um die verpfändeten fürstlichen Rechte und Einnahmen einzulösen, durch Anwendung aller friedlichen Mittel, besonders durch Anerkennung aller Rechte und Privilegien Städte und Adel zur Huldigung nötigte, indem er die meisten Nachbarfürsten für sich gewann, und indem er schließlich den aufs neue aufsässigen und Fehde übenden Teil des Adels, zumal die Quitzows, gewaltsam niederwarf. Sein staatskluges Auftreten begründete für die Mark den Beginn einer bessern Zeit, und allmählich fanden sich mit der wiederhergestellten Ordnung die frühere Regsamkeit und der frühere Verkehr wieder ein. Wie Friedrich I. (gest. 1440) den Adel, so beugte Friedrich II. (1410–70) die Städte, namentlich Berlin (s. Bd. 2, S. 702), unter die landesfürstliche Gewalt. Unter ihm fand der Lehnsstreit mit dem Erzstift Magdeburg 1450 ein Ende, 1455 ward die Neumark, 1467 ein Teil der Niederlausitz wiedererworben. Mehrfache Kriegszüge, um den Besitz der im Mannesstamm erloschenen Herzöge von Pommern-Stettin zu gewinnen, führten auch unter seinem Nachfolger Albrecht Achilles (1470–86) in Verbindung mit andern Verwickelungen nur zur Anerkennung der Lehnshoheit über Pommern. Albrecht (s.d. 7) trennte durch das Hausgesetz von 1473 (dispositio Achillea) zwar die fränkischen Fürstentümer von B., setzte aber die Unteilbarkeit aller, auch der zu erwerbenden Landesteile unter gewissen Modalitäten in der Weise fest, daß sich ein wirkliches Staatswesen entwickeln konnte. Mit Kraft hielt er wie sein Sohn Johann Cicero (1486–99) den Städten und dem Adel gegenüber die Rechte der Landeshoheit aufrecht, und diese erreichte unter Joachim I. (1499–1535), der jede Unbotmäßigkeit rücksichtslos strafte, ihren Höhepunkt. Der Reformation gegenüber verhielt sich Joachim ablehnend; doch gründete er 1506 die Universität Frankfurt a. O. und 1516 das Kammergericht zu Berlin als obersten Gerichtshof. Seine Söhne, Kurfürst Joachim II. und Johann von Küstrin, der die Neumark bekam (beide bis 1571), traten 1539 zur lutherischen Kirche über, doch befolgte Joachim im Schmalkaldischen Krieg eine vorsichtige Politik. Erst nach dem Augsburger Religionsfrieden (1555) zeigte er sich als Beförderer der Reformation, zu deren Aufrechterhaltung er das Konsistorium zu Berlin errichtete. Politik und Prachtliebe nötigten ihn zu so umfangreichen Ausgaben, daß er zur Erlangung der erforderlichen Mittel ein Hoheitsrecht nach dem andern, selbst das über Krieg und Frieden, an die Stände abtreten oder doch mit ihnen teilen mußte. Seine Macht als Landesherr war lahm gelegt, doch wurden für die Zukunft die Erbverbrüderungen von großer Bedeutung, die er 1537 mit den Herzögen von Liegnitz, Brieg und Wohlau errichtete. Für seinen Enkel Joachim Friedrich erwarb er die Stifter Magdeburg und Halberstadt und erhielt 1569 von Polen die Mitbelehnung für Preußen. Sein Sohn Johann Georg (1571–98) vereinigte wieder das ganze brandenburgische Gebiet, und eine abermalige Zerstückelung verhinderte dessen ältester Sohn, Joachim Friedrich (1598–1608), indem er 1603 die Unteilbarkeit des Kurfürstentums behauptete und seinen Stiefbrüdern Christian und Joachim Ernst die erledigten hohenzollernschen Besitzungen in Franken überließ. Er gründete 1605, nach damaliger Zeitrechnung 25. Dez. 1604, das Kollegium des Geheimen Rats als oberste Verwaltungsbehörde. Sein Sohn Johann Siegmund (1608–20), mit Anna, der ältesten Tochter des Herzogs Albrecht Friedrich von Preußen, vermählt, wurde 1618 Herzog von Preußen, konnte aber seine Ansprüche auf die gesamte jülich-klevische Erbschaft, die Anna von ihrer Mutter Maria Eleonore, der ältesten Schwester des 1609 kinderlos verstorbenen Herzogs Johann Wilhelm von Jülich, überkommen hatte, nicht voll durchsetzen und mußte sich 1614 mit Kleve, Mark, Ravensberg und Ravenstein begnügen (s. Jülich). Von noch größerer Bedeutung als diese Erwerbung wurde für B. der seine eigne Politik zunächst schädigende Übertritt des Kurfürsten zum reformierten Bekenntnis dadurch, daß er die Gewissensfreiheit im Lande begründete. Die ständische Übermacht, unter der er und seine Vorgänger schwer gelitten hatten, stürzte unter seinem schwachen Nachfolger Georg Wilhelm (1620–40) das Land vollends ins Verderben: der Kurfürst vermochte weder seine rheinischen Besitzungen zu behaupten, noch seine Ansprüche auf Pommern durchzusetzen, das 1637 beim Tode des kinderlosen Herzogs hätte an B. fallen müssen. Während des Dreißigjährigen Krieges schwankte er ratlos zwischen den Parteien, und Schweden und Kaiserliche zwangen den Kurfürsten abwechselnd zur Bundesgenossenschaft. Trotz dieser Wirren gelang es dem Großen Kurfürsten, Friedrich Wilhelm (1640–1688), den Besitz des Landes zu sichern, durch neue Erwerbungen zu vermehren und die Vereinigung der einzelnen Landesteile zu einem organischen Ganzen einzuleiten. Seitdem geht die Geschichte Brandenburgs auf in der des preußischen Staates (s. Preußen), dessen Kern die brandenburgischen Lande immer gebildet haben. Durch Neuorganisation der Verwaltung[316] 1815 ward B. eine Provinz Preußens, jedoch mit erheblich veränderten Grenzen, indem der linkselbische Teil, die Altmark, zu der neuen Provinz Sachsen geschlagen, dagegen ein Teil des 1814 abgetretenen königlich sächsischen Gebietes (Belzig, Jüterbog und die Niederlausitz) mit B. vereinigt wurde (vgl. oben). S. die »Geschichtskarten von Deutschland« und »von Preußen«.

Vgl. Küster, Bibliotheca historica Brandenburgensis (Bresl. 1743; dazu: Accessiones 1768, 2 Bde.); Derselbe, Collectio opusculorum historiam marchicam illustrantium (das. 1731–33, 2 Bde.); Becmann, Historische Beschreibung der Kurmark B. (1751); Buchholz, Versuch einer Geschichte der Churmark B. (Berl. 1765–75, 6 Bde.); Voß u. Stimming, Vorgeschichtliche Altertümer aus der Mark B. (Brandenb. 1886); Brosien, Geschichte der Mark B. im Mittelalter (Leipz. u. Prag 1887); Scholz, Die Erwerbung der Mark B. durch Karl IV. (Bresl. 1874); F. Voigt, Geschichte des brandenburgisch-preußischen Staats (3. Aufl., Berl. 1878); Berner, Geschichte des preußischen Staats (2. Aufl., Münch. 1896, 2 Bde.); v. Raumer, Über die älteste Geschichte und Verfassung der Kurmark B. (Zerbst 1830); Riedel, Die Mark B. im Jahr 1250 (Berl. 1831–32, 2 Bde.); Derselbe, Codex diplomaticus Brandenburgensis (das. 1839–65, 4 Abtlgn. in 35 Bdn. und 1 Supplementband; 2 Registerbände von Heffter, 1867–69); Spieker, Kirchen- und Reformationsgeschichte der Mark B. (das. 1839); Heidemann, Die Reformation in der Mark B. (das. 1889); v. Bassewitz, Die Kurmark B., ihr Zustand und ihre Verwaltung unmittelbar vor Ausbruch des französischen Kriegs 1806 (Leipz. 1847); Derselbe, Die Kurmark B. im Zusammenhang mit den Schicksalen des Gesamtstaats von 1806–1808 (das. 1860); Kuhn, Märkische Sagen und Märchen (Berl. 1842); Schwartz, Sagen und alte Geschichten der Mark B. (3. Aufl., das. 1895); H. Berghaus, Landbuch der Mark B., vollständige historisch-geographische Beschreibung (Brandenb. 1853–56, 3 Bde.); Fontane, Wanderungen durch die Mark B. (neue Ausg., Berl. 1899, 4 Bde.); Trinius, Märkische Streifzüge (2. Aufl., das. 1884–87, 3 Bde.); »Gemeindelexikon der Provinz B.« (hrsg. vom königlich preußischen Statistischen Bureau, das. 1898); »Die Provinz B. in Wort und Bild« (hrsg. vom Pestalozziverein der Provinz B., Leipz. 1899); Kirstein, Handduch des Grundbesitzes der Provinz B. (4. Aufl., Berl. 1902); Brachvogel, Handbuch der Behörden der Provinz B. (das. 1901); v. Scholtz, Das bestehende Provinzialrecht der Kurmark B. (3. Aufl. von Günsburg, das. 1895); Bergau, Inventur der Bau- und Kunstdenkmäler in der Provinz B. (das. 1885); die vom Verein für die Geschichte der Mark B. (gegründet 1837) herausgegebenen »Märkischen Forschungen« (das. 1841–86, 19 Bde.; neue Folge als »Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte«, Leipz. 1888ff.); »Brandenburgia, Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz B.« (Berl., seit 1892).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 314-317.
Lizenz:
Faksimiles:
314 | 315 | 316 | 317
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Die beiden betuchten Wiener Studenten Theodor und Fritz hegen klare Absichten, als sie mit Mizi und Christine einen Abend bei Kerzenlicht und Klaviermusik inszenieren. »Der Augenblich ist die einzige Ewigkeit, die wir verstehen können, die einzige, die uns gehört.« Das 1895 uraufgeführte Schauspiel ist Schnitzlers erster und größter Bühnenerfolg.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon