Erdgas

[3] Erdgas (Naturgas), dem Erdboden entströmendes Gas, wie namentlich Kohlensäure (s.d.) und das Gemisch von Kohlenwasserstoffen, das als steter Begleiter des Erdöls oder dort vorkommt, wo die geologischen Verhältnisse für das Vorhandensein von Erdöl sprechen. Seit uralter Zeit ist das E. bekannt, das im kaukasischen Erdölgebiet, besonders auf der Halbinsel Apscheron, auftritt, den Feueranbetern die »ewigen Feuer« liefert, aber auch als Heiz- und Leuchtmaterial und zum Brennen von Kalk benutzt wird. Bei den benachbarten Schlammvulkanen treiben die Gase den Schlamm unter lautem Getöse aus der Tiefe hervor. Die kaukasischen Erdgase enthalten bis über 90 Proz. Methan CH4, außerdem andre Kohlenwasserstoffe und in geringer Menge Kohlenoxyd, Wasserstoff und Stickstoff. Ähnliches, wenn auch unbedeutenderes Vorkommen von Erdgasen ist von Barigazzo bei Modena, Pietra mala zwischen Florenz und Bologna, Rumänien, Galizien, Bechelbronn im Elsaß, Nordholland, in der Grafschaft Sussex und aus China bekannt. Das seit 1875 bekannte Vorkommen in Sussex liefert ein Gas, das unter einem Druck von 8 Atmosphären steht, 72,5 Proz. Methan, 18 Proz. Sauerstoff, 4 Proz. Kohlenoxyd und 5,5 Proz. schweren Kohlenwasserstoff enthält und wohl den bituminösen Purbeck- und den mit Petroleum imprägnierten Kimmeridgeschichten entstammt. Auch die in Steinkohlengruben auftretenden Gase, die zu den Explosionen der sogen. schlagenden Wetter Veranlassung geben, gehören hierher. Am großartigsten ist das Auftreten der Erdgase in Nordamerika. 1821 wurde in Chautauqua County im Staat New York ein Brunnen erbohrt und das demselben entströmende E. zur Beleuchtung des Dorfes Fredonia benutzt. Seit 1840 fand E. in den Vereinigten Staaten in immer steigendem Umfang als Heizmaterial zu industriellen Zwecken Verwendung. Das Vorkommen des Gases ist an das Vorhandensein von porösem Gestein gebunden, das dem Gas als Reservoir dient. Das Gas besteht wesentlich aus Methan, enthält zum Teil nicht unbedeutende Mengen von Wasserstoff, Äthan, Propan, Kohlensäure und in geringer Menge Kohlenoxyd, Stickstoff, Sauerstoff. Gase aus tiefern Schichten sind leuchtkräftiger als die aus höhern. Die wichtigsten Zentren der Gasgewinnung sind Ohio, Westpennsylvanien (Pittsburg), Indiana, der Alleghanydistrikt im Staate New York, Cincinnati. Man erbohrt das E. ähnlich wie das Erdöl und erhält bisweilen aus Einem Brunnen bis 320,000 cbm an einem Tag, doch schwankt die Ergiebigkeit nach Tag und Stunde, nach Wetterwechsel und Barometerstand. Einzelne Brunnen sind bereits 90 Jahre im Betrieb, andre sind frühzeitig versiegt. 1888 erreichte die Produktion ihren Höhepunkt (95 Mill. Mk.), 1896 betrug sie nur noch 54,6 Mill. Mk. (Zahl der Brunnen über 3800), und jetzt gelten die Gasfelder von Ohio und Pennsylvanien für erschöpft, und auf dem nen entdeckten Gasfeld von Indiana nimmt der Druck, unter dem das Gas ausströmt, vielfach auch schon ab, und mehrere Fabriken mußten Steinkohlenfeuerung einrichten. Das E. dient hauptsächlich zur Beleuchtung und zu Heizzwecken. Seine Leuchtkraft ist etwa halb so groß wie die des künstlich hergestellten Steinkohlengases, aber es ist sehr billig, und durch Karburieren und besondere Brenner hat man es besser zu verwerten gesucht. Dagegen besitzt es einen um 33,5 Proz. größern kalorischen Wert als Steinkohlengas, und 1,925 cbm E. leisteten beim Verdampfen von Wasser soviel wie 0,453 kg Steinkohle. Ausgedehnte Verwendung findet es in der Eisen- und Stahlindustrie. Große Schwierigkeiten bereitete anfangs der bedeutende Gasdruck, der an den Brunnen und in den Hauptleitungen 14–66,5 kg auf 1 qcm beträgt; gegenwärtig reduziert man den Gasdruck durch die Westinghouse-Regulatoren auf das zweckentsprechende Maß. Da das unter hohem Druck ausströmende Gas bei seiner Ausdehnung eine sehr starke Temperaturerniedrigung erfährt, hat man es vielfach zunächst zur Erzeugung von Eis und dann erst zur Heizung und Beleuchtung benutzt. Vgl. Weeks, Natural gas (Washingt. 1888); Veith, Das Erdöl und seine Verarbeitung (Braunschw. 1892).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 3.
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