[366] Produktion (lat.), im allgemeinen das Produzieren oder Hervorbringen sowie das Hervorgebrachte, das Produkt selbst; im engern volkswirtschaftlichen Sinne soviel wie Gütererzeugung, d. h. jede Tätigkeit, die Güter schafft oder im Wert erhöht. Der Mensch kann keine Stoffe hervorbringen, sondern nur den von der Natur gebotenen Stoffen Formen geben, in denen sie eine erhöhte Brauchbarkeit für die Befriedigung von Bedürfnissen haben. Und zwar geschieht dies in der Weise, daß der Mensch mit Hilfe des Bodens und der Naturkräfte, der erforderlichen Sachgüter (Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen, Geräte etc.) und der Arbeit den von der Natur gebotenen Stoffen eine erhöhte Brauchbarkeit und Zweckmäßigkeit verleiht. Man bezeichnet deshalb Natur, Kapital (die zur P. bestimmten Sachgüter) und Arbeit als Produktionsfaktoren. In der frühern hauswirtschaftlichen P., bei der die Güter nur für den eignen Gebrauch hergestellt wurden, ist die P. dann gelungen, wenn die Güter in der durch sie bewirkten Form für die Bedürfnisbefriedigung wertvoller sind als vorher; in der heutigen verkehrswirtschaftlichen Organisation der Volkswirtschaft, bei der die Güter in der Regel nur für den Absatz hergestellt werden, ist die P. dann gelungen, wenn der Preis der Produkte höher ist als der Aufwand auf die zu ihrer Herstellung nötigen Güter und Arbeitsleistungen. Die auf die unmittelbare Herstellung von Sachgütern gerichtete Tätigkeit glaubte die frühere Nationalökonomie allein als produktiv bezeichnen zu müssen. Ja das Physiokratische System (s. d.) hat entsprechend[366] seiner Grundanschauung nur die Hervorbringung von Bodenerzeugnissen als P. aufgefaßt. Später bezeichneten viele Nationalökonomen alle solche Tätigkeiten als produktiv, durch die Sachgüter hervorgebracht werden, während sie die persönlichen Dienstleistungen, gelehrte Beschäftigungen etc. für »unproduktiv« erklärten. Wieder andre hielten auch den Handel und das Transportgeschäft, weil sie unentbehrlich sind, um den produzierten Gegenstand in die Hand des Konsumenten zu bringen, für produktiv. Die neuere Volkswirtschaftslehre dagegen erklärt jede Tätigkeit für produktiv (im weitern Sinne), durch welche die menschliche Wohlfahrt gefördert und wirtschaftliche Fortschritte ermöglicht werden. Sie erkennt also neben der P. im engern Sinne (materielle P.), welche die unmittelbare Herstellung von Sachgütern bezweckt, auch die Dienstleistungen körperlicher und geistiger Art als produktiv an, weil auch hierdurch das Gesamtwohl um so viel erhöht werden kann, daß für die von Gelehrten, Beamten, Dienstboten etc. verzehrten Güter der höchstmögliche Ersatz geleistet wird. Der ganze an diese Frage geknüpfte Streit ist ein leerer Wortstreit, da für ihn die Bestimmung der Begriffe Gut, Wert und Wirtschaft maßgebend ist. Vgl. Lehr, P. und Konsumtion in der Volkswirtschaft (hrsg. und vollendet von Frankenstein, Leipz. 1895); Nordenholz, Allgemeine Theorie der gesellschaftlichen P. (Münch. 1902).
Meyers-1905: Getreidehandel, -Produktion und -Preise