[115] Essay (engl., spr. essē, franz. Essai, »Versuch«), Bezeichnung für kürzere Abhandlungen wissenschaftlichen oder literarischen Inhalts in gemeinverständlicher Darstellung. Der E. verdankt seine Entstehung der Anregung des französischen Schriftstellers Montaigne (»Essais«, 1580) und wurde durch Lord Bacon in die englische Literatur eingeführt, wo er im 18. Jahrh. besonders von Cowley, Dryden, Temple, Addison, Steele (die vorzugsweise Essayisten genannt werden) und andern bekannten Schriftstellern weiter ausgebildet wurde. Seine jetzige Form, die im wesentlichen darin besteht, daß in Anknüpfung an ein Ereignis des Tages oder an eine wichtige literarische Erscheinung Fragen, welche die Zeit bewegen, in leichtem und zwanglosem Gesprächston erörtert werden, erhielt der E. erst im 19. Jahrh. und zwar vorzugsweise durch den geistvollen Macaulay, dem andre, wie Bulwer-Lytton, Lord Stanhope, Carlyle, der Amerikaner Emerson, mit nicht minder glücklichem Erfolg nacheiferten. In Deutschland wurde der E. in gleichem Sinne kultiviert von Treitschke, Rümelin, Herm. Grimm, Julian Schmidt, Karl Frenzel, Rud. v. Gottschall u. a. In der Philatelie heißen Essays Briefmarken, die mehr oder weniger vorgeschrittene Entwürfe zu einer neugeplanten Ausgabe vorstellen.