Emerson

[754] Emerson, Ralph Waldo, namhafter amerikan. Schriftsteller und Denker, geb. 25. Mai 1803 in Boston, gest. 27. April 1882 in Concord (Massachusetts), wurde, gleich acht seiner Vorfahren, Theolog, wirkte als Prediger an einer Unitarierkirche, trat aber wegen Meinungsdifferenzen mit seiner Gemeinde über den Abendmahlsritus aus und machte eine Reise nach Europa, wo er den ihm geistesverwandten Carlyle kennen lernte. Die Frucht der Freundschaft dieser beiden Männer ist der Briefwechsel: »Correspondence of Carlyle and E.« (1883). Nach seiner Rückkehr ließ E. sich in Concord nieder, widmete sich den Arbeiten seiner Feder und hielt Vorträge. Seine erste Sammlung Aufsätze: »Nature« (1836; deutsch, Hannov. 1868), die bereits die Grundzüge der ideal-individualistischen Weltanschauung enthält, die er Transzendentalismus nannte und auf alle Dinge des praktischen Lebens anwendete, ohne an Formulierung eines philosophischen Systems zu denken, machte auf das Publikum keinen Eindruck. Erst sein Vortrag »The American Scholar« (1837), den Holmes die intellektuelle Unabhängigkeitserklärung Amerikas nannte, lenkte die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf ihn, und mit dem Erscheinen seiner »Literary Ethics« (1838) konnte er als Mittelpunkt des neuen geistigen Lebens gelten, das in Neuengland aufgeblüht war und in der sogen. transzendentalen Bewegung gipfelte. Als deren Organ wurde 1840 die Zeitschrift »The Dial« gegründet, deren Leitung erst Margaret Fuller (s. d.), dann E. selbst innehatte. 1841 erschien eine zweite Auswahl seiner »Essays« mit einer Vorrede Carlyles, 1844 eine zweite Serie. Der erste Band seiner gedankenvollen Lyrik, »Poems«, erschien 1846. Im folgenden Jahre machte E. eine zweite Reise nach Europa und hielt in England erfolgreich Vorträge. Ein weiterer Band seiner Prosaschriften erschien 1849 u. d. T. »Miscellanies«; dann folgten »Representative men« (1850; deutsch von Federn, Halle 1897); »English traits« (1856; deutsch von Spielhagen, Hannov. 1857); »The conduct of life« (1860; mehrfach deutsch: von Federn, Minden 1901; von Conrad, Leipz. 1902); »Letters and social aims« (1875; deutsch von Isolde Kurz. »Neue Essays«, Stuttg. 1876). Dazwischen fiel eine Sammlung späterer Gedichte: »May-day and other pieces« (1867), und nach seinem Tod erschienen einige Bände »Lectures and biograohical miscellanies«. Der Einfluß Emersons auf das ethische und intellektuelle Leben des Amerikanertums ist ein tiefgehender. Gesamtausgaben seiner vielfach ausgelegten Werke erschienen zuletzt[754] in 14 und 12 Bänden (Bost. 1890), eine Säkularausgabe in 12 Bänden (das. 1903); neue Ausgaben ausgewählter Werke von verschiedenen Übersetzern erschienen in letzter Zeit in Hendels »Bibliothek der Gesamtliteratur« (Halle), in Minden, bei Diederichs in Leipzig (5 Bde.) etc. Die Literatur über E. zählt einige hundert Bände. Vgl. Conway, E. at home and abroad (Bost. 1882); Holmes, Ralph Waldo E. and J. L. Motley (das. 1885); Benton, E. as a poet (neue Ausg., New York 1899); Guernsey, E. as poet and philosopher (das. 1884); E. W. Emerson, E. in Concord (Lond. 1889), und die Biographien von Cooke (Bost. 1881), Ireland (das. 1882), Cabot (Lond. 1887), Garnett (das. 1888), Sanborn (Bost. 1901), sowie die vortrefflichen Charakteristiken von Herman Grimm in dessen »Neuen Essays« (Berl. 1865), von K. Federn in den »Essays zur amerikanischen Literatur« (Halle 1899), Julian Schmidt, Weigand, Schönbach u.a.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 754-755.
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