Estouteville

[132] Estouteville (spr. eßtut'wil'), Guillaumed', Kardinal, geb. um 1403 aus einer vornehmen Familie der Normandie, mütterlicherseits dem französischen Königshaus verwandt, gest. 22. Jan. 1483, trat früh in den Benediktinerorden, studierte in Paris und gelangte in Rom, wohin er sich als Prior des Klosters St.-Martin des Champs zu Paris begab, schnell zu Ansehen. Er wurde Protonotar des Papstes Eugen IV., im Februar 1439 zum Bischof von Angers und 18. Dez. d. J. zum Kardinal ernannt; 1454 erhielt er das Bistum Porto, das er 1461 mit dem Bistum Ostia und Velletri vertauschte. Mit dem Kardinalat vereinigte er, obwohl dauernd in Rom residierend, seit 1453 das Bistum Maurienne und das Erzbistum Rouen, ferner zeitweise die Bistümer Angers, Béziers, Lodève und Nimes sowie zahlreiche Abteien, Priorate und andre Pfründen in Frankreich und Italien, so daß er außerordentliche Reichtümer erwarb und einen glänzenden Hofhalt führen konnte. 1451–52 und 1454–55 war er päpstlicher Legat in Frankreich; auf seiner ersten Legation gelang es ihm zwar weder den Frieden zwischen Frankreich und England herzustellen, noch die Widerrufung der Pragmatischen Sanktion (s.d.) zu erwirken; aber er reformierte die Universität Paris und leitete die Revision des Ketzerprozesses gegen die Jungfrau von Orléans ein. Nach dem Tode Calixts III. (1458) schlug seine Bewerbung um die Wahl zum Papste fehl, und unter Pius II. ward er mehr beiseite geschoben; doch wurde er noch 1477 zum Kämmerer der römischen Kirche ernannt und blieb bis zu seinem Tode das einflußreiche Haupt der französischen Partei und der Vertreter der französischen Interessen im Kardinalkollegium. In Rom stammen prächtige Bauten an den Kirchen Santa Maria Maggiore, deren Erzpriester er war, und Sant' Agostino, in Ostia der Bischofspalast von ihm her. Vgl. G. de La Morandière, Histoire de la maison d'E.en Normandie (Par. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 132.
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