Fogazzāro

[742] Fogazzāro, Antonio, ital. Dichter, geb. 25. März 1842 in Vicenza, studierte in Turin die Rechte, ohne sich jedoch einem Amt zu widmen, und entschied sich erst spät für die literarische Laufbahn. Er lebt in Vicenza. Sein erstes Werk, die Versdichtung »Miranda« (1874, 11. Aufl. 1900; deutsch von A. Meinhardt, Leipz. 1882), aus einer Seelenkrisis geboren, machte großes Aufsehen, dagegen erweckte die Gedichtsammlung »Valsolda« (1876, 4. Aufl. 1897; in Auswahl mit andern Gedichten vereint in den »Poesie scelte«, 1898), jenem Tale gewidmet, in dem der Dichter einen Teil seiner Jugend verlebt hatte, anfangs nur Befremden, ebenso wegen der schmucklosen Sprache wie wegen des starken Naturgefühls, das in ihr in Italien erstmalig zum Ausdruck kam, beide in Fogazzaros lombardisch-germanischem Wesen innerlich begründet. Sein Hauptgebiet ist der Roman. Der erste: »Malombra« (1881, 17. Aufl. 1900; deutsch, Stuttg. 1883) zeigt seine Kunst noch im Werden, doch alle Ansätze zu seiner kräftigen Charakterisierungsgabe und zumal auch den Hum or, der sonst den meisten italienischen Dichtern abgeht, bei ihm vor allem an Dickens erinnernd. Die beiden folgenden: »Daniele Cortis« (1885, 21. Aufl. 1900; deutsch von Dulk, Stuttg. 1888), ein politischer, und »Il mistero del poeta« (1888, 20. Aufl. 1900), ein Herzensroman, letzterer teilweise in Deutschland spielend, bedeuten als Kunstwerke den Höhepunkt von Fogazzaros Schaffen. Ein wahres Volksbuch wurde »Piccolo mondo antico« (1896, 35. Aufl. 1902; deutsch, Stuttg. 1903), eine Erzählung aus der Zeit der Befreiung der Lombardei und Venetiens vom österreich ischen Joch, die von der italienischen Kritik als Seitenstück zu den »Promessi sposi« Manzonis bezeichnet wurde; ihr folgte: »Piccolo mondo moderno« (1900, 12. Aufl. 1902; deutsch, Münch. 1903), die Geschichte der Söhne, die nicht hielten, was die Zeit der Väter versprach. Neben diesen größern Werken stehen die Novellensammlungen »Fedele, ed altri racconti« (1887), »Racconti brevi« (1894), »Idilli spezzati« (1901) und die in den »Discorsi« (1898) und den »Ascensioni umane« (1899) vereinigten philosophischen und religiösen Essays, endlich »Minime, studi, discorsi e nuove liriche« (1901). Die dramatischen Arbeiten vereint der Band »Scene« (El garoplo rosso; Il ritratto mascherato; Nadejde, 1903). Als Dichter ist F. der Antipode Gabriele d'Annunzios (s.d.), mit ihm der größte Vertreter der italienischen Literatur der Gegenwart; als Denker steht er auf dem Boden des Christentums in seiner katholischen Gestaltung. Vgl. S. Rumor, Antonio F. (Mail. 1896), und P. Molmenti, Antonio F., vita e opere (das. 1900, mit einer wertvollen Bibliographie); ferner O. Hauser, Antonio F. (in »Westermanns Monatsheften«, 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 742.
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