[314] Gandersheim, Kreisstadt im Herzogtum Braunschweig, in einem tiefen Tal an der Gande, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Soest-Börßum und G.-Großdüngen, 118 m ü. M., hat 2 alte evang. Kirchen (Georgs- und Stiftskirche, in letzterer der Marmorsarkophag der Äbtissin Elisabeth Ernestine Antonie und das sogen. Mecklenburgische Mausoleum für die Äbtissinnen Christine und Marie Elisabeth, Herzoginnen von Mecklenburg), ein fürstliches Schloß (jetzt Amtsgericht), eine alte berühmte Abtei (jetzt Kreisdirektion) mit Kaisersaal, Progymnasium mit Realabteilung, ein Lehrerinnenfeierabendhaus u. Solbad (Ludolfsbad). G. betreibt Zuckerfabrikation, Dampfmolkerei, Damastweberei, Möbeltischlerei, Obstweinkellerei, Zigarren-, Spiritus- und Likörfabriken und hat (1900) 3015 Einw. G. war ursprünglich eine Abtei, die 852 von Herzog Ludolf von Sachsen in Brunshausen gegründet, 856 aber hierher verlegt, mit einem Stift für adlige Damen verbunden wurde. Ein Streit zwischen dem Erzstift Mainz und dem Bistum Hildesheim wurde 1006 dahin entschieden, daß man G. letzterer Diözese zuwies; doch wurde das Stift zu Anfang des 13. Jahrh. direkt dem Papst unterstellt. Im 12. Jahrh. erlangte die Äbtissin reichsfürstliche Würde, und diese Auszeichnung blieb bestehen, selbst als das Stift 1570 protestantisch geworden war. Meist wurden Prinzessinnen aus angesehenen deutschen Fürstenhäusern zu Äbtissinnen des Stiftes berufen, die Sitz und Stimme auf der rheinischen Prälatenbank hatten. 1803 zog der Herzog von Braunschweig als Landesherr das Fürstentum ein. Die mittelalterliche Dichterin Hrolsuit (s. Hroswitha) lebte um 980 als Nonne in G. Auf dem nahen Klusberg (ehedem mit dem Kloster Klus, jetzt Domäne) steht seit 1874 ein Denkmal des Dichters Hoffmann von Fallersleben; nahebei das Gut Brunshausen, ehemals Nonnenkloster. Vgl. Harenberg, Historia ecclesiae Gandersheimensis diplomatica (Hannov. 1734); Hase, Mittelalterliche Baudenkmäler Niedersachsens, Bd. 3 (das. 1870); Brakebusch, Führer durch G. (1882).