Mainz [1]

[131] Mainz, ehemaliges deutsches Erzstift und Kurfürstentum, im nieder- oder kurrheinischen Kreis, am Rhein und Main zwischen der Wetterau, Franken, der Grafschaft Sponheim und Württemberg gelegen. Zum ersten Bischof von M. macht die Legende einen Schüler des Apostels Paulus, Crescens, der um 82 unter der hier stehenden 22. Legion das Christentum gepredigt habe und den Märtyrertod gestorben sei. Die Verzeichnisse seiner Nachfolger bis ins 6. Jahrh. sind ein Machwerk späterer Zeit. Bonifatius (s. d. 2), schon 732 Metropolit von Germanien, erhielt mit päpstlicher Zustimmung 747 den Mainzer Stuhl als Erzbistum und zu Suffraganen die Bischöfe zu Tongern (nachher Lüttich), Köln, Worms, Speyer, Utrecht, Würzburg, Eichstätt, Buraburg (bei Fritzlar), Erfurt, Straßburg und Konstanz. 753 übergab er das Erzbistum seinem Schüler Lullus, der viele Kirchen und Klöster stiftete. Unter seinen Nachfolgern sind die berühmtesten: Hrabanus Maurus (847–856); Hatto I. (891–913), der eine große Rolle im Deutschen Reich unter Ludwig dem Kind und Konrad I. spielte; Willigis (975–1011), der vom Papst das Pallium nebst dem Vorrecht erhielt, auf allen deutschen und französischen Konzilen zu präsidieren und den deutschen König zu krönen; er erwarb auch zuerst königliche Hoheitsrechte im Rheingau; Siegfried III. von Eppenstein (1230–49), der hintereinander zwei Könige auf den deutschen Thron erhob, Heinrich Raspe und Wilhelm von Holland; Gerhard II. von Eppenstein (1288 bis 1305), der 1292 vom Grafen Heinrich von Gleichen das obere Eichsfeld erwarb, sich durch die Concordata Gerhardi um die Herstellung der Ordnung im Reiche verdient machte und aufs neue den Titel eines Erzkanzlers von Deutschland sowie 1298 den ersten Rang im Reich für sich und seine Nachfolger zugesprochen erhielt; Heinrich von Virneburg, seit 1328, der in dem Erzbischof Balduin von Trier einen Gegenbischof erhielt, 1346 wegen seiner Parteinahme für den Kaiser Ludwig den Bayer vom Papst abgesetzt ward, aber sich gleichwohl im Erzbistum bis an seinen Tod (1353) behauptete. Zu seiner Zeit umfaßte dasselbe 14 Bistümer, nämlich außer den 6 frühern (Konstanz, Eichstätt, Speyer, Straßburg, Worms und Würzburg) Augsburg, Chur, Halberstadt, Hildesheim, Olmütz, Paderborn, Prag und Verden. 1343 verlor M. die Metropolitangewalt über Prag und Olmütz und verzichtete auf das Recht, den König von Böhmen zu krönen. Zwischen Ludwig von Meißen, 1373 vom Papst und Kaiser eingesetzt, und dem vom Kapitel gewählten Adolf I. von Nassau, Bischof von Speyer, kam es zum Krieg, den 1381 ein Vergleich beendigte: Adolf blieb Erzbischof in M., Ludwig erhielt das Erzbistum Magdeburg mit dem Titel eines Erzbischofs von M. Den Streit zwischen der Stadt Mainz und dem Erzbischof Konrad III. über die Befreiung der Geistlichen von den städtischen Steuern beendigte erst 1435 unter Dietrich, Schenk von Erbach, die unter Vermittelung des Baseler Konzils vereinbarte Pfaffenrachtung. Dietrich II., Graf von Isenburg, wurde, da er auch die von 10,000 auf 21,600 Gulden erhöhten Annaten nicht bezahlen wollte, vom Papst abgesetzt und durch Adolf II. von Nassau ersetzt. Dies veranlaßte einen für das Erzstift verderblichen Krieg (»Mainzer Stiftsfehde«), den 1463 ein Vergleich beendete, wobei Dietrich gegen Abtretung einiger Mainzer Stifter der Verwaltung des Erzstifts entsagte. Nach Adolfs II. Tode (1475) wieder zum Erzbischof ernannt, eröffnete Dietrich II. 1477 die unter dem 23. Nov. 1476 von Papst Sixtus IV. errichtete Universität zu Mainz. Albrecht II. von Brandenburg (als Erzbischof von Magdeburg Albrecht IV., s. Albrecht 8), 1514–45, war anfänglich den reformatorischen Bestrebungen auf kirchlichem Gebiet nicht abgeneigt, nahm aber 1542 die Jesuiten in sein Stift auf. Der prachtliebende Kurfürst förderte Kunst und Wissenschaft. Unter Sebastian von Heussenstamm (1545–55) fand 1549 die letzte Provinzialsynode statt. Unter Johann Schweikard von Cronberg (1604–26) hausten hier Mansfeld und Christian von Braunschweig; er erneuerte den Katholizismus auf dem Eichsfeld und an der Bergstraße; Gustav Adolf von Schweden besetzte 1631 während der Regierung Anselm Kasimirs von Umstatt das Erzstift, und die Schweden behielten es bis 1636. Von 1643–48 war es in den Händen der Franzosen; der Erzbischof lebte in Köln. Unter Johann Philipp von Schönborn (1647–73) wurde 1664 Erfurt erzstiftische Landstadt.

Das Erzstift besaß vor der französischen Revolution ein eignes Gebiet von 8260 qkm, das sich um Mainz und Erfurt (hierzu das Eichsfeld) gruppierte. Der Erzbischof, durch freie Wahl des Domkapitels gewählt, war Kurfürst und Erzkanzler des Reiches, Primas von Deutschland, führte das Direktorium auf dem Reichstag, im Kurfürstenkollegium und bei der Wahl und schrieb Deputations- und Kurfürstentage aus. Das Domkapitel bestand aus 24 adligen Mitgliedern, unter denen 5 Prälaten und 10 Kapitularherren, welch letztere nicht notwendig Priester zu sein brauchten. Die kurfürstlichen Einkünfte beliefen sich auf 1,400,000 Gulden. Als höhere Unterrichtsanstalten bestanden die Universitäten in Mainz und Erfurt und seit 1754 eine Akademie nützlicher Wissenschaften in Erfurt. Das Wappen war ein silbernes Rad mit sechs Speichen im roten Felde. Der letzte wirkliche Kurfürst war (seit 1774) Friedrich Karl Joseph von Erthal, ein wohlwollender, aufgeklärter Mann, der zahlreiche Gelehrte, auch Protestanten, an die Universität berief. Vor den Franzosen mußte er zuerst 1792 und, 1793 zurückgekehrt, 1794 für immer aus Mainz flüchten und das linke Rheinufer preisgeben; er starb 25. Juli 1802 in Aschaffenburg. Ihm folgte Dalberg (s. d. 2) als Kurfürst, aber der Reichsdeputationsrezeß vom 25. Febr. 1803 säkularisierte das Erzbistum M. Frankreich erhielt von dem Mainzer Gebiet die Distrikte am linken Rheinufer, Preußen Erfurt, das Eichsfeld und die thüringischen Besitzungen; andre Teile fielen an Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel und Nassau; den Rest des Erzstifts M., die Fürstentümer Aschaffenburg, Regensburg, die Grafschaft Wetzlar und mehrere Ämter (zusammen 1375 qkm mit 109,000 Einw. und einem jährlichen Einkommen von 600,000 Gulden), erhielt Dalberg als Kurerzkanzler;[131] das Erzbistum wurde nach Regensburg verlegt. Schon 1801 war das Erzstift in ein Bistum umgewandelt worden und ward zuerst Mecheln, 1829, nach Errichtung der oberrheinischen Kirchenprovinz, Freiburg unterstellt. Die Episkopalrechte erstreckten sich nur auf das Großherzogtum Hessen und einige 1866 von diesem an Preußen abgetretene Gebietsteile. Nach dem Tode des Bischofs Wilhelm Emanuel v. Ketteler (s. d.) blieb das Bistum längere Zeit unbesetzt, bis nach Abschluß der kirchlichen Gesetzgebung im Großherzogtum 1886 der Bischof Haffner (s. Haffner 3) eingesetzt wurde; seine Nachfolger sind Brück (s. d. 2; 1899–1903) und Kirstein (s. d.). Vgl. Joannis, Scriptores rerum Moguntiacarum (Frankf. 1722–27, 11 Bde.); Würdtwein, Dioecesis Moguntina (Mannh. 1769–77, 3 Bde.); Schunk, Beiträge zur Mainzer Geschichte (Frankf. 1788–91, 3 Bde.); Hennes, Die Erzbischöfe von M. (3. Aufl., Mainz 1879); Stumpf, Acta Maguntina saec. XII (Innsbr. 1863); Jaffé, Monumenta Moguntina (Berl. 1866); Paul Richter, Geschichte des Rheingaues in »Der Rheingaukreis, Statistik 1881–1900« (Rüdesh. 1902); Will, Regesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe (Innsbr. 1877 bis 1886, Bd. 1 u. 2); Menzel, Diether von Isenburg, Erzbischof von M. (Erlang. 1868); Vogt, Erzbischof Matthias von M. (Berl. 1905); Jakob Schmidt, Die katholische Restauration in den ehemaligen kurmainzer Herrschaften Königstein und Rieneck (Freib. i. Br. 1902); Schrohe, Kurmainz in den Pestjahren 1666–1667 (das. 1903); Wagner-Schneider, Die vormaligen geistlichen Stifte in Rheinhessen (Darmst. 1878); Bockenheimer, Kurmainz im Fürstenbunde (Mainz 1905); »Geschichtsblätter für die mittelrheinischen Bistümer« (das. 1883–85, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 131-132.
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