[798] Gewerbevereine, freie gewerbliche Vereinigungen mit dem Hauptzweck, das Gewerbewesen oder, wie bei den Kunstgewerbevereinen, bestimmte Zweige desselben im Vereinsbezirk zu fördern und zu heben. Die Mehrheit ihrer Mitglieder wird gebildet aus Vertretern des gewerblichen Mittelstandes; außerdem zählen zu ihren Mitgliedern viele Fachmänner auf dem Gebiete des gewerblichen Unterrichtswesens, ferner Ingenieure, Architekten und Leiter industrieller Betriebe als Freunde und Förderer des Handwerks und Gewerbes. Tätigkeit und Organisation der bestehenden G., von denen einige durch Staat und Gemeinde unterstützt werden, sind sehr verschieden. Sie beschränken sich z. T. darauf, durch Vorträge, Besprechungen, Bibliothek, Unterricht belehrend, anregend, erziehend auf ihre Mitglieder einzuwirken; einige G. stecken sich auch weitere Ziele, indem sie es sich namentlich zur Aufgabe machen, für einen guten Zustand[798] des Lehrlingswesens (s.d.), Arbeitsvermittelung, für ein gutes Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, für Förderung auch der Interessen der letztern und für Hebung und Erhaltung des Kleingewerbes zu sorgen, örtliche Ausstellungen zu veranstalten, Genossenschaften, insbes. Vorschußvereine zu gründen, Gutachten und Berichte über gewerbliche Fragen an die Regierung zu erstatten etc. Die Wirksamkeit dieser Vereine kann erheblich gesteigert werden durch die Vereinigung der Ortsvereine zu Gauvereinen und zu Landes- (bez. Provinzial-) Verbänden oder Vereinen mit ständigem Präsidium und Generalsekretariat sowie durch regelmäßige Wanderversammlungen der so zentralisierten Vereine zur Erörterung allgemeiner gewerblicher Fragen und Interessen. Solcher Vereine gibt es in Deutschland über 950, davon der größere Teil in Süddeutschland. Eine hervorragende Stellung nehmen die G. in Baden ein; die meisten sind zu Gaugewerbeverbänden und diese wieder zu einem Landesgewerbeverband vereinigt. Dieser lehnt sich an die staatliche Landesgewerbehalle und deren Ausschuß an. Die Regierung zieht Vertreter der G. zur Mitberatung gewerblicher Fragen des Landes und auch des gewerblichen Teiles des Staatsetats heran, doch sollen die G. grundsätzlich ihre volle Selbständigkeit wahren. Auch in Hessen sind seit 1837 die Ortsvereine zu einem Landesgewerbeverein verbunden; der an der Spitze desselben stehende Generalsekretär ist ein staatlicher Beamter. In Württemberg stehen die G. unter dem Einfluß der 1848 errichteten Zentralstelle für Gewerbe und Handel. In Bauern, wo schon Anfang des 19. Jahrh. G. errichtet wurden, ist das Gewerbevereinswesen nicht zentralisiert. Dagegen besteht in Sachsen ein Gesamtverband sächsischer G.; ebenso in Sachsen-Weimar. Für ganz Preußen liegt eine Statistik nicht vor. 1891 wurde in Köln ein Verband deutscher G. gegründet mit dem Zweck, ein festes Zusammenwirken der deutschen G. zur gegenseitigen Förderung ihrer Aufgaben und zur Vertretung gemeinsamer Interessen herbeizuführen. Diesem Verbande deutscher G. gehören an 1903: der Verband
Von österreichischen Gewerbevereinen ist insbes. der 1840 gegründete niederösterreichische mit seiner ausgedehnten Wirksamkeit hervorzuheben (vgl. dessen Festschrift: »Fünfzig Jahre gewerblicher Bestrebungen«, Wien 1890). Mehrere dieser Vereine und Verbände geben Zeitschriften heraus: »Hannoversches Gewerbeblatt«, »Gewerbeblatt für das Großherzogtum Hessen«, »Gewerbeblatt für die Provinzen Ost- und Westpreußen«, »Schlesisches Gewerbeblatt«, »Gewerbeblatt aus Württemberg«, »Gewerbeschau« (Sächsische Gewerbezeitung, Zittau), »Badische Gewerbezeitung« u. a.