[558] Gyangtse (spr. dschiangtse), Stadt im südlichen Tibet in der von Dardschiling im Sikkim-Himalaja nach Lhassa führenden Handelsstraße, unter 29° nördl. Br. und 391/2° östl. L., 3920 m ü. M., links am Njangtschu, einem rechten Nebenfluß des Sangpo, wichtig als Markt und tibetische Festung. Der Ort besteht aus etwa 1000 Wohnhäusern, die am Abhang von zwei Hügeln liegen. Von diesen trägt der östliche ein starkes, im 14. Jahrh. erbautes Fort (Djong), etwa 150 m über der Stadt; der westliche ein sehr heiliges Kloster (Palkhoichoide, »Tempel des Lernens«) mit 500 (früher 3000) Monchen, von denen fast die Hälfte dauernd mit dem Lesen heiliger Bücher beschäftigt ist, und einer großen Bibliothek mächtiger Folianten mit goldener Schrift. G. ist Sitz eines der sechs Dahpons (Divisionskommandeure) des tibetischen Militärs und Garnison von gewöhnlich 500 tibetischen, dazu 50 chinesischen Soldaten unter einem chinesischen Offizier, außerdem einer Eingebornenmiliz. Der Ort wird von einer 4 km langen Steinmauer umgeben. Das Klima ist im Winter äußerst rauh; fast unausgesetzt wehende starke Winde führen große Staubwolken mit sich. Trotzdem ist der Sommer noch ungünstiger zum Reisen, weil dann der Boden aufgeweicht und die Flüsse kaum passierbar sind. Einzige Industrie der trägen Bewohner ist Weberei von wollenen Zeugen (Nambu). Als Markt bleibt G. an Bedeutung hinter Schigatse (s. d.) zurück; die Läden werden fast ausschließlich von Händlern aus Nepal und China unterhalten. Bei dem Vormarsch der unter starker militärischer Bedeckung in das Innere von Tibet vordringenden britischen Gesandtschaft (vgl. Großbritannien, S. 417) mußte die Feste von G., die der Vorhut der Expedition unter Oberst Younghusband mehrere Wochen Widerstand geleistet hatte, 6. Juli 1904 durch die Haupttruppe unter General Macdonald erstürmt werden. Am 14. Juli wurde der Marsch auf Lhassa (s. d.) angetreten, das ohne weitere Kämpfe 3. Aug. erreicht wurde.