Heldenbuch

[132] Heldenbuch ( Der Helden Buoch), Titel einer gedruckten Bearbeitung älterer epischer, der deutschen Heldensage angehöriger Gedichte. Sie enthält die unter dem gemeinschaftlichen Titel: »Wolfdietrich« zusammengefaßten Gedichte von »Ortnit«, »Hugdietrich« und dem eigentlichen »Wolfdietrich« sowie den »Großen Rosengarten« und den »Kleinen Rosengarten« oder »König Laurin«. Diese Gedichte sind (mit Ausnahme des letztern, das in Reimpaaren verfaßt ist) in Strophen von acht Zeilen, die ungeraden mit weiblichen, die geraden mit männlichen Endreimen, gedichtet; die Hauptzüge der alten Dichtung sind unversehrt erhalten, und das Ganze macht, wenn auch die Darstellung an manchen Mängeln, besonders der Metrik, leidet, doch einen nicht unangenehmen Eindruck; namentlich ist die Frische und Lebendigkeit der Umarbeitung lobend hervorzuheben. Die älteste Ausgabe des Heldenbuches, die den Wert einer Handschrift hat, ist ohne Angabe des Ortes und des Jahres, die zweite erschien 1491 in Augsburg; spätere Drucke sind von 1509, 1545, 1560, 1590 (für den Literarischen Verein in Stuttgart hrsg. von A. v. Keller, 1867). Diese Sammlung erhielt wenigstens einzelne Teile der alten Heldensage bis gegen das Ende des 16. Jahrh. in der Erinnerung des Volkes. Um 1472 wurden dieselben Stoffe, der »Ortnit«, »Wolfdietrich« und der »Rosengarten«, sowie eine nicht geringe Anzahl andrer, dem Etzel- und Dietrichskreis angehöriger Sagen von einem Volksdichter abermals umgedichtet, und auch diese Überarbeitung ward von ihrem ersten Herausgeber, v. d. Hagen, als H. bezeichnet. Diese zweite Umdichtung aber sucht an Poesie- und Geschmacklosigkeit ihresgleichen; alles echt Poetische der ältern Dichtungen ist darin verwischt. Trotzdem ist auch sie wichtig,[132] weil der Volkssänger in manchen Stücken nach Originalen gearbeitet hat, die uns nicht mehr zugänglich sind. Sie ist abgedruckt in der Ausgabe des Heldenbuches von v. d. Hagen und Primisser (Berl. 1820–1825, 2 Bde., auch u. d. T.: »Deutsche Gedichte des Mittelalters«, Bd. 2) und ging lange unter dem Namen Kaspars von der Rhön (aus Münnerstadt in Franken), der jedoch nur einer der beiden Schreiber der (einzigen, jetzt in Dresden befindlichen) Handschrift ist. Jetzt wird sie meist nach ihrem Aufbewahrungsort das »Dresdener Heldenbuch« genannt. Eine vollständige Sammlung der altdeutschen Heldenlieder aus dem Sagenkreis Dietrichs von Bern und der Nibelungen enthält v. d. Hagens andres »Heldenbuch« (Leipz. 1855, 2 Bde.) sowie in kritischen Texten das von Müllenhoff und seinen Schülern bearbeitete »Deutsche H.« (Berl. 1866–73, 5 Bde.). Eine umfassende Erneuerung der Heldensage hat Simrock unter gleichem Titel in 6 Bänden (Stuttg. 1843–49 u. ö.) gegeben.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 132-133.
Lizenz:
Faksimiles:
132 | 133
Kategorien: