Huet

[597] Huet (spr. [h]üétt), 1) (Huëtius ') Daniel, Gelehrter, geb. 8. Febr. 1630 in Caen, gest. 26. Jan. 1721 in Paris, erhielt seine Bildung bei den Jesuiten, ging 1652 mit seinem Lehrer Bochart an den Hof der Königin Christine von Schweden, lebte dann in seiner Vaterstadt, wurde 1670 mit Bossuet Lehrer des Dauphins, leitete mit diesem die Bearbeitung der alten Klassiker »in usum Delphini«, nahm 1676 die priesterlichen Weihen, erhielt 1678 die Cistercienserabtei Aulnay in der Normandie, wurde 1685 zum Bischof von Soissons ernannt, aber vom Papst nicht bestätigt, erhielt dafür 1689 das Bistum von Avranches in der Normandie und übernahm es 1692, vertauschte es jedoch 1699 mit der Abtei Fontenay bei Caen. 1701 zog er sich in das Profeßhaus der Jesuiten zu Paris zurück, um sich ganz den Studien zu widmen. H. hat sich als Philolog, Theolog, Philosoph und Dichter einen Namen gemacht. In ersterer Beziehung nennen wir die Schriften: »De optimo genere interpretandi« (Par. 1661, 2 Bde.); »Commentaria Origenis« (Rouen 1668, 2 Bde.); »Histoire du commerce et de la navigation des anciens« (Par. 1716; 2. Aufl., Lyon 1763). In seinen theologisch-philosophischen Schriften will er die Wahrheit der christlichen Offenbarungslehre gegen die Philosophie beweisen, indem er als supranaturalistischer Skeptiker zeigt, daß die Vernunft allein nie zur Wahrheit gelangen könne. Hierher gehören: »Demonstratio evangelica« (Par. 1679 u. ö.); »Censura philosophiae Cartesianae« (das. 1689 u. 1694); »Mémoires pour servir à l'histoire du Cartésianisme« (das. 1692 u. ö.); »Dissertations sur diverses matières de religion et de philosophie« (das. 1712, 2 Bde.); »Traité philosophique de la faiblesse de l'esprit« (Amsterd. 1723). Seine »Carmina latina et graeca« wurden 1664 ohne sein Wissen in Utrecht veröffentlicht (vollständiger Par. 1709 u. 1729). Olivet veröffentlichte nach seinem Tode: »Huetiana, ou pensées diverses de H.« (Par. 1722); die »Poésiesfrançaises de Daniel H.« gab Lavalley (das. 1881) heraus. Sein Leben beschrieb er selbst in »Hueti commentarius de rebus ad eum pertinentibus« (Haag 1713, Amsterd. 1718, Leipz. 1719; franz. von Nisard: »Mémoires de Daniel. H.«, Par. 1853); »Lettres inédites« gab Henry (das. 1879) heraus. Vgl. Bartholmèß, H., évèque d'Avranches (Par. 1850); Barach, H. als Philosoph (Wien 1862).

2) Paul, franz. Maler, Zeichner und Radierer, geb. 1804, gest. 9. Jan. 1869 in Paris, trat in das Atelier von Gros ein, widmete sich aber der Landschaftsmalerei, der er seit etwa 1830 im Anschluß an Delacroix und die Romantiker eine neue Richtung gab. Durch unmittelbares Naturstudium begründete er in Frankreich die poetische Stimmungslandschaft im Gegensatz zur klassischen Richtung. Er studierte meist in der Umgebung von St.-Cloud, machte aber auch Studienreisen nach der Normandie, der Bretagne, England, Belgien, Holland und Italien (1840). Von seinen koloristisch überaus reizvollen Landschaften sind zu nennen: ein Gewitter am Abend (1831), Sonnenuntergang bei Herbstnebel, die Überschwemmung von St.-Cloud (1855, Hauptwerk), große Flut bei Honfleur, die schwarzen Felsen (1864), Gestade von Houlgatt (1863), Abend in den Alpen (1864), die Überschwemmung der Gave (1865), das Wäldchen beim Haag (1866). Er hat auch dekorative Gemälde (das Leben in der Normandie, in acht Bildern), Lithographien, Radierungen und Illustrationen zu »Paul und Virginie« und der »Indischen Hütte« sehr sein und stimmungsvoll ausgeführt.

3) Conrad Busken, niederländ. Schriftsteller und Kritiker, einer ursprünglich französischen Familie entstammend, geb. 28. Dez. 1826 im Haag, gest. 1. Mai 1886 in Paris, wirkte 1851–62 als Prediger der wallonisch-reformierten Gemeinde in Haarlem, legte aber infolge von Verwickelungen, in die ihn seine freisinnige Richtung brachte, seine Stelle nieder und widmete sich ganz der Literatur. Bereits hatte er sich als Kritiker auf theologischem Gebiete durch seine »Brieven over den bijbel« (1858) und »Polemische fragmenten« wie als Novellist durch »Groenen rijp« (unter dem Pseudonym Thrasybulus veröffentlicht) und »Overdrukjes« bekannt gemacht, als er in der Zeitschrift »De Gids« auch als literarischer Kritiker auftrat, der alles Mittelmäßige und Anspruchsvolle in der Literatur schonungslos geißelte; sobald er jedoch auch die Politik in einer dem »Gids« feindlichen Richtung zu treiben versuchte, mußte er (1865) aus der Redaktion ausscheiden. Als Journalist hatte er bis 1868 in Haarlem gelebt, dann siedelte er nach Batavia über, wo er die Zeitung »Java-bode« und später das von ihm gegründete »Allgemeen Dagblad van Ned. – Indie«, dieses seit 1872 sein Eigentum,[597] redigierte. Seit 1876 lebte er in Paris. Seine fesselnden, oft genug Widerspruch erregenden, immer geistreichen Aufsätze sind u. d. T.: »Litterarische Fantasiën«, »Nieuwe Litterarische Fantasiën« (Haarl. 1868–87, 22 Bde.) und »Nederlandsche Belletrie van 1857–1876« (das. 1875–76, 3 Bde.) und in den »Litterarischen Fantasiënen Kritieken«, zu 25 Bänden vereinigt, gesammelt erschienen. Außer Schilderungen seiner Reisen in Italien, Frankreich und Belgien und kunstgeschichtlichen Schriften, wie »Het land van Rubens« (Amsterd. 1879), »Het land van Rembrand« (Haarl. 1882–84, 3. Aufl. 1898; deutsch von Mohr, Leipz. 1886), veröffentlichte er den seinerzeit vielbesprochenen Roman »Lidewyde« (1868; deutsch von Glaser, Braunschw. 1874). Seine »Briefe«, von seiner Frau und seinem Sohn herausgegeben, erschienen 1890 in Haarlem, eine Gesamtausgabe seiner Schriften u. d. T. »Historischeen romantische werkenen reisherinneringen« daselbst 1899–1900, 13 Bde. Sein Leben beschrieben Janten Brink (Amsterd. 1886) und A. G. van Hamel (Haarl. 1886).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 597-598.
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